zurück
Würzburg
50-jähriges Jubiläum: Wo der Verein der Rollstuhlfahrer Verbesserungspotential bei der Inklusion in Würzburg sieht
Seit 1973 ist der Verein der Rollstuhlfahrer in Würzburg aktiv. Was hat sich seitdem in Würzburg für Menschen mit Behinderung verbessert? Und wo gibt es Baustellen?
Für Sevdil Kryeziu, Robert Wolfram, Sandra Steiner, Johannes Waltinger, Alexander Hümmer und Philipp Steiner (von links) ist der Würzburger Verein der Rollstuhlfahrer ein wichtiger sozialer Raum.
Foto: Patty Varasano | Für Sevdil Kryeziu, Robert Wolfram, Sandra Steiner, Johannes Waltinger, Alexander Hümmer und Philipp Steiner (von links) ist der Würzburger Verein der Rollstuhlfahrer ein wichtiger sozialer Raum.
Lilli Pospischil
 |  aktualisiert: 21.01.2024 02:44 Uhr

Rollstuhlreifen poltern über den Turnhallenboden. Ein Wurf. Jubel. Zwei Spieler klatschen sich ab. So geht es jeden Donnerstag zu, wenn sich Mitglieder des Würzburger Vereins der Rollstuhlfahrer und seine Freunde treffen, um gemeinsam Basketball zu spielen. Im Dezember 2023 feierte der Verein sein 50. Jubiläum. Er hat miterlebt, wie sich der Umgang mit Menschen mit Behinderung in Würzburg positiv gewandelt hat. Und dennoch sehen die Vereinsmitglieder weiteren Verbesserungsbedarf.

Der Würzburger Verein der Rollstuhlfahrer entstand aus der Not heraus 

Am 9. Juli 1973 war folgender Aufruf in der Main-Post zu lesen: "Achtung Querschnittsgelähmte. Es wird von verschiedenen Persönlichkeiten beabsichtigt, eine Interessengemeinschaft zur materiellen und ideellen Unterstützung von Querschnittsgelähmten ins Leben zu rufen. Damen und Herren in Unterfranken, die zu diesem Personenkreis gehören, wollen bitte ihre Anschrift an nachstehende Adresse bekannt geben." Daraufhin wurde durch ein handgeschriebenes Protokoll, datiert auf den 8.11.1973, der Zusammenschluss durch fünf Gründungsmitglieder besiegelt.

Konstantin Gräf ist aktuell Vorsitzender des Vereins und dort nach eigenen Angaben seit 23 Jahren aktiv. Er selbst hat keine Behinderung, sondern engagiert sich, weil ihm Inklusion am Herzen liegt. Er sagt: "Die Idee der Inklusion bedeutet für uns Rollstuhlsportgruppen anzubieten, an denen jederzeit auch nicht Behinderte, leicht Behinderte oder anders Behinderte teilnehmen können." Außerdem trage der Verein die Interessen von Menschen mit Behinderung in die Öffentlichkeit.

Für viele Mitglieder schafft der Verein einen Grund aus dem Haus zu gehen

Die derzeit rund 100 Mitglieder treffen sich wöchentlich zu verschiedenen Sportangeboten. Kinder und Jugendliche toben sich beim Rollstuhl- oder Elektrorollstuhlhockey aus. Besonders Rollstuhlbasketball sei beliebt bei jung und alt, sagt Gräf. Er erinnert sich an eines der Sportfeste "No Limits!", eine Initiative der Thomas-Lurz und Dieter-Schneider Sportstiftung, bei dem eine Rollstuhlsportgruppe gegen die S.Oliver Baskets im Rollstuhlbasketball angetreten war. "Im ersten Viertel des Spiels hatten die Baskets keine Chance gegen uns", sagt er.

Vereinsmitglied Sandra Steiner kann beim Rollstuhl-Basketball den Alltag vergessen.
Foto: Patty Varasano | Vereinsmitglied Sandra Steiner kann beim Rollstuhl-Basketball den Alltag vergessen.

Rollstuhlfahrerin Sandra Steiner ist seit über 20 Jahren Mitglied im Verein. Für sie ist der Sport ein Treff unter Freunden und Freundinnen. "Hier vergisst man den Alltag", sagt sie. Es bedeute ihr viel, hier Probleme besprechen zu können und verstanden zu werden.

Entsprechend schwer war für Steiner die Zeit der Corona-Pandemie. Weil Teamsport in der Halle zwischenzeitlich verboten war, sei für viele Mitglieder ein Grund entfallen, aus dem Haus zu gehen. "Schwerbehinderte Mitglieder haben teilweise nicht viel anderes in ihrem Leben", sagt sie. Wegen der Pause hätten viele Ehrenamtliche ihre Tätigkeit beendet. Das mache dem Verein bis heute zu schaffen.

Wie behindertengerecht ist Würzburg aus Sicht der Betroffenen ausgestattet?

Auch weitere Herausforderungen beschäftigen aktuell den Verein. So habe sich in Würzburg in den vergangenen 50 Jahren für Menschen mit Behinderung zwar einiges zum Positiven verändert – etwa durch behindertengerechte Zugänge zu öffentlichen und kirchlichen Gebäuden.

Vereinsmitglied Alexander Hümmer (rechts) sieht bei Inklusion in Würzburg Verbesserungspotential.
Foto: Patty Varasano | Vereinsmitglied Alexander Hümmer (rechts) sieht bei Inklusion in Würzburg Verbesserungspotential.

Dennoch gebe es weiterhin Verbesserungspotential, sagt Vereinsmitglied Alexander Hümmer. "Ich habe das Gefühl, wir sind in Würzburg erst bei zehn Prozent, obwohl Bayern seit zwei Jahren barrierefrei sein soll", sagt der Hobby-Basketballer. So seien behindertengerechte Toiletten in Würzburg schwer zu finden, oft befänden sich die WCs in Kellergeschossen.

Auch die Aufrüstung der Straßenbahnen mit Rampen sehen die Vereinsmitglieder nicht als ausreichendes Zeichen der Inklusion. Man müsse dem Schaffner Bescheid geben, der baue die Rampe auf und ab. "Dieser Prozess dauert bei Ein- und Ausstieg jeweils fünf Minuten", sagt Vereinsmitglied Sandra Steiner. Anderen Fahrgästen würde dadurch unnötig Zeit geraubt. Der aktuelle Einsatz der alten Straßenbahnen mache eine Mitfahrt aktuell noch schwieriger oder gar unmöglich. 

Aktionsplan Inklusion der Stadt Würzburg

Seit 2014 gibt es in Würzburg den sogenannten Aktionsplan Inklusion. Er enthält eine Auflistung von mehr als 180 Maßnahmen und Empfehlungen, die Würzburg nach Angaben der Stadt Würzburg inklusiver machen sollen. Einige dieser Maßnahmen wurden in den vergangenen Jahren umgesetzt. So werden etwa mobile Rampen für Geschäfte zu 70 Prozent gefördert. Aktuell wird ein Aktionsplan für das Jahr 2024 entwickelt. Dieser soll ein Arbeitspapier werden, welches Ziele für dieses Jahr und deren Umsetzung Schritt für Schritt thematisiert. Weitere Informationen gibt es unter www.wuerzburg.de/themen/gesundheit-soziales/aktionsplan-inklusion/
Quelle:  lilp / Stadt Würzburg
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Lilli Pospischil
Behindertengerechtheit
Main-Post Würzburg
Rollstuhlbasketball
S.Oliver
Schwerbehinderte
Stadt Würzburg
Vereine
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top