Ein halbes Jahr nach den tödlichen Messerstichen gegen einen 28-Jährigen nahe einer Diskothek in Würzburg klagt die Staatsanwaltschaft Würzburg den 22-jährigen Tatverdächtigen wegen Totschlags an.
Pressesprecher Tobias Kostuch teilte am Dienstag in der offiziellen Pressemitteilung der Würzburger Staatsanwaltschaft mit: Die Ermittler werfen dem in Würzburg aufgewachsenen 22-Jährigen mit Wohnsitz in Offenbach Totschlag, versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung vor. Es "besteht der Verdacht, dass es am Morgen des 17. September 2023 vor einer Diskothek in der Haugerpfarrgasse zunächst zu einem Streit zwischen dem 22-Jährigen und einer Gruppe anderer Diskotheken-Besucher gekommen war".
Im Laufe dieser Auseinandersetzung soll der 22-Jährige ein Messer gezogen und mehrfach auf einen 28-Jährigen eingestochen haben, der später an seinen Verletzungen starb. Außerdem soll der 22-Jährige zwei weitere junge Männer, "die versucht haben sollen, ihn zurückzuhalten", mit Messerstichen erheblich verletzt und dabei deren Tod in Kauf genommen haben.
Verteidiger halten eine Notwehr-Situation für denkbar
Der Angeschuldigte habe über seine Verteidiger mitgeteilt, "dass sein Verhalten gerechtfertigt sei, weil er seinerseits angegriffen worden wäre", heißt es in der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft.
Seine Verteidiger halten im Gespräch mit der Redaktion eine Notwehr-Situation "einer gegen drei" für denkbar. Es gebe neben der bereits bekannten Version des Tatablaufes noch eine denkbare andere Variante. Dies hatten Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach und Verteidiger Norman Jacob junior bereits bei der Vorführung des Verdächtigen beim Haftrichter im September gegenüber dieser Redaktion als möglich bezeichnet.
Verteidigung spricht von massiver öffentlicher Vorverurteilung
Auf Anfrage erklärte Verteidiger Peter Möckesch auch im Namen seiner Kollegen Norman Jacob junior und Güney Behrwind: Aus ihrer Sicht "verlässt sich die Staatsanwaltschaft ausschließlich auf diejenigen Zeugenaussagen, die ihr vorgefasstes Bild von der Tat bestätigen". Viele weitere "Zeugenaussagen, die eine Notwehrlage schildern, werden dabei ausgeblendet."
Aus Sicht der Verteidigung bestehe begründeter Anlass zur Annahme, dass ihr Mandant in Notwehr gehandelt habe: "Entgegen der massiven öffentlichen Vorverurteilung bleibt es der Beweisaufnahme überlassen, herauszufinden, was sich tatsächlich zugetragen hat", heißt es in der Erklärung.
Tatort wurde zum Ort der Trauer
Der Fall hatte beträchtliches Aufsehen erregt. Auch der Vater des Erstochenen meldete sich zu Wort. Wochenlang trauerten Jugendliche am Tatort nahe der Kirche Stift Haug.
Die Tat geschah unweit eines Clubs zwischen Stift Haug und Barbarossaplatz. Türsteher sagten, sie hätten den 22-Jährigen gegen 2.30 Uhr am Eingang abgewiesen. Was er drei Stunden später immer noch dort wollte, ist unklar. Nach 5 Uhr sei es dann auf der Straße unweit des Eingangs zur Auseinandersetzung gekommen.
Oberstaatsanwalt: Mehrere Frauen, die der 22-Jährige attackiert haben soll, wurden ermittelt
Der 22-Jährige soll sich nach Zeugenaussagen auf der Straße aggressiv gegen weibliche Gäste des Clubs verhalten haben. Auf Nachfrage bestätigte Oberstaatsanwalt Tobias Kostuch, dass mehrere betroffene Frauen ermittelt worden seien. Dies war lange unklar, obwohl Augenzeugen betont hatten, die später Attackierten seien den Frauen zu Hilfe gekommen.
Das Gesetz sieht für Totschlag eine Freiheitsstrafe von fünf bis zu 15 Jahren vor. Über die Zulassung der Anklageschrift und die Eröffnung des Hauptverfahrens muss nun die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Würzburg entscheiden.