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Stammheim
Zwischen Hoffnung und Enttäuschung: Wie Manuel Rettner aus Stammheim in Dubai für das Klima kämpfte
Im Interview spricht der 23-Jährige über seine Erfahrungen bei der UN-Klimakonferenz, aber auch über Hoffnung und Frust im Kampf gegen die Klimakrise.
Manuel Rettner aus Stammheim im Landkreis Schweinfurt war als Beobachter der Katholischen Landjugend Bayern (KLJB) in Dubai bei der Weltklimakonferenz dabei.
Foto: Isabel Rutkowski | Manuel Rettner aus Stammheim im Landkreis Schweinfurt war als Beobachter der Katholischen Landjugend Bayern (KLJB) in Dubai bei der Weltklimakonferenz dabei.
Christoph Sommer
 |  aktualisiert: 15.07.2024 18:15 Uhr

Aus dem kleinen Stammheim auf die große Bühne der Weltpolitik. Manuel Rettner ist als Mitglied der Katholischen Landjungend Bayern (KLJB) zur diesjährigen Weltklimakonferenz der UN, auch COP28 genannt, nach Dubai gereist.

Der 23-Jährige aus dem Landkreis Schweinfurt studiert in Bamberg Politikwissenschaft und hat seine Bachelorarbeit über die internationale Klimapolitik geschrieben. Bereits 2021 war er bei der UN-Klimakonferenz in Glasgow dabei.

Manuel Rettner wurde von der KLJB intern ausgewählt, um als Teil der Zivilgesellschaft die Verhandlungen vor Ort zu beobachten. Er war vom 29. November bis zum 15. Dezember in Dubai.

Frage: Die internationale Politik kommt beim Kampf gegen die Klimakrise kaum voran. Als Beobachter waren Sie bei der Weltklimakonferenz live dabei – und zum Zusehen verdammt. Wie frustrierend ist das?

Manuel Rettner: Es gab auf jeden Fall frustrierende Momente, vor allem am Ende. Uns als Beobachtern waren da die Hände gebunden, weil wir auf die Beschlüsse nur warten konnten. Trotzdem ist so eine Klimakonferenz nicht nur frustrierend. Es gibt zum Beispiel Fortschritte beim Fonds für Schäden und Verluste. Aber wir als Zivilgesellschaft und Jugendverband haben mehr gefordert.

Zu dem Katastrophenfonds kommen wir später nochmal zurück. Welche Rolle nehmen die Beobachterinnen und Beobachter bei den Klimakonferenzen überhaupt ein?

Rettner: Einerseits hatten wir sehr viele Treffen mit Ministerinnen, wie Annalena Baerbock oder Steffi Lemke, aber auch mit Staatssekretären und den Leuten, die am Text arbeiten, um unsere Forderungen einzubringen. Andererseits haben wir inhaltlich an den Textentwürfen zu den verschiedenen Verhandlungssträngen gearbeitet. Da gab es verschiedene Arbeitsgruppen zu einzelnen Themen, die Texte durchlesen und analysieren, die Änderungsvorschläge einbringen und den Delegationen in die Hand drücken.

Inwiefern hat die Zivilgesellschaft überhaupt einen Einfluss auf die Verhandlungen?

Rettner: Man hat auf jeden Fall gemerkt, dass unsere Stimme einen Einfluss hat. Bei der Verhandlung haben wir, unter dem Dach aller beteiligten Kinder- und Jugendverbände, zum Beispiel einen Redebeitrag gehalten, der dazu geführt hat, dass die mexikanische Delegation dafür offen war, unsere Änderungsanträge in die Verhandlungen mitzunehmen. Auch der Heilige Stuhl, der seit letztem Jahr bei den Klimakonferenzen mit am Tisch sitzt, ist sehr interessiert an der Meinung der Zivilgesellschaft. Wir hatten mehrere Treffen mit der Delegation, die dann auch unsere Punkte mit in die Verhandlungen genommen hat. Zu den Verhandlungen haben wir keinen direkten Zugang, aber über diese Kanäle konnten wir unsere Meinung einbringen.

Gab es einen persönlichen Höhepunkt der Zeit in Dubai?

Rettner: Gleich am ersten Tag dabei zu sein, als der Beitrag zum Fonds für Schäden und Verluste beschlossen wurde, das war ein Highlight. Was ich aber auch wichtig finde, sind die Kontakte, die man abseits der eigentlichen Verhandlungen knüpft. Ich hatte viele Gespräche mit Leuten aus der ganzen Welt. Besonders im Kopf geblieben ist mir ein Gespräch mit Indigenen aus Uruguay, die aus ihrer Sicht erklärt haben, was der Klimawandel für sie bedeutet und was für sie auf dem Spiel steht.

Die Delegation der KLJB auf der COP28 in Dubai: Marietheres Kleuter, Anna Weber, Manuel Rettner und Isabel Rutkowski (von links).
Foto: Florian König | Die Delegation der KLJB auf der COP28 in Dubai: Marietheres Kleuter, Anna Weber, Manuel Rettner und Isabel Rutkowski (von links).
Hat die Teilnahme an der Konferenz Ihren Blick auf die Klimakrise oder die Klimapolitik beeinflusst?

Rettner: Mir ist nochmal klarer geworden, dass wir hier in Deutschland immer noch in einer sehr privilegierten Lage sind. Natürlich betrifft uns der Klimawandel auch, aber nicht im selben Maße wie Menschen aus dem globalen Süden, die zum Beispiel auf kleinen Inseln wohnen. Die Gefahr besteht, dass diese Inselstaaten in ein paar Jahren nicht mehr existieren.

Den Katastrophen-Fonds, mit dem die Länder des globalen Nordens die Schäden und Verluste in Folge der Klimakrise im Süden mitfinanzieren sollen, hatten Sie schon angesprochen. Was halten sie davon?

Rettner: Das ist wirklich eine große Errungenschaft, aber man darf da nicht stehen bleiben. Es muss noch einiges geklärt werden, beispielsweise wer genau wie an die Gelder kommt. Ein weiteres Problem ist die Frage, ob die Gelder aus dem Topf Zuschüsse oder Darlehen sind.

Also ob das Geld zurückgezahlt werden muss oder nicht. Viele kritisieren, dass die angekündigten Summen – Deutschland hat hier 100 Millionen Dollar zugesagt – nicht reichen. Wie sehen Sie hier die Rolle Deutschlands?

Rettner: Es muss auf jeden Fall sichergestellt werden, dass dieser Fonds regelmäßig wieder befüllt wird, damit er langfristig einen Nutzen hat. Mein letzter Stand ist, dass lediglich 0,2 Prozent der geforderten Gelder bisher versprochen wurden. Wenn man sich die Rolle Deutschlands anschaut, werden die 100 Millionen Dollar stark gelobt. Aber ist das wirklich genug, um der Verantwortung Deutschlands gerecht zu werden? Das bezweifle ich.

Als zweites großes Ergebnis der Weltklimakonferenz gilt die gemeinsame Abschlusserklärung. Hier ist die Rede vom Einstieg in den Ausstieg aus den fossilen Energien. Ist das der große Schritt?

Rettner: Wir waren enttäuscht, wie schwach die Sprache im Abschlussdokument ist. Wenn ich mir die Entwürfe anschaue, dann waren sie deutlich strenger und ambitionierterer als das, was am Ende beschlossen wurde. Jetzt ist beispielsweise die Rede von einer Abkehr von den fossilen Energien. Unsere Forderung aber war, dass in diesem Text ein Ausstieg drinsteht. Auch bei den Finanzierungsmechanismen ist die Sprache schwächer und ungenauer. Der Bezug zu Menschenrechte wurde ganz oft rausgestrichen.

"Ohne Hoffnung könnte man es auch gleich sein lassen."
Manuel Rettner, Beobachter bei der Weltklimakonferenz
Also was die Ergebnisse der Weltklimakonferenz angeht, herrscht eher Enttäuschung vor?

Rettner: Ja, aber man muss trotzdem anerkennen, dass es ein Schritt in die richtige Richtung ist. Man muss jetzt darauf bei den nächsten Klimakonferenzen aufbauen.

Welche Folgen ziehen Sie aus ihrer Teilnahme für ihr persönliches Engagement gegen den Klimawandel?

Rettner: Ich habe gemerkt, dass man bei der Klimakrise an mehreren Fronten gleichzeitig kämpfen muss. Einmal muss man persönlich schauen, so nachhaltig wie möglich zu leben. Aber das würde auf keinen Fall ausreichen, das 1,5 Grad-Ziel irgendwie zu erreichen. Gleichzeitig muss man weiter Druck ausüben auf die Staaten und Unternehmen, die einen viel größeren Einfluss auf das Klima haben als mein persönlicher Konsum. Ganz wichtig ist mir außerdem die Aufklärung darüber, was die Klimakrise weltweit für die Menschen bedeutet.

Was gibt ihnen Hoffnung, dass wir die ganz große Klimakatastrophe noch abwenden können – oder sind sie ein Pessimist?

Rettner: Wenn ich Pessimist wäre, wäre ich nicht auf diese Klimakonferenz gegangen, um mich dort für den Klimaschutz einzusetzen. Ich habe weiter Hoffnung. Man merkt zwar, die internationalen Verhandlungen sind immer schleppend und ich glaube, es geht nicht schnell genug voran, aber trotzdem geht es in die richtige Richtung. Wenn ich mich an die Gespräche in Dubai zurückerinnere, dann denke ich an die vielen Leute aus der ganzen Welt, die so hart dafür kämpfen, dass wir nicht den Klimakollaps erleben. Das macht mich trotz allem hoffnungsvoll. Und ohne Hoffnung könnte man es auch gleich sein lassen.

 
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  • Karl Weikert
    CO2-Emmission pro Kopf Deutschland 2011 lt. Statista: 8,09 to

    Flug Economy Frankfurt - Dubai - Frankfurt (A320): 1,7 to

    Somit reist ein Beobachter (welcher 0,0 Mehrwert zur Zielerreichung bringt) zu einer Konferenz mit dem Ziel der CO2 Reduzierung und emittiert für die An- und Abreise 21% der durchschnittlichen JÄHRLICHEN an CO2-Emission eines deutschen Bürgers.

    Diese ganzen selbsternannten Klimaheiligen sollten endlich einmal einsehen dass Klimaschutz mit dem eigenen Handeln startet.
    In dieser Zeit sind Vorbilder gefragt.
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  • Karl Weikert
    Korrektur: CO2 Emissionen pro Kopf Deutschland lt. Statista sind nicht 2011 sondern 2022
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  • Rainer Blenk
    Tausende Personen sind ein Teil dieser jährlich wiederkehrenden Massenveranstaltung, die alleine, überhaupt nichts bringt. Wenn man alleine Millionen dafür ausgibt zu dieser Veranstaltung zu gelangen um dort vor Ort zu sein und unter dem Strich nichts dabei herauskommt, außer ein paar finanzieller Zusagen. Die durch die einzelnen Regierungen dieser Länder überhaupt nicht abgesegnet sind, ist das für mich eine Lachnummer. Zum anderen wollen wir E-Mobilität und immer mehr Konsum in den Industrienationen und das ganze auch nur über Subventionen finanziert. Liebe Politik packt euch mal an die eigene Nase,
    mit grünen Fußabdruck hat das alles nichts zu tun, egal welcher Partei man angehört. Kehrt bitte erst mal vor der eigenen Haustüre. Ein Gutes und friedvolles Neues Jahr wünscht Rainer Blenk
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