Andrea Seltsam hat gerade ihre Ausbildung zur Pflegefachkraft abgeschlossen. Als Beste ihres Jahrgangs. Und als eine der Ältesten. Andrea Seltsam ist 38 Jahre alt, dreifache Mutter, gelernte Bankkauffrau und ausgebildete Kosmetikerin. Dass sie trotzdem noch einmal die anspruchsvolle Ausbildung zur Pflegefachkraft in Angriff genommen hat, "war die richtige Entscheidung". Seit 1. April arbeitet sie auf der operativen Intensivstation im Leopoldina-Krankenhaus Schweinfurt.
Immer wieder werden in der Öffentlichkeit die "schlechten Seiten" des Pflegeberufes hervorgehoben: hohe Belastung, schlechte Bezahlung, ständiger Zeitdruck. Zum Tag der Pflege am 12. Mai möchten das Leopoldina-Krankenhaus und die Berufsfachschule für Pflege einmal aufzeigen, dass die Pflege viele positive Aspekte zu bieten hat und dieser Beruf eine Bereicherung sein kann.
"Die berufliche Pflege ist durch die Generalistik so breit gefächert, hier findet jeder seinen Platz", versichert Schulleiter Dirk Niedoba. Denn es geht heutzutage um weit mehr als nur um die Pflege am Bett. Zum Ausüben des Berufes gehört unter anderem umfangreiches Fachwissen über Medizin, Logistik, klinisches Prozessmanagement und Angehörigenbetreuung. "Das ist das eigentliche Kerngeschäft der Pflege", sagt Pflegedirektor Michael Müller. Und was die Bezahlung angeht, stellt Personalchef Thomas Finzel klar: "Die Pflege ist der bestbezahlte Ausbildungsberuf in Deutschland."
90 Prozent der Azubis bleiben im Leo
Das Leopoldina-Krankenhaus Schweinfurt bildet seit 1930 in der Pflege aus und ist gemeinsam mit den Haßberg-Kliniken Träger der Berufsfachschule für Pflege, in der aktuell 264 Auszubildende unterrichtet werden. Über die Hälfte von ihnen kommt aus dem Leo, und rund 90 Prozent von ihnen bleiben laut Personalchef Finzel nach der Ausbildung auch im Leo. "Das spricht für unsere Qualität."
Unter ihnen sind auch angehende Pflegefachhelfer bzw. Kranken- oder Altenpflegehelfer, deren Ausbildung nur ein Jahr dauert. In dieser Zeit können Sie überprüfen, ob der Beruf ihren Vorstellungen entspricht. "Fast die Hälfte von ihnen wechselt dann direkt in die dreijährige generalistische Pflegeausbildung", weiß Schulleiter Niedoba.
Die Berufsfachschule Schweinfurt war die zweite in Unterfranken, die diesen Zweig angeboten hat. Er werde gerne von Umschülern, Studienabbrechern, Berufsrückkehrern oder Migrantinnen und Migranten genutzt, um Fuß zu fassen. Das Besondere: Die Ausbildung startet zweimal im Jahr, im Frühjahr und im Herbst. "Damit haben wir ein Alleinstellungsmerkmal", so Niedoba.
Ein weiteres Novum: Ab Herbst 2025 soll es sogar eine Teilzeit-Ausbildung geben, um Alleinerziehenden oder familiär gebundenen Quereinsteigern Perspektiven zu öffnen. Andrea Seltsam konnte das noch nicht nutzen. Sie hat ihre Ausbildung zur Pflegefachkraft nebenher zur Familie in Vollzeit gemacht. "Das war schon stressig." Vor allem die Schulzeit und das Lernen mit der Familie unter einen Hut zu bringen, habe viel Kraft gekostet.
Flexible Arbeitszeiten auf allen Stationen
Vieles hat sich in der Pflege in den zurückliegenden Jahren geändert. Zum Beispiel die Arbeitszeit, die im Leopoldina-Krankenhaus flexibel gestaltet werden kann. "Wir bieten viele Dienstmodelle an, erfüllen fast jeden Arbeitszeitwunsch", sagt Pflegedirektor Müller. Julia Hruschka schreibt ihren Dienstplan sogar selbst. Sie ist eine von 52 Mitarbeitenden im sogenannten Flexipool, den es seit Oktober 2021 am Leo gibt. Die Mitarbeitenden bekommen hier genau die flexiblen Arbeitszeiten, die ihre Lebensumstände gerade erfordern. Im Gegenzug sind sie flexibel auf den verschiedenen Stationen im Leo einsetzbar. Für die 34-Jährige sind das ideale Bedingungen, weil sie ihre Arbeitszeiten an die Kita- und Schulzeiten ihrer beiden Kinder anpassen kann.
Als Julia Hruschka 2008 ihre Ausbildung am Leopoldina-Krankenhaus machte, gab es das noch nicht. Nach der Elternzeit stieg sie deshalb in einer Arztpraxis wieder in den Beruf ein, weil Spät- und Nachtdienste nicht mit der Familie vereinbar waren. Seit 2023 ist sie zurück am Leo und froh, wieder nah am Patienten sein zu können.
An diesem Donnerstag arbeitet Julia Hruschka auf der neurochirurgischen Station. Morgen kann es die Gynäkologie oder Urologie sein. "Ich bin im ganzen Haus unterwegs", sagt die junge Pflegefachkraft, die auf diese Weise in viele Fachgebiete Einblick bekommt und sich ein breites Wissen aneignen kann. "Davon profitieren auch die Stationen."
Kein Mangel an Pflegekräften am Leopoldina-Krankenhaus
Aktuell arbeiten laut Personalchef Finzel 923 Pflegekräfte am Leopoldina-Krankenhaus, davon 602 in Vollzeit. Gegenüber 2019 sei dies eine Personalsteigerung um 25 Prozent. Pflegekräftemangel sei am Leo nur punktuell ein Thema, zum Beispiel in der Kinderkrankenpflege. "Durch die hohe Übernahmequote an Auszubildenden können wir unseren Bedarf generell decken", sagt Finzel.
Pflegedirektor Müller schreibt dies auch der Qualität der Ausbildung zu. Am Leopoldina-Krankenhaus arbeiten 42 Praxisanleiterinnen und Praxisanleiter, die sich auf den Stationen um die Azubis kümmern und sie schrittweise an die pflegerischen Tätigkeiten heranführen. "Sie vermitteln den Azubis auch, dass die Pflege ein sinnstiftender Beruf ist", betont Pflegedirektor Müller.
Viele Weiterbildungsangebote für Mitarbeitende
Nicht nur die Ausbildung hat im Leo einen hohen Stellenwert, auch die Weiterbildung steht Mitarbeitenden offen. Michaela Schütze hat alle ihr gebotenen Möglichkeiten genutzt. Die heute 53-Jährige absolvierte in den 1990er-Jahren am Leopoldina-Krankenhaus noch die klassische Ausbildung zur Krankenschwester. Heute ist sie eine von 13 Case-Managerinnen, die dafür sorgen, dass pflegebedürftige Patientinnen und Patienten von der Aufnahme bis zur Entlassung eine passende Versorgung erhalten.
Ich war immer offen für Neues", sagt Michaela Schütze. In ihren fast 30 Berufsjahren hat sie auf vielen verschiedenen Stationen gearbeitet, war in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und zuletzt zwölf Jahre stellvertretende Stationsleitung auf der Neugeborenenstation. Im Oktober 2022 drückte sie dann noch einmal die Schulbank und absolvierte an der Hochschule Fulda die Zusatzausbildung im Case-Management.
Seit März 2023 arbeitet Michaela Schütze in der Patientenüberleitung auf der gynäkologisch-urologischen Station. Sie ist Schnittstelle zwischen Ärzten, Pflegekräften, Patienten und Angehörigen und nach draußen Ansprechpartnerin für Reha- und Pflegeeinrichtungen oder Sozialdienste. "Die Vernetzung ist meine Haupttätigkeit", beschreibt die 53-Jährige ihr Aufgabengebiet.
Die berufliche Pflege heute umfasse ein breites Spektrum an Aufgaben und Einsatzgebietn. "Sie bietet für alle etwas", sagt Schulleiter Dirk Niedoba. Gemeinsam mit der Agentur für Arbeit wirbt er in Schulen und auf Messen für diesen Beruf, damit angesichts der alternden Gesellschaft die Versorgung der vielen Pflegebedürftigen auch in der nahen Zukunft noch gesichert ist.