Als die Kinder groß waren, entschloss sich Nicole Jauck, das, was sie schon immer machen wollte, endlich umzusetzen: Eine Ausbildung in der Pflege. Jahrelang war sie zwar im Gesundheitsbereich tätig, aber eine grundlegende Ausbildung hatte sie nie gemacht. 2021 startete sie mit der Unterstützung der Arbeitsagentur Schweinfurt die einjährige Ausbildung zur Pflegefachhelferin, seit 2022 lässt sie sich zur Pflegefachkraft ausbilden.
Nicole Jauck soll ein Vorbild sein, für die etwa 30 Interessierten, die sich zu der Berufsinformationsveranstaltung "Pflege-Neue-Wege" in der Agentur für Arbeit in Schweinfurt zusammengefunden haben. Es ist eine Mischung aus Jung und Alt; auch unterschiedliche Nationalitäten und einige Geflüchtete sind vertreten. Sie alle, so das Ziel der Arbeitsagentur, wolle man für den Pflegeberuf begeistern. Einen ganzen Vormittag lang stellen Mitarbeitende der Agentur für Arbeit die Arbeitsmöglichkeiten in der Kranken- und Altenpflegebranche detailliert vor. Und die Veranstaltung soll nur der erste Schritt sein.
Dass man in der Pflege händeringend Leute braucht, sei ja nicht wirklich etwas Neues, sagt Thomas Stelzer, Geschäftsleiter der Arbeitsagentur Schweinfurt, und geht auf die Zahlen aus der Region Main-Rhön ein: Bis Juni 2023 stieg die Anzahl der offen gemeldeten Stellen in den medizinischen und nichtmedizinischen Gesundheitsberufen auf 714 Stellenausschreibungen, das macht rund 11,5 Prozent der insgesamt 6232 Stellenausschreibungen aus, die der Agentur für Arbeit Schweinfurt gemeldet wurden. 2013 waren es mit 383 Stellenausschreibungen nur etwas mehr als die Hälfte gewesen.
"Es gibt viele Bereiche, in denen wir Bedarf an Menschen haben", sagt Stelzer. "Aber weder im Altenheim noch im Krankenhaus kann man sagen: Mittwoch und Donnerstag machen wir halt zu." Die Arbeitsagentur rekrutiert seit Jahren Beschäftigte etwa von den Philippinen. Aktuell hole man Menschen aus Spanien oder Italien, um sie hier auszubilden, erklärt der Geschäftsleiter. Aber auch Migrantinnen und Migranten wolle man den Weg in die Pflege eröffnen.
Menschen für den Einstieg in den Beruf machen
"Hätten wir im letzten Jahr keine ausländischen Mitbürger in die Arbeit gebracht, hätten wir ein Nullwachstum in der Beschäftigung", erklärt Stelzer die Wichtigkeit der ausländischen Beschäftigten. Aber es gebe auch Einheimische, die in ihrem Umfeld bereits Angehörige gepflegt haben und merken, dass sie eine gewisse Affinität haben. "Der Schwerpunkt liegt darauf, Menschen Mut zu machen, die bisher nicht das Einflugloch ins System gefunden haben", sagt Stelzer.
Dafür soll die Einstiegshürde niedriger werden: "Es gibt die Möglichkeit, eine zehnmonatige Grundlagenkompetenz vorzuschalten, bei der auch die Sprache aufgebaut wird", erklärt Stelzers Stellvertreterin Alexandra Elbert. Dabei denke man auch an Menschen, die bisher nicht die Zeit oder das Geld gehabt haben. Die Arbeitsagentur wolle Interessierte finanziell fördern – entweder durch Geld direkt von der Agentur oder über den Lohn eines bestehenden Arbeitgebers, den die Agentur diesem ersetzt.
Die Arbeitsagentur hat sich einen Fahrplan ausgedacht: Nach der ersten Info-Veranstaltung soll es Ende September eine Art Speed-Dating geben, mit Interessierten und Arbeitgebern. Es besteht auch die Möglichkeit, anschließend noch ein Praktikum zu machen, bevor es ab November offiziell mit dem zehnmonatigen Grundlagenlehrgang losgehen soll. Darauf aufbauend besteht dann die Möglichkeit, die Ausbildung als Pflegefachhelfer (ein Jahr) zu machen und schließlich die als Pflegefachkraft (drei Jahre) anzuhängen.
Die Vorkenntnisse und Bedürfnisse sind individuell
"Wir sprechen hier über einen Zeitraum von fünf Jahren, und das machen die Arbeitgeber mit, weil sie sagen, dass es eine Option ist, jemanden zu finden", sagt Berufsberater Christian Koos. Die Voraussetzungen der Interessierten bei der ersten Veranstaltung seien unterschiedlich, und man müsse individuell vorgehen. So bestehe auch die Möglichkeit, eine im Ausland absolvierte Ausbildung anerkennen zu lassen. "Und wenn zu viel Defizit vorliegt, muss man wieder in die Ausbildung."
Nicole Jauck will den Interessierten Mut machen und Ängste nehmen. Auch, was anstehende Klausuren angeht. "Man muss lernen, aber die Lehrer bereiten einen darauf vor. Man muss etwas tun, dem einen fällt es leichter, dem anderen schwerer, aber es ist absolut machbar", sagt die 49-Jährige.
Begeistert habe sie bei ihren praktischen Stationen, wie viele junge Menschen aller Nationalitäten in der Pflege arbeiten. "Die können das, und ihr könnt das auch", sagt Jauck in Richtung der Interessierten. Auch ihre Mitschülerinnen und Mitschüler in der Berufsfachschule stammen aus unterschiedlichen Ländern. Es gebe Deutschkurse, niemand werde sitzengelassen. Nicole Jauck findet: "Sprache ist kein Hindernis, um diesen Beruf zu erlernen."