Ei, wer hätte das gedacht. So viel Ärger. Und das nur wegen ein paar faulen Eiern und etwas ranzigem Schmalz. Doch die Anschuldigungen der Rosel aus dem Hexengässle vor dem 22. Walpurgisgericht des Oberndorfer Bürger- und Kulturvereins scheinen schwer zu wiegen. Oder viel mehr schwer zu riechen.
"Es liegt eine Anzeige vor, Herr Schultheiß, gegen den Lubber, seines Zeichens Eier und Schmalzhändler in Oberndorf, wegen des Verkaufs von faulen Eiern und ranziger Butter" verkündet Gerichtsschreiber Stefan Funk zur Eröffnung der Verhandlung vor Hunderten Besucherinnen und Besuchern.
Alles gelogen, entgegnen der Angeklagte und seine Frau Amalie, gespielt von Stadtrat Adi Schön und Rita Kirst, gegenüber den Anwesenden. "Ich bin mit dem Götzen-Bäck doch der letzte selbstständige Kaufmann im Dorf [...] da will uns einer was anhängen", ist sich Lubber sicher. Versucht da etwa jemand, den alteingesessenen Kaufmann und seine Frau aus dem Geschäft zu drängen? Ein durchaus brisantes Thema für die Oberndörfer. Vor allem, wenn es um hiesige Dorfläden und Einkaufszentren in erreichbarer Nähe geht.
Nicht aber mit dem spitzfindigen Schultheiß Günter Siebenbürger. Der und das Gericht nämlich, hören genau hin bei dem, was die Klägerin da vorträgt. Und die verstrickt sich in ihren Aussagen zusehends in Widersprüchen. Kauft die Rosel eigenen Angaben zufolge doch ihre Eier eigentlich immer im Berch beim Lidl oder auf dem Marktplatz ein. Nein, jemand anderes, so scheint es, hat da noch seine Hände mit im Spiel.
Gerissene Zuhälterin will ihr Geschäftsfeld erweitern
So stellt sich heraus, dass gar nicht die Rosel aus dem Hexengässle die vermeintlich faulen Eier gekauft hat sondern die Stadtbekannte Bruni vom Café Hemdhoch drüben am Mee, wie die Einheimischen hier zum Main sagen. Doch die habe gar keine Eier bei ihnen gekauft, beteuert Amalia, sondern Küken auf dem Markt. Davor habe sie die Frau vom Lubber noch neugierig über seine laufenden Geschäfte ausgefragt. Will die gerissene Zuhälterin etwa in Zeiten von Inflation selbst in die Hühnerzucht einsteigen und dem Lubber sein Geschäft streitig machen?
Von der Inflation und den aktuellen Krisen ist abseits des Theaterstücks auf dem Mittelaltermarkt im Friedrich-Pfister-Park jedenfalls nichts zu spüren. Dort verwandelt sich der Park mit Gauklern, Mägden und mittelalterlicher Musik nach drei Jahren Pause bedingt durch die Corona-Pandemie in ein Märchenland voller Ritter und Geschichten. Zwischen den Verkaufsständen und Essenszelten schlendern Elena Leicht und Andreas Otscheredko mit ihrem siebenjährigen Sohn Robin durch die Reihen. Der Schweinfurter Familie steht die Freude über die Rückkehr des Fests ins Gesicht geschrieben. "Es ist schön, dass es wieder stattfindet", bringt es Otscheredko auf den Punkt, während sich sein Sohn am Stand daneben mit einer Spielzeugarmbrust aus Holz versucht.
Auch die Händlerinnen und Händler sind glücklich. Jürgen Gutjahr, der zusammen mit seiner Frau Sabine und den beiden Helfern Simon und Daniel Poßmayer aus Unterpleichfeld im Landkreis Würzburg nach Schweinfurt gekommen ist, bereist das Jahr über dutzende Mittelaltermärkte in der Region. Neben dem Schießstand verkaufen er und seine Landsleute Holzschwerter und allerlei mittelalterliche Spielzeuge.
Der Markt in Oberndorf habe es ihnen besonders angetan, sagt Gutjahr. "Mit der Zeit kennt man sich. Auf den Märkten sind wir alle wie eine große Familie." Der 59-Jährige organisiert unter anderem das Mittelalterfest und die Burgbelebung in Burggrumbach. Seit sieben Jahren kommen er und seine Frau nach Schweinfurt. Die sogar schon seit 15 Jahren, sagt sie. Lange Zeit hat sie geholfen, die ausgefallenen Kleider für das Fest zu nähen.
Auch bei den Organisatorinnen und Organisatoren vom Bürger- und Kulturvereins gibt man sich zufrieden mit dem Tag. "Es hat alles gut funktioniert", bilanziert Marianne Prowald, Vorsitzende des Vereins. Zwischen 4000 und 6000 Menschen schätzt sie die Anzahl an Besucherinnen und Besuchern. Zirka 100 Ehrenamtliche sorgen schon für einen reibungslosen Ablauf und halten das Event am Laufen.
Viele davon heuer vom TV Oberndorf. "Sie haben uns gut unterstützt und dafür unterstützen wir sie bei der Kirchweih", sagt Prowald. Die gegenseitige Unterstützung sei nicht selbstverständlich, aber notwendig. Für große Veranstaltungen wie den Mittelaltermarkt wird es immer schwieriger, Leute zu finden, die anpacken. Wie zum Beispiel die Landsknechte, die heuer das Kinderritterturnier, die Pferdebahn und das Lagerleben betreiben haben.
Happy End für den Kaufmann beim Walpurgisgericht
Das Walpurgisgericht ist ein uralte Tradition der Oberdörfer aus dem Mittelalter, erklärt Prowald. Zweimal im Jahr seien dort alle Delikte im Dorf vorgebracht und verhandelt worden. Auch die diesjährige Vorführung bildet in dieser Hinsicht einen aktuellen Konflikt in dem Stadtteil ab, der viele Oberndörfer umtreibt. Und wie endet der im Stück?
Mit einem Happy End für den Oberndorfer Kaufmann natürlich. Nachdem die Zuhälterin Bruni vor dem hohen Gericht erklärt hatte, dass sich ihr "Etablissement" seit der Inflation immer schwerer damit täte, sich finanziell über Wasser zu halten und ein zweites berufliches Standbein dahingehend doch gar nicht so verkehrt sei, fällte das Gericht das entsprechende Urteil.
"Das ist nicht der Dorfladen, den sich die Oberndörfer wünschen", mahnt der Schultheiß und sieht die Unschuld des angeklagten Kaufmanns Lubber somit als erwiesen an. Bruni hingegen stellte das Gericht zur Strafe wegen Verleumdung an den Pranger. Auch ihre Komplizin Rosel kam nicht ungeschoren davon und landete schließlich an der Schandgalge. Über deren endgültige Strafe soll dann in einem neuen Prozess entschieden werden.