Ob er schon geahnt hat, was auf ihn zukommt, der Schultheiß des Oberndorfer Walpurgisgerichts? "Merkt alle auf mit ernstem Gesicht, hier kommt das Walpurgisgericht", rief er mahnend zu Beginn des 21. Walpurgisgerichts des Oberndorfer Bürger- und Kulturvereins vor über 1000 Besuchern im Friedrich-Pfister-Park und dann das: Er selbst war angeklagt!
Da staunten die Besucher nicht schlecht, der oberste Richter wird gleich mal von den Wachen hinter seinem Tisch hervorgeholt und muss sich wegen Hochverrats rechtfertigen. Er, Günter Siebenbürger, habe "verderbliche Mitarbeit" geleistet, als er den Oberndorfer Bürger- und Kulturverein 1997 mitgründete, sich als Schultheiß beim Walpurgisgericht engagierte. Und darüber hinaus sei er auch noch in der evangelischen Kreuzkirche überaus aktiv. Nein, das geht ja nun gar nicht.
Aus diesem Schlamassel kann ihn nur einer retten, und das ist ausgerechnet der Oberbürgermeister Schweinfurts, Sebastian Remelé. War also die Eingemeindung vor hundert Jahren doch nicht so ganz falsch? Der weltliche Chef jedenfalls sprach den Schultheiß höchstselbst frei, das Schöffengericht folgte natürlich und spendete wohlwollenden Applaus, als Günter Siebenbürger wegen seiner überaus großen Verdienste um seinen Stadtteil mit einer Ehrenurkunde ausgezeichnet wurde.
100 Jahre Eingemeindung Oberndorfs sind ein Grund zu feiern
Gerichtsschreiber Stefan Funk notierte jedenfalls eifrig die guten Nachrichten und nahm auch die lobenden Worte des OB zur Kenntnis: "Wir feiern 100 Jahre, was zusammengehört", so der OB in seiner launigen kurzen Ansprache in Anspielung auf die Eingemeindung 1919, denn "ich freue mich, dass ihr euch freut, dass ihr wieder bei uns seid".
Ja, das mit der Freude übers Zusammensein zwischen Oberndorf und Schweinfurt ist ja immer so eine Sache, die mit viel Schalk und Neckerei verbunden ist. Das Walpurgisgericht war in diesem Jahr insofern ein besonderes, als es, verbunden mit dem beliebten kleinen Mittelaltermarkt im herrlichen Park-Ambiente, der Auftakt der 100-Jahr-Feier war, die das ganze Jahr dauern wird mit verschiedenen Festen und Ausstellungen, darunter einer eigenen "Made in SW" ab September.
Und da darf natürlich auch ein Gerichtsfall zum Thema nicht fehlen. Kaum war der Schultheiß freigesprochen und hatte bei seinen vier Schöffen wieder Platz genommen, wartete schon ein äußerst komplizierter Fall auf ihn, den Kämmerer Zunder vorlegte: Der Streit zwischen dem Schweinezüchter Jörg und der Adler-Wirtin.
In dem unterhaltsamen Stück, geschrieben von der Autorin Helene Köppel, erweist sich der von Adi Schön gespielte Jörg als ganz schönes Schlitzohr. Er hatte sich nämlich so sehr über die Adler-Wirtin (Rita Kirst) geärgert, dass er ihre vier kleinen Schweine mit Zwetschgenschnaps besoffen machte. Eines musste sogar notgeschlachtet werden, und außerdem schwang der Jörg aus der Steegass im Gasthaus ganz schön kesse Reden in Sachen Eingemeindung nach Schweinfurt. Oder war es Einverleibung?
Auch wenn der gute Jörg mit vielen wohlfeilen Worten abwiegelte, war doch sogar von einem "Kanönle" die Rede, mit dem man auf die Schweinfurter schießen sollte. Die Zeugen, Dorfschullehrer Hannes (Maurice Breitkopf), Schneidermeister Schorsch (Alexander Krug) und der Viehdoktor (Louis Kirchner), berichteten von allerlei verdächtigen Umtrieben.
Am Ende aber stellte sich alles als harmlos raus, bis auf eines: Die Sache mit dem Schnaps fand der Schultheiß gar nicht lustig, "das ist Tierquälerei". Jörg musste der Wirtin die Sau bezahlen, und weil er gar so ein Aufwiegler war, ein Gedicht über die vielen, vielen Vorteile schreiben, die die Eingemeindung nach Schweinfurt den Oberndorfern gebracht hat.
Tat er auch recht flugs und freute sich über Autobahn und Kläranlage und forderte die Nachbarn auf, es den Oberndorfern gleich zu tun: "Dass Sennfeld, Berg und Niederwerrn endlich auch zu Städtern wern." Da musste auch der OB schmunzeln.