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Schweinfurt
ZF-Vorstand zur Zukunft des Standorts Schweinfurt: "Ein möglicher Partner soll unser Herz gewinnen und es nicht herausreißen"
2024 fuhr ZF mit 1,02 Milliarden Euro große Verluste ein. Nun will der Konzern umlenken. Welche Folgen das für die Zukunft der Elektromobilität in Schweinfurt hat.
ZF bereitet seine Antriebssparte auf mögliche Partnerschaften vor. In Schweinfurt arbeitet der Großteil der Beschäftigten am Standort in dem Bereich.
Foto: Anand Anders | ZF bereitet seine Antriebssparte auf mögliche Partnerschaften vor. In Schweinfurt arbeitet der Großteil der Beschäftigten am Standort in dem Bereich.
Marcel Dinkel
 |  aktualisiert: 26.03.2025 02:36 Uhr

Es sind martialische Worte, mit denen der ZF-Vorstandsvorsitzende Holger Klein die derzeitige Lage des weltweit zweitgrößten Automobilzulieferers mit Sitz in Friedrichshafen beschreibt: "Noch nie befand sich unsere Branche so klar inmitten des perfekten Sturms." Handelskrieg, schwache Nachfrage, Inflation: Nicht einzelne Faktoren, sondern die Summe mache die Situation schwer, sagte Klein bei der Vorstellung der Geschäftszahlen für das vergangene Jahr. Diese haben es in sich.

Insgesamt fuhr der Konzern im Jahr 2024 einen Verlust von 1,02 Milliarden Euro ein – also rund 900 Millionen Euro weniger als noch vergangenes Jahr. Der Umsatz sank um 5,2 Milliarden Euro auf 41,4 Milliarden Euro, erklärte Finanzvorstand Michael Frieck. 

Die gesunkene Profitabilität und die hohe Verschuldung verhindern, dass ZF Schulden abbaut. Diese belasten den Konzern neben dem Nachfragetief in der Elektromobilität erheblich. Am 31. Dezember 2024 betrug die Verschuldung laut Frieck 10,5 Milliarden Euro. Das entspricht einem Anstieg um 485 Millionen Euro. Der durchschnittliche Zinssatz liegt laut dem Vorstand bei 4,5 Prozent, was jährlich 500 Millionen Euro ausmacht.

Neustrukturierung gleicht Operation am offenen Herzen

Die Neustrukturierung gleiche einer Operation am offenen Herzen, verdeutlichte Vorstandschef Holger Klein. Um wieder auf Kurs zu kommen, will der Konzern deshalb neue Investoren und Partner für seine einzelnen Unternehmensbereiche, die in sogenannte Divisionen unterteilt sind, an Land ziehen.

Holger Klein, der Vorstandsvorsitzende von ZF Friedrichshafen, schließt einen Verkauf der E-Antriebssparte in Schweinfurt derzeit noch aus.
Foto: Felix Kästle | Holger Klein, der Vorstandsvorsitzende von ZF Friedrichshafen, schließt einen Verkauf der E-Antriebssparte in Schweinfurt derzeit noch aus.

Einen Verkauf schließt der Konzern "im Moment" weiter aus, sagte Klein. Stattdessen wolle man interne Lösungen erarbeiten. Bereits vor Wochen wurde bekannt, dass das Unternehmen seine E-Antriebssparte auf eine Partnerschaft vorbereitet. Mit Blick auf die Unruhe innerhalb der Belegschaft betonte er: "Ein möglicher Partner soll unser Herz gewinnen und es nicht herausreißen." Mit landesweit 30.000 Mitarbeitenden gilt die Antriebssparte als Herzstück von ZF. In Schweinfurt arbeiten 6000 von insgesamt 9000 Beschäftigten in der Division E.

Bereiche, die zu den Top-Playern auf dem Weltmarkt gehören, sollen Kern des Unternehmens bleiben. Bereiche mit Synergien zum Kerngeschäft, wie die E-Antriebssparte, sollen dagegen mit Partnern weiterentwickelt werden. "Wichtig ist, dass sie Teil des ZF-Flottenverbands bleiben", so Klein. Unabhängig vom Standort müsse die Wettbewerbsfähigkeit insgesamt betrachtet werden. Einige Werke hätten ihre Profitabilität bereits gesteigert.

E-Geschäft verläuft weiterhin schleppend

Das Problem: Das E-Geschäft verläuft weiterhin schleppend. Einige Kunden hatten ihre Auftragsvolumina zwischenzeitlich um bis zu 70 Prozent reduziert, sagte Klein. Zur exakten Anzahl der Aufträge äußerte sich der Vorstand nicht. Etwaige Verschmelzungen würden nicht per se die Getriebe-Sparte betreffen, sondern seien in erster Linie Thema der E-Mobilität.

"Wir setzen alles daran, so viele Arbeitsplätze wie möglich zu sichern."
Holger Klein, Vorstandsvorsitzender von ZF

"Wir haben keine andere Möglichkeit, als an den Grundfesten der ZF zu rütteln", so Klein. Hierfür hält der Konzern weiter an seinem Ziel fest, deutschlandweit 11.000 bis 14.000 Arbeitsplätze bis Ende 2028  "möglichst sozialverträglich" abzubauen. Rund 4000 Stellen konnte die ZF in hierzulande bereits abbauen, berichtet Klein und bekennt gleichzeitig: "Wir setzen alles daran, so viele Arbeitsplätze wie möglich zu sichern." Zu einer Zielmarke von Angestellten wollte sich Klein nicht äußern. Es handle sich um eine "Anpassung mit Augenmaß", ergänzte Finanzvorstand Michael Frick.

Konzern kämpft mit internen Ineffizienzen

Neben geopolitischen Einflüssen und der Verschuldung belasten interne Probleme den Konzern. In Schweinfurt klagten Arbeitnehmer in der Vergangenheit über interne, bürokratische Probleme. Betriebsrat und IG Metall fordern deshalb seit längerem mehr Mitsprache für Beschäftigte vor Ort ein, um Prozesse zu beschleunigen und damit bares Geld zu sparen. Auch das Durchleuchten des Konzerns durch Berater der Firma McKinsey stieß auf Kritik innerhalb der Belegschaft. Diese hätten sich laut Klein jedoch allein auf die Divisionen C und E beschränkt.

ZF hält trotz verhaltener Aussichten an Investitionen fest 

Trotz der Herausforderungen halte der Konzern an seinen Investitionen fest, beteuerte Klein. So hat ZF etwa 3,6 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung in 2024 ausgegeben. Dazu 2,3 Milliarden in sogenannte Sachanlagen. Die Forschung und Entwicklung im Bereich autonomes Fahren und Fahrassistenz wurden allerdings reduziert. Für das kommende Jahr erwartet ZF insgesamt etwa 40 Milliarden Euro Umsatz.

In Schweinfurt wurden laut einer Sprecherin im vergangenen Jahr 100 Millionen Euro in die Fertigungstiefe investiert. Neben modernisierten Anlagen sei man in die Fahrwerkverbundtechnologie eingestiegen und habe eine Rotor- und Statorfertigung für Elektromotoren aufgebaut. Auch die Reduzierung der Arbeitszeit um 2,5 Stunden auf 32,5 Arbeitsstunden hätte dazu beigetragen, die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes zu erhöhen. Die Arbeitszeitreduzierung läuft noch bis in den Sommer. Erneute Gespräche darüber schloss die Sprecherin nicht aus.

 
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  • Erich Spiegel
    Fortsetzung meines Kommentars: Die Zölle der EU auf chinesische E-Autos werden nichts bringen. China umgeht sie geschickt. Sie lassen jetzt in Österreich bei Magna in Steyr produzieren oder bauen Werke in Spanien oder Osteuropa. Wenn die EU nicht schnell handelt wird es so kommen wie bei den Zöllen auf Photovoltaik. Die Zölle sind wieder abgeschafft, weil es nichts mehr zu schützen gibt. Der letzte europäische Hersteller Meyer-Burger ist insolvent.
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  • Dietmar Eberth
    Oder es ändert sich einfach die Arbeitswelt. Zb hat sich die Beschäftigtenzahl in den Erneuerbare Energien in den letzten 20 Jahren mehr als verdreifacht auf über 400.000 Beschäftigte (zum vergl. Automobilindustrie 770.000 Beschäftigte). Auch der Dienstleistungssektor und das Gesundheitssystem (und Logistik, Öffentlicher Dienst, Pflege und Soziales, Bildung, Finanzen) sind ein stark wachsender Sektor.
    Vielleicht muß man einfach Neues wagen und annehmen und sich nicht auf Altem ausruhen?

    https://www.autohaus.de/nachrichten/politik/automobilindustrie-bis-2035-koennten-140-000-jobs-verloren-gehen-3570091
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  • Erich Spiegel
    China versorgt uns was solls. Wenn es so einfach wäre. Nur was ist, wenn China mal nichts mehr liefert? Man hat es bei Corona gesehen als die Lieferkette aus China abriß. Leere Regale und Hamsterkäufe. In der Apotheke fehlten noch mehr Medikamente als üblich. Hamsterkäufe in den Geschäften. Ohne Windräder, Photovoltaik und Batterien für E-Autos aus China keine Energiewende. Es wird sich nicht nur die Arbeitswelt ändern fürchte ich, sondern das Gesellschaftssystem. Wirtschaftliche Macht ist ein großer Hebel bzw. Druckmittel für politische Macht. Warum wohl hüllt sich die Regierung angesichts der chinesischen Polizeistationen in Deutschland in Schweigen? Sie dürfen raten. Siehe Bericht im Handelsblatt: "Chinesische Polizeistationen in Deutschland sind weiter aktiv"
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  • Erich Spiegel
    sieht nicht gut aus. ZF ist hoch verschuldet und steht wirtschaftlich am Abgrund. Vermutlich wollen sie den defizitäre E-Mobilität schnell loswerden. Der neue Eigentümer wird einen Kahlschlag bei den Arbeitsplätzen vornehmen, weil die Kunden von ZF (deutsche Autohersteller) der Konkurrenz aus Fernost hinterher fahren. Besserung ist nicht in Sicht. Zu groß sind die Wettbewerbsnachteile des Standorts Deutschland. Zu hohe Kosten bei Löhnen und Energie. Zuviel Bürokratie, zu lange Dauer bei Genehmigungen. GUte gemeinte Mitsprache von Bürgern und Umweltverbänden zerredet und verzögert alles. Um aufzuholen müssten wir schneller sein als die asiatische Konkurrenz. Wir sind aber viel langsamer. D.h. Standort Deutschland wird noch mehr abgehängt. 70 Std./Woche in China (siehe "Arbeitsystem 996") und bei uns träumt man von 4 Tage Woche bei vollem Lohnausgleich. Erster Schritt für Lösungen wäre, dass Gewerkschaften, Politik und Gesellschaft verstehn wo wir stehen. Davon ist man weit entfernt.
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