Die Nachricht kam völlig unvermittelt inmitten der Bürgerversammlung. Fast beiläufig erwähnte Bürgermeister Michael Wolf in seinem einleitenden Vortrag über die Entwicklung der Gemeinde Michelau: Das Rathaus soll verkauft werden. Eine entsprechende Verkaufsanzeige werde in der Oktober-Ausgabe des gemeindlichen Mitteilungsblattes veröffentlicht.
Manche der knapp 30 anwesenden Bürgerinnen und Bürger im Feuerwehrhaus in Hundelshausen schauten zwar etwas verwundert drein, als der avisierte Verkauf verkündet wurde. Ein Raunen oder gar Aufschrei blieb aber aus, es folgten später ausschließlich sachliche Fragen. Nach Auskunft des Bürgermeisters hat der Gemeinderat bereits vor zwei Monaten die Entscheidung darüber in einer nichtöffentlichen Sitzung getroffen.
Wertminderung durch Hochwasserschäden eingepreist
Zuvor hatte man ein Wertgutachten erstellen lassen, berichtete Wolf. Dabei wurde ein Verkehrswert von 736.000 Euro ermittelt. "Wenn jemand kommt und die Summe bezahlt, dann können wir es verkaufen." Eine niedrigere Summe ist laut Wolf ausgeschlossen, da es sich um den Verkauf eines kommunalen Eigentums handelt. Die Verkaufssumme wurde ihm zufolge niedriger angesetzt, weil durch insgesamt drei Hochwasser der benachbarten Volkach Schäden im Keller entstanden sind. Wie hoch diese Wertminderung ist, diese Frage eines Bürgers wollte das Ortsoberhaupt nicht beantworten.
Warum aber will die Gemeinde ihr Rathaus verkaufen, das nicht leer steht oder baufällig ist, sondern derzeit noch genutzt wird? Besonders alt ist es auch nicht, das Gebäude wurde 1990 eröffnet. Der Grund für diese Entscheidung sind nicht unbedingt finanzielle Sorgen. Denn Michelau im Steigerwald ist nicht nur schuldenfrei, sondern hat aktuell ein Plus von 2,6 Millionen Euro auf seinem Konto, wie der Bürgermeister zuvor in der Versammlung bekannt gegeben hatte.
Vielmehr reiften die ersten, dahingehenden Überlegungen schon vor Jahren, nachdem mehrere öffentliche Gebäude im Hauptort Michelau wenig bis nicht mehr genutzt werden. Dazu zählen die Leerstände Pfarrhaus, das die Gemeinde mittlerweile gekauft hat, und Musikantenstadl sowie die ehemalige Grundschule, die vor zehn Jahren als Schulstandort aufgegeben wurde und seitdem nur von der Heimatkapelle Michelau als Proberaum und Treffpunkt benötigt wird.
Zu wenig Nutzung für einen solchen "Riesenbau"
Das Rathaus, "ein Riesenbau" mit 840 Quadratmetern Fläche, werde ebenfalls zu großen Teilen nicht oder nicht mehr intensiv genutzt, stellte Michael Wolf fest. Lediglich er selbst ist dort immer wieder anzutreffen, in seinem 25 Quadratmeter großen Bürgermeisterzimmer. Zusätzlich finden die Sitzungen des Gemeinderates im Rathaus statt. Der Vereinsraum werde regelmäßig in Anspruch genommen vom Eigenheimer- und Siedlerverein, der Theatergruppe, dem Weinbauverein, dem Frauenbund sowie den Aktivsenioren und der Feuerwehr. Ansonsten sei das Rathaus "ein großes Lagerhaus für die Vereine" oder stehe leer.
Um alle kommunalen Immobilien künftig effektiver zu nutzen und damit auch Kosten einzusparen, wurde im März 2021 das "Gemeindegebäude-Gremium" gegründet. Die Gesamtfläche der genannten Liegenschaften beträgt nach Auskunft des Bürgermeisters 1456 Quadratmeter, "das entspricht zehn Einfamilienhäusern".
Geboren wurde daraus die Idee, das große Schulhaus und die vor zwei Jahren dort angebaute Vollburghalle zu einem Gemeindezentrum auszubauen und dort alle diese Aktivitäten zu konzentrieren. "Das bietet sich an, und der Gemeinderat hat bereits einen Beschluss gefasst." Wenn es so umgesetzt wird, würden nicht nur die Vereine in der früheren Schule, wo vier Klassenzimmer und weitere Räume zur Verfügung stehen , unterkommen. Auch für den Bürgermeister und die Sitzungen des Gemeinderates wäre ausreichend Platz.
Neues Gemeindezentrum mit Vollburghalle und früherer Schule
Ein weiterer Pluspunkt, der nach Ansicht von Michael Wolf für diesen Standort spricht, wäre die künftige Energieversorgung über ein angedachtes, kleines Nahwärmenetz. Daran könnte dann nicht nur das neue Gemeindezentrum mit früherer Schule und Vollburghalle angeschlossen werden, sondern auch die naheliegenden Einrichtungen Kindergarten und Feuerwehrhaus, für das ein Neubau anstelle des Pfarrhauses schon in Planung ist.
Dies ist allerdings abhängig vom Verkauf des Rathauses. Vieles hänge davon ab, so Wolf. Und auch der anstehende Umbau der Schule, um sie für die benötigten Zwecke herzurichten. Erst dann würde ein Umzug erfolgen. Vorstellbar sei jedoch, dass in der Zwischenzeit die Ratssitzungen und sein Amtszimmer provisorisch in der Vollburghalle unterkommen.
Mietswohnungen oder Betreutes Wohnen sind denkbar
In dem Verkauf eines weitgehend kaum genutzten Gebäudes sieht Bürgermeister Wolf auch eine Vorbildfunktion bei der Innenentwicklung. Damit möchte die Gemeinde auch ein Stück vorangehen und private Eigentümer von leerstehenden Immobilien animieren, sich ebenfalls Gedanken über leerstehende Immobilien zu machen. Einerseits können schon heute verschiedene Baumaßnahmen bei Altbauten vor 1970 mit bis zu 15.000 Euro gefördert werden; zudem nimmt die Gemeinde mit solchen Besitzern im Rahmen ihres seit 2022 erstellten und regelmäßig aktualisierten Innenentwicklungskataster Kontakt auf.
Welche Nutzung ist nach einem Verkauf an einen Investor im Rathaus überhaupt denkbar? Der Bürgermeister kann sich Eigentumswohnungen oder Mietswohnungen nach einem Umbau vorstellen, ebenso Betreutes Wohnen. Aus der Bürgerversammlung heraus kam die Frage auf, inwieweit darin Flüchtlinge untergebracht werden könnten. Wolf berichtete, dass das Landratsamt Schweinfurt dazu schon einmal angefragt hatte. Damals scheiterte eine solche Option aber an den sehr hohen Anforderungen des Landkreises.
An einem Umbau in Eigenregie, zum Beispiel für Mietswohnungen, hat die Gemeinde kein Interesse. Die Investitionskosten für eine solche Maßnahme bezifferte der Bürgermeister auf Anfrage auf vermutlich weit über eine Million Euro. Sein finales Fazit: "Wir stellen es jetzt mal zum Verkauf und schauen, ob es was wird."