zurück
Schweinfurt
"Wir wollen keine isolierte Gruppe sein": Warum vier Schweinfurter die arabische Kultur vor Ort stärken möchten
Aus Sicht der Initiatoren waren die ersten Arabischen Kulturwochen in Schweinfurt ein Erfolg. Wie Kultur bei Integration und Abbau von Vorurteile helfen kann.
Von Kalligrafie, über Kochen bis hin zu Musik: Auf den ersten Arabischen Kulturwochen in Schweinfurt konnten die Besucherinnen und Besucher an 16 Veranstaltungen die Kultur aus dem fernen Orient kennenlernen. 
Foto: Adnan Ajam Oghli | Von Kalligrafie, über Kochen bis hin zu Musik: Auf den ersten Arabischen Kulturwochen in Schweinfurt konnten die Besucherinnen und Besucher an 16 Veranstaltungen die Kultur aus dem fernen Orient kennenlernen. 
Marcel Dinkel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:06 Uhr

Seit 13 Jahren herrscht in Syrien Bürgerkrieg. Laut dem UN-Flüchtlingskommissariat haben über fünf Millionen Menschen seitdem das Land verlassen. Etwa 2508 (Stand 22. November 2023) 
von ihnen sind laut der Integrationsbeauftragten der Stadt Schweinfurt, Claudia Federspiel, nach Schweinfurt geflohen und haben hier ein neues Leben begonnen. Mit einem Anteil von 4,5 Prozent an der Gesamtbevölkerung von Schweinfurt stellen Sie damit die größte Personengruppe aus arabisch geprägten Ländern in der Industriestadt dar.

Zwei von ihnen sind Ahmad Almohamad und Adnan Ajam Oghli. Die beiden Männer leben seit mehr als acht Jahren mit ihren Familien in Schweinfurt. "Als Muslime in Schweinfurt fühlen wir uns seit unserer Ankunft wohl", sagen die beiden im Gespräch mit der Redaktion. Dennoch fehle ihnen etwas. Denn viel ist ihnen aus ihrer alten Heimat nicht geblieben. Neben Freunden und Familie haben viele der Kriegsflüchtlinge aus Syrien auch Teile ihre Kultur zurücklassen müssen.

Arabische Kulturwoche als Plattform 

Um die eigenen Wurzeln trotz des Neustarts in Deutschland nicht gänzlich zu verlieren, suchten die beiden deshalb nach einer Möglichkeit, syrische Mitbürger vor Ort miteinander zu vernetzen und gleichzeitig den Einheimischen in Schweinfurt die eigene Kultur näherzubringen. "Wir wollten schon immer etwas Praktisches machen", sagt Almohamad. Zusammen mit dem Integrationsbeirat der Stadt Schweinfurt und dem Islamwissenschaftler Heiko Bernheiden sollten er und Almohamad diese Gelegenheit heuer erhalten.

Arabische Kulturwochen schienen hierzu die perfekte Möglichkeit, erzählt Heiko Bernheiden. Gemeinsam mit dem Integrationsbeirat habe man den Gedanken im April angestoßen. Ansätze dazu habe Bernheiden zuvor in der arabischen Community während seines Studiums in Hamburg erlebt. "Die Idee, sich zu zeigen, Vorurteile abzubauen und Teil der Lösung zu sein, hat auch in Schweinfurt geschwelt", bekräftigt Bernheiden. Der gebürtige Baden-Württemberger war 2015 bei der Öffnung des Ankerzentrums in Geldersheim involviert.

Veranstalter ziehen positive Bilanz

Mit einem Team von rund 60 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern verschiedener Nationalitäten haben es die drei zusammen mit dem Integrationsbeirat am Ende geschafft, 16 Veranstaltungen zu organisieren. Von einer arabischen Buchmesse, über Kalligrafie bis hin zur Poesie von Friedrich Rückert und Werken aus dem Nahen Osten, sollte die arabische Welt in all ihren Fassetten spürbar werden, resümiert Marion Both vom Organisationsteam. "Der Ansatz war auch, sich miteinander auszutauschen und zusammen zu feiern."

Heiko Bernheiden (von links), Marion Both,  Ahmad Almohamad und Adnan Ajam Oghli bildeten das Organisationsteam der Arabischen Kulturwochen in Schweinfurt.
Foto: Marcel Dinkel | Heiko Bernheiden (von links), Marion Both, Ahmad Almohamad und Adnan Ajam Oghli bildeten das Organisationsteam der Arabischen Kulturwochen in Schweinfurt.

Fast 1000 Euro Spenden wurden für die Veranstaltung eingenommen. Mehr als 900 Besucherinnen und Besucher verzeichnete das Organisations-Team, darunter auch Oberbürgermeister Sebastian Remelé und der Bundestagsabgeordnete Markus Hümpfer. Unterstützung gab es auch von lokalen Firmen. "Das war sehr wichtig für uns. Nicht nur für die Leute, sondern auch für unsere Kinder. Mein Sohn ist hier geboren [...]. Er kennt das alles nicht", sagt Ajam Oghli.

Format soll sich etablieren

Kern vieler Veranstaltung sei außerdem gewesen, Einheimischen vor Ort die Möglichkeit zu bieten, zuzusehen und nachzufragen, etwa mit dem Format "Was ich dich schon immer mal fragen wollte". "Die Leute sollen sich trotz ihrer Ressentiments eine eigene Meinung bilden können", sagt Bernheiden hinsichtlich der Debatte zu Migration und der wachsenden Muslimfeindlichkeit. 

Und wie geht es weiter? Nach dem diesjährigen Erfolg will das Team das Format im nächsten Jahr wiederholen. Dann aber mit etwas mehr Vorbereitungszeit, so die Organisatorinnen und Organisatoren. "Wir wollen keine isolierte Gruppe sein", sagt Ajam Oghli. Auch deshalb suche man weiterhin Kontakt zu den Einheimischen und Neuankömmlingen in der Region. 

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Schweinfurt
Marcel Dinkel
Araber
Buchmessen
Bürgerkriege
Debatten
Friedrich Rückert
Integrationsbeirat Schweinfurt
Sebastian Remelé
Stadt Schweinfurt
Söhne
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Marion Both
    Zur Vervollständigung: Das Organisationsteam war eine größere Gruppe von engagierten Menschen des Integrationsbeirates,Mehrgenerationenhaus der Diakonie, Casa Vielfalt der Caritas, der Stabstelle "Gern daheim in Schweinfurt" und Mitgliedern zweier Moscheen. Zudem gab es Kooperationspartner wie das Museum Otto Schäfer, das Interkulturelle Begegnungszentrum für Frauen, das KUK und die IKRA Sprachschule. Es war eine Gemeinschaftsleistung eines sehr großen Teams. Nur durch den Einsatz von so Vielen konnten Veranstaltungen wie interreligiöse Dialoge, Vorträge, Kochveranstaltungen, Kino, Ausstellungen ... angeboten werden und die Schweinfurter unterschiedlicher Herkunft miteinander in einem immer angenehmen Rahmen ins Gespräch kommen. Besonderen Dank an die vielen Frauen, die die Gäste bei jeder Veranstaltung mit orientalischen Köstlichkeiten verwöhnt haben. Es war ein Fest für alle Sinne.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten