Die bayerischen Landräte schlagen Alarm. Angesichts der stark steigenden Flüchtlingszahlen haben sie einen dringenden Appell an die Bundesregierung gerichtet. Die Unterbringungs- und Versorgungskapazitäten seien vielerorts erschöpft. In allen Bereichen, von der Gesundheitsversorgung bis zur Kinderbetreuung, sei die Lage extrem angespannt.
Wie ist die Situation in Stadt und Landkreis Schweinfurt? Gibt es noch Platz für Flüchtlinge oder sind auch unsere Aufnahmemöglichkeiten erschöpft? "In Kombination mit der herausfordernden Belegung des Ankerzentrums durch den Freistaat Bayern gelangen auch unsere Kapazitäten an ihre Grenzen", sagt Landrat Florian Töpper. Dies gelte sowohl für den Sozialraum insgesamt als auch für die Landkreisverwaltung, die "intensiv" daran arbeite, verträgliche Lösungen für alle Betroffenen zu finden. Viele Fragen und Vorurteile kursieren zu den Flüchtlingen und ihre Unterbringung. Zehn Antworten auf die zehn häufigsten Fragen.
Wieviele Flüchtlinge leben in der unterfränkischen Anker-Einrichtung bei Geldersheim?
Insgesamt waren in der Anker-Einrichtung Unterfranken (Geldersheim/Niederwerrn) zum Stichtag 30. September 2023 genau 1556 Personen untergebracht. Die Belegungsquote liegt damit bei 103,73 Prozent bezogen auf eine Maximalbelegung von 1500 Plätzen. Die regelmäßig belegbare Bettenkapazität beträgt 1200 Plätze. Der Anker ist derzeit für Flüchtlinge aus den Ländern Algerien, Armenien, Elfenbeinküste und Somalia zuständig. Dazu kommen aktuell die Aufnahme der Flüchtlinge aus der Ukraine sowie regelmäßige Sonderzuweisungen von Asylbewerbern aus Afghanistan und Syrien.
Wieviele Flüchtlinge leben in Stadt und Landkreis Schweinfurt in dezentralen Unterkünften?
In den Gemeinschaftsunterkünften und Übergangswohnheimen der Regierung von Unterfranken sowie in der Flüchtlingsnotunterkunft der Stadt und den vom Landkreis Schweinfurt angemieteten Wohnhäusern leben derzeit 854 Flüchtlinge (Stand 23. Oktober 2023). Flüchtlinge in privat vermieteten Unterkünften sind hier nicht erfasst.
Wieviele Plätze in dezentralen Unterkünften werden angesichts des anhaltenden Flüchtlingsstroms noch benötigt?
Es müssen so viele Plätze geschaffen werden, dass die Anker-Einrichtung aufnahmefähig bleibt, erklärt die Regierung von Unterfranken. Im Anker ankommende Flüchtlinge werden deshalb nach Erledigung der wichtigsten Formalitäten zügig in dezentrale Unterkünfte verteilt. Maßstab für die Verteilung ist die Quote nach der "Durchführungsverordnung Asyl" der Bayerischen Staatsregierung, die laut Regierung von Stadt und Landratsamt Schweinfurt derzeit erfüllt wird.
Wieviele Unterkünfte stellen Stadt und Landkreis Schweinfurt für die Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung?
Die Stadt Schweinfurt unterhält eine Notunterkunft für Flüchtlinge aus der Ukraine im Gebäude 205 der ehemaligen Ledward-Kaserne. Das Gebäude bietet für 200 Personen Platz. Aktuell wohnen dort 152 Menschen (Stand 25. Oktober 2023), überwiegend Frauen und Kinder mit vereinzelten Familienvätern. Aufgrund der zuletzt wieder gestiegenen Flüchtlingszahlen geht die Stadt davon aus, dass die Kapazitäten bis Jahresende ausgeschöpft sind.
Zusätzlich stellt die Stadt Schweinfurt der Regierung von Unterfranken das Gebäude 211 der ehemaligen Ledward-Kaserne als Übergangswohnheim für sogenannte Ortskräfte aus Afghanistan oder Kontingentflüchtlinge aus Syrien zur Verfügung. Die Regierung betreibt darüber hinaus noch ein Übergangswohnheim in der Wilhelmstraße und eine Gemeinschaftsunterkunft in der Sattlerstraße.
Das Landratsamt Schweinfurt hat in mehreren Gemeinden innerhalb des Landkreises verschiedene Immobilien als dezentrale Unterkünfte angemietet. Aktuell werden 31 Unterkünfte mit insgesamt 305 Plätzen vorgehalten. Davon sind 251 Plätze belegt (Stand 23. Oktober 2023).
Um welche Art von Unterkünften handelt es sich?
In der Regel handelt sich um private Wohnhäuser, manchmal auch um kirchliche Immobilien. Die beiden Gebäude 205 und 211 auf dem Ledward-Kasernengelände befinden sich in städtischem Eigentum.
Welcher Mietpreis wird gezahlt?
"Wir orientieren uns an der ortsüblichen Miete in der jeweiligen Kommune", antwortet die Regierung von Unterfranken und verweist darauf, dass der Freistaat Bayern dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verpflichtet sei.
Auch das Landratsamt bestätigt, dass sich der individuell vereinbarte Mietpreis an den ortsüblichen Vergleichsmieten für möblierten Wohnraum orientiere. Einen festgelegten pauschalen Quadratmeterpreis gebe es nicht. Bei der Stadt fallen keine Mietzahlungen an, weil sie Eigentümerin der zur Verfügung gestellten Unterkünfte ist.
Welche Voraussetzungen müssen die Unterkünfte erfüllen?
Die Regierung sucht gezielt Immobilien für die Einrichtung von Gemeinschaftsunterkünften ab einer Größe von 30 Plätzen. Am besten geeignet seien hierfür größere Wohnhäuser, stillgelegte Alten- und Pflegeheime oder Jugendherbergen, heißt es. Zentralheizung ist obligatorisch.
Die Voraussetzungen seien grundsätzlich identisch zu den normalen, gesetzlichen Anforderungen an vermietbaren Wohnraum, schreibt das Landratsamt. Die Behörde sucht vornehmlich möblierte Häuser, so dass die Ausstattung vom Vermieter zu erfolgen hat. Bei der Lage der Unterkünfte wird darauf geachtet, dass vor Ort eine Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr besteht, damit die Flüchtlinge zur Erledigung ihrer Formalitäten oder zu notwendigen Arztbesuchen ins Ankerzentrum kommen können.
Bei den städtischen Unterkünften in der ehemaligen Ledward-Kaserne teilen sich stets zwei Familien ein Bad mit WC und Dusche. Pro Etage stehen drei oder vier Gemeinschaftsküchen mit Kühl- und Gefrierschränken, Mikrowelle, Elektroherden und entsprechender Küchenausstattung zur Verfügung. Die Bewohnerinnen und Bewohner können ihre Wäsche im Gemeinschaftswaschraum waschen. Hier gibt es Waschmaschinen und Wäschetrockner. Auch WLAN wird zur Verfügung gestellt, nicht zuletzt um den dort wohnenden Menschen den Kontakt zu Familienangehörigen, die noch in der Ukraine sind, zu ermöglichen.
Halten Stadt und Landkreis ausreichend Wohnraum für Flüchtlinge bereit?
Gemäß der "Durchführungsverordnung Asyl" der Bayerischen Staatsregierung muss Unterfranken insgesamt 10,2 Prozent der in Bayern ankommenden Asylbewerber aufnehmen. Die Quote für die Stadt Schweinfurt beträgt 4 Prozent, was aktuell 1156 Personen entspricht. Tatsächlich betreut die Stadt aber 1733 Flüchtlinge, also 577 Personen mehr.
Für den Landkreis lässt sich keine absolute Zahl benennen, weil sich auf die Erfüllungsquote auch die Anker-Einrichtung auswirkt. Da die absolute Zahl der Flüchtlinge aktuell weiter ansteigt, wirkt sich hier die prozentuale Verteilung entsprechend aus. Somit ist abzusehen, dass weitere Wohnplätze benötigt werden.
Werden die Kommunen vorab informiert, wenn die Regierung oder das Landratsamt Immobilien für Geflüchtete anmieten?
Die Gemeinde wird spätestens bei Abschluss des Mietvertrags informiert, sagt das Landratsamt. Gemeinde und Behörde stimmen sich dann ab, welche Möglichkeiten bestehen, um zum Beispiel ehrenamtliche Helferinnen und Helfer sowie Ansprechpartner vor Ort oder überörtlich einzubinden.
Wie kommen Regierung, Landkreis und Kommunen an Immobilien?
Das Landratsamt sondiert den Wohnungsmarkt im Landkreis Schweinfurt und schließt Verträge ab, wenn geeignete Immobilien gefunden und für die benötigten Zwecke verwendet werden können. Der Behörde werden stetig auch gewerbliche oder private Immobilien angeboten, allerdings würde sich aus den angebotenen Objekten nur ein geringer Anteil von dezentralen Unterkünften realisieren lassen, heißt es.
Bei der Stadt Schweinfurt melden sich ebenfalls vereinzelt potentielle Vermieter und bieten Wohnraum für Flüchtlinge an. Außerhalb des Kasernengeländes sucht die Stadt vor allem Wohnraum für Personen, die aufgrund ihres Status' private Unterkünfte beziehen dürfen (z. B. Ukrainer mit Aufenthaltstitel oder sogenannte Ortskräfte aus Afghanistan). Bei der Vermittlung arbeitet die Stadt mit der Diakonie Schweinfurt im Projekt "Wohnraumprojekt für Menschen mit Migrationshintergrund" zusammen.