
Umweltsünder, Tierquäler und übersubventioniert: Die Liste an Vorurteilen und Kritik gegenüber der modernen Landwirtschaft in Deutschland ist lang. Gleichzeitig treiben wachsende Auflagen und wegfallende Fördermittel die Landwirtinnen und Landwirte auch in Unterfranken immer öfter auf die Straße. Der Frust innerhalb der Branche ist groß. Das spüren auch die drei angehenden Nachwuchslandwirte Rosi Harth, Julian Blum und Florian Liebst.
Um wieder mehr mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, hat die Staatliche Landwirtschaftsschule Schweinfurt Schülerinnen und Schüler der Q11 vom Olympia-Morata-Gymnasium zu einem Dialog in die Klassenzimmer eingeladen. "Es ist wichtig, dass wir offen miteinander umgehen", erklärt Rosi Harth, die auf der Veranstaltung einen persönlichen Einblick in das Leben auf einem Hof gibt.
Immer weniger Menschen würden heutzutage wissen, wie der Alltag von Bäuerinnen und Bauern aussieht. "Vieles wird schlecht dargestellt", sagt die 22-Jährige, die neben ihrer Lehre einen öffentlichen Instagram-Kanal in den Sozialen Medien betreibt. Auch deshalb möchte die angehende Landwirtin aus Obereßfeld (Lkr. Rhön-Grabfeld) zusammen mit ihren Mitschülern stärker für ihren Berufsstand werben – gerade bei denen, die vermeintlich wenig Berührungspunkte mit Traktoren und Tieren außerhalb der Städte haben.
Karlheinz Gößmann: "Ich habe das Gefühl, viele Bauern jetzt besser zu verstehen."
18 Schülerinnen und Schüler sind aus dem Gymnasium an die Landwirtschaftsschule gekommen. Einige der Inhalte aus der Veranstaltung würden später im Biologieunterricht durchgenommen werden, erklärt Lehrerin Astrid Becker. Von Tierhaltung, über Pflanzenbau bis hin zur beruflichen Ausbildung hatten die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, ihre Fragen an die Nachwuchslandwirte zu richten.

Für Raffaela Di Blasio eine gute Möglichkeit mal nachzuhacken, findet die Schülerin. Die 17-Jährige lebt mit ihren Eltern in Schweinfurt. Der Vater ist Polizist, die Mutter Heilpraktikerin. "Ich hatte davor noch nie etwas mit Landwirtschaft zu tun." Ihr Fazit: "Ich fand die Veranstaltung interessant, um auch mal eine neue Perspektive kennenzulernen." Die Schülerin zieht es in Erwägung, nach dem Abitur ein Freiwilliges Jahr auf einem Hof zu absolvieren.
Im Hinblick auf das Thema Tierwohl habe sie verstehen können, dass ein großer Stall nicht gleich Massentierhaltung sei. In Medien und Öffentlichkeit nimmt die Schülerin Landwirte meist als störend und abgewertet wahr. "Auf der einen Seite wird immer kritisiert, dass Landwirtschaft teuer subventioniert wird, andererseits wollen die Leute aber auch günstiges Fleisch."
Schülerinnen und Schüler wollen Dialog fördern
"Ich habe viel gelernt über die Tierhaltung", sagt David Mai und verweist auf die Massentierhaltung. Er habe gemerkt, dass viele der Schülerinnen und Schüler trotz ihrer beruflichen Leidenschaft, unzufrieden über das Kaufverhalten der Konsumenten seien. Karlheinz Gößmann stammt aus Wasserlosen. Im Dorf sei man durchaus mit der Landwirtschaft vertraut, sagt der 18-Jährige. Persönlich habe man aber auch dort immer weniger persönliche Berührungspunkte. "Ich habe das Gefühl, viele Bauern jetzt besser zu verstehen."
"Wir sind weder Außerirdische noch Heilige", sagt Kurssprecher Florian Liebst, der sich über das Interesse der Schülerinnen und Schüler freut. Als Berufsanwärter sei es ihm wichtig, miteinander auf Augenhöhe zu sprechen und sich unvoreingenommen auszutauschen. Dem stimmt auch sein Klassenkamerad Julian Blum zu: "Die Spaltung wird immer größer." Er sehe es als Aufgabe seiner Generation an, den Dialog mit der Gesellschaft zu fördern. "Bei mir sind die Hoftore offen."