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Würzburg
Wie Unterfrankens Landwirtschaft künftig aussehen könnte
Deutschlands Bauern und Umweltschützer haben eine Strategie für die Zukunft der Landwirtschaft erarbeitet. Was Bauernverband und Bund Naturschutz dazu sagen. Und was die Parteien wollen.
Was muss sich in Unterfrankens Landwirtschaft tun, damit sie für künftige Herausforderungen gewappnet ist? Antworten geben Marion Ruppaner vom Bund Naturschutz und Stefan Köhler vom Bayerischen Bauernverband.
Foto: ArchivPatty Varasano | Was muss sich in Unterfrankens Landwirtschaft tun, damit sie für künftige Herausforderungen gewappnet ist? Antworten geben Marion Ruppaner vom Bund Naturschutz und Stefan Köhler vom Bayerischen Bauernverband.
Angelika Kleinhenz
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:12 Uhr

Zum ersten Mal haben sie geschafft, was niemand für möglich gehalten hat: Am 6. Juli haben sich Landwirte und Umweltschützer auf eine gemeinsame Strategie geeinigt, wie die Landwirtschaft der Zukunft in Deutschland aussehen soll. Für ihren Abschlussbericht hatten zuvor über 30 Interessenvertreter aus Landwirtschaft, Wissenschaft, Verbraucher-, Umwelt- und Tierschutz in der sogenannten "Zukunftskommission Landwirtschaft" ein Jahr lang miteinander gerungen.

Herausgekommen ist ein 190 Seiten starkes Dokument mit Handlungsempfehlungen für den sozialen, ökonomischen und ökologischen Bereich. Es ist ein Arbeitsauftrag an die nächste gewählte Bundesregierung, die den Kompromiss von Umweltschützern und Bauern umsetzen soll.

Wie diese ideale Landwirtschaft der Zukunft in Unterfranken aussehen könnte, darüber sprachen wir mit Marion Ruppaner, Agrarreferentin beim Bund Naturschutz Bayern und mit Stefan Köhler, Präsident des Bayerischen Bauernverbands (BBV) in Unterfranken.

Frage: Wie bewerten Sie den Abschlussbericht der "Zukunftskommission Landwirtschaft"?

Marion Ruppaner: Landwirte und Umweltschützer haben sich zum ersten Mal auf eine gemeinsame Strategie verständigt. Es ist eine Versöhnungsbotschaft, die die nächste Regierung umsetzen muss.

Stefan Köhler: Beide Seiten haben nicht alles erreicht, was sie wollten. Das ist für mich ein Zeichen, dass es ein guter Kompromiss ist.

Marion Ruppaner ist Agrarreferentin beim Bund Naturschutz in Nürnberg.
Foto: Toni Mader | Marion Ruppaner ist Agrarreferentin beim Bund Naturschutz in Nürnberg.
Was ist das Ziel der "Zukunftskommission Landwirtschaft"?

Ruppaner: Die Landwirte sollen fair entlohnt werden und gesellschaftliche Anerkennung bekommen. Auf der anderen Seite müssen sie ihren Beitrag zur Biodiversität, für das Tierwohl und zum Umwelt- und Klimaschutz leisten, denn sie bewirtschaften 50 Prozent der Landesfläche Deutschlands.

Köhler: Die Zukunftskommission bekennt sich zur Landwirtschaft in Deutschland. Sie soll nachhaltig und ökonomisch tragfähig sein, aber nicht ins Ausland ausgelagert werden. Es hilft ja niemandem, wenn Rindfleisch künftig aus Südamerika kommt, weil bei uns die Tierwohl-Vorgaben finanziell nicht gestemmt werden können.

Wie will man dahin kommen?

Ruppaner: Durch den Ausbau regionaler Wirtschaftskreisläufe, besser informierte Verbraucher, mehr bäuerliche Betriebe statt Großbetriebe, klimafreundliches Wirtschaften, höhere Tierschutzstandards und faire Bedingungen mit dem Handel.

Köhler: Durch den Grundsatz, der uns als Bauernverband wichtig ist: Kooperation vor Ordnungsrecht. Man entwickelt gemeinsam mit den Landwirten Umweltprogramme, die finanziell honoriert werden. 

Gemessen an den Leitlinien der Zukunftskommission: Wie steht Unterfranken da?

Ruppaner: In Unterfranken gibt es große Gegensätze. Im Dreieck Würzburg, Schweinfurt, Kitzingen wachsen die Betriebe mit zunehmender Intensivlandwirtschaft. Die Biodiversität nimmt ab. Im Spessart und in der Rhön dagegen ist für die Natur noch viel drin. 

Köhler: In Unterfrankens intensiven Gäulagen könnte man sicher mehr für die Umwelt tun. Doch die Zukunftskommission hat erkannt: Klima- und Tierschutz gibt es nicht zum Nulltarif. Vielen Landwirten ist es egal, ob sie mit Weizen oder einer Umweltleistung ihr Geld verdienen. Noch bekommen sie das meiste Geld für den Weizen.

Was müsste sich in Unterfranken ändern?

Ruppaner: Im Ochsenfurter Gau liegen viele Zuckerrüben und Maisfelder im Frühjahr brach. Das müsste sich ändern. Denn bei starkem Regen kommt es zu Bodenerosion. 2021 dürfen Landwirte dort auch wieder Zuckerrübensaatgut, das mit einem bienengefährlichen, hochwirksamen Insektizid behandelt ist, auf ihren Äckern ausbringen. In ganz Unterfranken haben wir Folgekosten bei der Trinkwasseraufbereitung durch zu viel Nitrat im Grundwasser. Und die Landwirtschaft müsste sich dahingehend verändern, dass sie möglichst wassersparend zur Lebensmittelproduktion beiträgt.

Köhler: Natürlich können wir auch in Unterfranken Einiges verändern. Zum Beispiel weitere Fruchtfolgen anbauen, die den Humusgehalt der Böden als CO2- und als Wasserspeicher erhöhen. Das Problem: Diese sind am Markt nicht so gefragt. Und es kostet Geld, das laut Zukunftskommission nicht nur die Landwirte, sondern auch die Allgemeinheit über Steuern oder Verbraucherpreise bezahlen muss.

Gibt es Projekte in der Region für mehr Biodiversität, bei denen auch die Landwirte Geld verdienen?

Ruppaner: Im Landkreis Rhön-Grabfeld arbeiten Bauernverband und Bund Naturschutz seit Jahren sehr gut bei der Vernetzung von Biotopen zusammen. In einem Projekt bauen Landwirte statt Mais ein Hanfgemenge an, das im August gemäht wird und in die Biogasanlage kommt. Bis dahin ist es ein nahrungsreiches Blühangebot für Insekten. Die Landwirte bekommen den Fehlbetrag erstattet.

Köhler: Es gibt Landwirte, die für regionale Brauereien die Braugerste anbauen und dabei Blühstreifen integrieren. Die Brauereien vermarkten dann das spezielle "Artenschutz"-Bier. Es gibt auch eine Erzeugergemeinschaft im Landkreis Rhön-Grabfeld, die alte Getreidesorten wie Emmer und Einkorn ohne Pflanzenschutzmittel anbaut. Sie werden von Bäckern weiterverarbeitet und speziell vermarktet.

Stefan Köhler ist unterfränkischer Bezirkspräsident des Bayerischen Bauernverbandes.
Foto: Johannes Kiefer | Stefan Köhler ist unterfränkischer Bezirkspräsident des Bayerischen Bauernverbandes.
Die Landwirte verdienen also vor allem Geld mit Tierschutz oder Klimaschutz, wenn sie ihre  Produkte regional kennzeichnen und vermarkten. Gibt es erfolgreiche Projekte in Unterfranken?

Ruppaner: Der Bund Naturschutz hat das Rhönschaf, eine alte Haustierrasse, vor dem Aussterben gerettet. Hier wird die Züchtung alter Haustierrassen mit extensiver Grünlandbeweidung gefördert. 

Köhler: Im Landkreis Main-Spessart verzichten Landwirte bei der Initiative Grünland bei der Weidehaltung auf chemischen Pflanzenschutz und Mineraldünger und pflegen so wertvolle Flächen. Ihr Rindfleisch ist zertifiziert, generiert einen höheren Preis und wird sehr gut nachgefragt. 

Wann funktioniert regionale Produktvermarktung und wann funktioniert sie nicht?

Ruppaner: Regionale Kennzeichnung funktioniert, wenn sie mit einem Qualitätsbegriff verbunden ist. Und nicht, wenn sie, wie etwa beim Siegel "Geprüfte Qualität aus Bayern" Futtermittel aus der Regenwaldabholzung toleriert. Das ist nicht im Sinne der Verbraucher. Bei den Biowinzern in Franken gibt es diese klare regionale Qualitätskennzeichnung: Wein aus Franken inklusive Biodiversität, Wasserschutz und Bodenfruchtbarkeit.

Köhler: Mit staatlicher Förderung allein funktioniert sie jedenfalls nicht. Denn was nützt der schönste Apfelbaum, der staatlich gefördert wird, wenn die nächste Regierung die Förderung wieder streicht? Wenn der Landwirt aber seinen Streuobstapfelsaft vermarkten kann, wird er sich auch um den Apfelbaum kümmern. Die Zukunftskommission fordert deshalb, nicht nur die Verluste für Umweltmaßnahmen auszugleichen, sondern neue Einkommenskomponenten für die Landwirte zu schaffen. Wie beim Wasserschutzbrot in Unterfranken: Der Landwirt düngt weniger. Dadurch sinkt das Risiko, dass Stickstoff ins Grundwasser ausgewaschen wird. Der Weizen hat einen geringeren Eiweißgehalt. Doch es haben sich Bäcker gefunden, die diesen Weizen verarbeiten und vermarkten.

Doch auf dem Weltmarkt hat der Weizen keine Chance . . .

Köhler: . . . es sei denn, die regionalen Mühlen müssten künftig offenlegen, wie viel Weizen sie aus fränkischen Wasserschutzgebieten und wie viel Weizen sie zum Beispiel aus der Ukraine einkaufen. Ebenso wie der Bäcker, der den Weizen weiterverarbeitet. Wenn bei Weizen aus der Ukraine Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden, die bei uns seit 30 Jahren verboten sind, müsste der Weizen entsprechend gekennzeichnet werden. Die Politik könnte dann sagen: Entweder darf nur Weizen, der unseren Standards genügt, eingeführt werden oder es kommt aus Klimaschutz/Artenschutzgründen eine Abgabe oben drauf. Das ist zwar ein richtig dickes Brett, aber im Grunde nichts anderes als das Lieferkettengesetz, das verlangt, dass gewisse soziale Standards weltweit eingehalten werden. 

Was spricht dagegen, so weiterzumachen wie bisher?

Ruppaner: Die Landwirtschaft in Deutschland umzubauen, so schätzt die Kommission, würde sieben bis elf Milliarden Euro pro Jahr kosten. Alles zu lassen, wie es ist, kostet uns pro Jahr 40 Milliarden Euro an Folgekosten durch Wasser- und Luftschadstoffe oder Bodenerosion sowie weitere 50 Milliarden Euro, zählt man die Biodiversitäts-, Arten- und Lebensraumverluste hinzu. 

Köhler: Es gibt noch einige Landwirte, die sagen: Es ist doch alles gut. Wir machen weiter wie bisher. Aber das bringt uns nicht weiter. Die Auswirkungen von Klimawandel und Artensterben spüren wir alle.

Das steht in den Wahlprogrammen der Parteien zur Landwirtschaft

CDU/CSU: Laut Wahlprogramm will die CDU/CSU die Landwirte beim ökologischen Wandel begleiten, Investitionen in Tierwohl finanziell fördern und durch Digitalisierung sowie neue Züchtungsmethoden die Ernten stabil halten - bei gleichzeitig weniger Pflanzenschutzmitteleinsatz und geringerem Wasserverbrauch. Von Klima- und Artenschutzleistungen sollen alle Formen des nachhaltigen Landbaus, ökologisch wie konventionell, profitieren. Naturschutzleistungen sollen durch Anreize gefördert werden.
Bündnis 90/Die Grünen: Die Grünen streben eine Versöhnung von Klima-, Umwelt-, Tier- und Gewässerschutz und landwirtschaftlicher Erzeugung an. Das bedeute kohlenstoffspeichernde Böden, sauberes Wasser, intakte Ökosysteme, aber auch ein faires Einkommen der Landwirte. Die Milliarden öffentlicher EU-Gelder sollen künftig für Leistungen wie Klima-, Umwelt- und Tierschutz eingesetzt werden. Gegen Dumping-Lebensmittelpreise will die Partei vorgehen und die regionale Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung stärken. Ihr Ziel: 30 Prozent Ökolandbau bis 2030.
SPD: Die SDP will die Agrarförderung so ausrichten, dass eine umweltschonende Landwirtschaft im Wettbewerb mithalten kann. Die Partei will sich für faire Preise für hochwertige Nahrungsmittel einsetzen und im Lebensmittelhandel unfairen Handelspraktiken den Riegel vorschieben. Ziel sei auch, prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse von Wanderarbeitern zu bekämpfen. Der Boden als wichtigstes Gut der Landwirtschaft soll den Betrieben vor Ort zustehen. Er dürfe nicht zum Spekulationsobjekt für Investoren ohne Agrarbezug werden, so die SPD.
FDP: Laut Wahlprogramm will die FDP die Landwirte unabhängig von Agrarzahlungen machen und sie von überbordender Bürokratie entlasten. Dafür wollen die Freien Demokraten weg von flächenbezogenen Direktzahlungen hin zu mehr Investitionsförderung sowie Forschung. Sie wollen einheitliche Wettbewerbsstandards in der EU und fordern den sukzessiven Abbau der EU-Agrarsubventionen. Mit steuerbefreiten Risikoausgleichsrücklagen in guten Jahren sollen Landwirte besser für Dürren und andere Klimafolgen vorsorgen, heißt es im Programm der FDP.
Linke: Die Linke will einen öffentlichen Bodenfonds einführen, der an nachhaltig wirtschaftende, ortsansässige Agrarbetriebe zu fairen Konditionen langfristig verpachtet. EU-Zahlungen sollen künftig konsequent an wissenschaftlich fundierte Umwelt- und Sozialkriterien und an den Tierschutz gebunden werden. Nur Betriebe, die diese Vorgaben umsetzen, sollen Direktzahlungen erhalten - egal, ob groß, klein, ökologisch oder konventionell. Glyphosat und Neonikotinoide sollen verboten und die Landwirte bei der Transformation unterstützt werden.
AfD: Die AfD sieht laut Wahlprogramm in den EU-Regulierungen eine Entmündigung von Landwirten, Jägern und Verbrauchern. Die Partei will die Zuständigkeit für die Agrarpolitik wieder in die Verantwortung der Nationalstaaten legen. Um für die Übergangszeit gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, setzt sich die AfD für die Einführung einer bundesweiten Weidetierprämie ein. Vor jeder agrarpolitischen Maßnahme solle geprüft werden, wie diese sich auf das Einkommen der Bauern auswirke und welchen ökologischen Nutzen sie erbringe, so die AfD.
Quelle: akl
 
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