Ist er nach dem Motto "dumm gelaufen" in die Sache hineingeschlittert oder wusste er genau, worauf er sich einlässt? Hat er gar schon öfters auf Cannabis-Plantagen "ausgeholfen"? Diese Fragen zu beantworten, darum geht es im Verfahren vor der 4. Großen Strafkammer am Landgericht Schweinfurt, das Licht in die Rolle eines sportlich mäßig erfolgreichen 38-jährigen serbischen Ex-Fußballprofis bringen soll.
Fakt ist, als Ende November 2021 die Cannabis-Plantage, aufwendig installiert in einem alten Dreiseithof in einem Dorf im Landkreis Rhön-Grabfeld, aufflog, war der Mann als einziger vor Ort. Die Handschellen klickten. Bei der Durchsuchung des Anwesens wurde wie berichtet in der Scheune des Bauernhofs eine professionell eingerichtete Cannabis-Plantage mit 1650 erntereifen Pflanzen vorgefunden. Geschätzter Marktwert etwa eine halbe Million Euro.
Helfer kamen zum Umtopfen auf die Cannabis-Plantage
Seiner Erklärung vom ersten Prozesstag, in der er sich unterm Strich als blauäugiges Opfer der Hinterleute bezeichnete, weil er mittellos und ohne berufliche Perspektive diesen "Job in der Landwirtschaft"angenommen habe, ließ der 38-Jährige nun eine zweite – verlesen durch seinen Anwalt – folgen. Demnach sei er von September bis zu seiner Festnahme fast immer alleine auf dem Hof gewesen, habe sich ums "Gärtnerische" rund um den Cannabis-Anbau gekümmert. Einmal pro Woche sei der Hauseigentümer gekommen, habe ihn mit Lebensmitteln und Getränken versorgt und technische Angelegenheiten erledigt. Einige Male seien Leute gebracht worden, die ein paar Tage auf dem Hof blieben, um beim Umtopfen zu helfen. An einer Cannabis-Ernte habe er nicht mitgewirkt.
Konkreter, aber in Teilen seinen früheren Aussagen widersprechend, wurde der 44-jährige Hauseigentümer im Zeugenstand. Auch er wurde aus der Untersuchungshaft vorgeführt und wird sich demnächst in seinem eigenen Verfahren zur Sache verantworten müssen. Er gab an, den bei der Durchsuchung verhafteten "Plantagen-Aufseher" schon von einem Besuch in Belgien 2019 zu kennen. Dort sei er von den gleichen serbischen Hinterleuten, die mutmaßlich hinter der Cannabis-Plantage in Rhön-Grabfeld stecken, schon einmal mit Elektroarbeiten beauftragt worden. Arbeiten an einem Schaltkasten, so ist er überzeugt, die ebenfalls in Zusammenhang mit dem Betrieb einer Cannabis-Plantage standen. Auch der angeklagte Ex-Fußballer sei damals in Belgien vor Ort gewesen. Das wäre ein Indiz dafür, dass der 38-Jährige bei seinem "gärtnerischen Einsatz" in Rhön-Grabfeld alles andere als ein "grüner Junge" in Sachen Cannabis-Pflege war, wie er das Gericht gerne glauben machen möchte.
Der Angeklagte kannte den Rest der Bande möglicherweise schon länger
Wiedergesehen habe er den Angeklagten, so der Hauseigentümer, als der ihm im September 2021 als Nachfolger des bis dahin auf dem Hof tätigen ersten Pflanzenpflegers vorgestellt wurde. "Aufseher Nummer 1" sei wegen Krankheit und Erfolglosigkeit abberufen worden. Der Angeklagte sei ihm von den Drahtziehern der "Drogen-Scheune" als Mann vom Fach vorgestellt worden, der den Ertrag steigern werde.
Seine eigene Rolle im Drogengeschäft redete der Hofeigentümer klein. Er habe an der Sache nichts verdient, lediglich seine Spielschulden loswerden wollen. Er habe sich nur um die Elektrik der Cannabis-Plantage gekümmert und den 38-Jährigen mit Lebensmitteln versorgt. Was der ihm auftrug, habe er besorgen müssen, was der Ex-Fußballer auch gerne im Befehlston getan habe. Das geben die sichergestellten Chatverläufe zwischen den beiden allerdings nicht her, wo eher ein moderat freundlicher Umgangston miteinander nachzulesen ist.
Hauseigentümer berichtet von Gewaltandrohung gegen seine Frau und seine Tochter
Der 44-Jährige schilderte, wie er in die Sache hinein geraten ist. Bei Online-Sportwetten, das Geld dafür habe er sich bei Freunden und Verwandten geliehen, habe er einige tausend Euro verloren. Um die Schulden zu begleichen und Geld für weitere Wetten zu haben, habe er sich von Bekannten, die er "von früher vom Fußball" in Serbien kannte, 10.000 Euro geliehen. Die ließen sich das Darlehen gut verzinsen, schnell war der Schuldenberg auf 25.000 Euro angewachsen. Bezahlen konnte er nicht. So sei von den Gläubigern die Ideen aufgebracht worden, dass er ja seine Schulden durch Marihuana-Anbau in seiner Wohnung abarbeiten könne.
Als er, Frau und Tochter lebten auch in der Wohnung, ablehnte, sah der Plan zunächst vor, ein Haus oder eine Wohnung zu mieten, um dort "Grüne Ware" anzubauen. Daraus wurde nichts, stattdessen ergab sich die Gelegenheit, den Dreiseithof für 40.000 Euro zu erwerben. Dieses Geld wurde von serbischen Hintermännern auf sein Konto überwiesen, damit er den Hof kaufen konnte. Zwei, drei Ernten, so der 44-Jährige, hätten noch eingefahren werden sollen, dann wäre der Hof wieder verkauft worden. Freiwillig habe er nicht mitgemacht, so der 44-Jährige. Die Drahtzieher der Cannabis-Plantage, bei denen er das "Spielschulden-Darlehen" aufnahm, hätten ihm gedroht, seiner Frau und seiner Tochter Gewalt anzutun.
Für jemand, der "nur fürs Elektrische" auf der Cannabis-Plantage zuständig gewesen sein will, wusste der 44-Jährige recht gut Bescheid über die geschäftlichen Vorgänge bei dieser Art der "Landwirtschaft". So war zu erfahren, dass so ein Setzling frisch aus Holland angeliefert auch schon 11 Euro kostet. Transporter mit "H-Kennzeichen" (Hannover) hätten die Ware abgeholt. Vom ersten Plantagen-Aufseher, der im September abberufen wurde, habe er erfahren, dass der mit etwa zehn Prozent am Gewinn beteiligt war. Bevor die Cannabis-Plantage aufflog, seien bereits drei Ernten eingefahren worden. Für das Verfahren sind zwei weitere Verhandlungstage angesetzt.