Der Mann, der noch am ehesten Hinweise auf die Hinterleute und den "laufenden Betrieb" einer Cannabis-Plantage in einem Dorf in Rhön-Grabfeld geben könnte, fehlte, immer noch coronapositiv, auch am zweiten Verhandlungstag. Dem 44-Jährigen wird vorgeworfen, angehäufte Spielschulden "abgearbeitet" zu haben, indem er sich darauf einließ, alle Elektriker-Arbeiten in dieser "Cannabis-Farm" zu erledigen.
Mit finanzieller Hilfe dieser Hinterleute, erwarb der 44-Jährige, auch im richtigen Erwerbsleben Elektriker, Ende 2020 den betagten Dreiseithof direkt an der Dorfstraße, dessen "Innenleben", vor allem die Scheune, den Anforderungen für den Cannabis-Anbau angepasst wurde. Cannabis gedeiht wohltemperiert, bei richtiger Beleuchtung und passendem Raumklima. Es gab viel zu tun für den "Hausmeister" einer solchen Anlage, der sich ums "Elektrische" kümmerte.
Und es scheint reiche Ernte eingefahren worden zu sein. Als das Anwesen nach Hinweisen und verdeckter Observierung durchsucht wurde, fanden die Ermittler in zwei Aufzuchträumen in der Scheune 1651 erntereife Marihuana-Pflanzen mit bis zu zwei Metern Wuchshöhe und voller Dolden. Im getrockneten Zustand hätten die Pflanzen rund 50 Kilogramm Marihuana mit einem Marktwert von knapp einer halben Million Euro ergeben. Es war nicht die erste Ernte, sind sich die Ermittler sicher, sondern womöglich schon die dritte oder vierte. Denn in dem Anwesen wurden auch rund 500 Kilogramm "Grüngut-Abfall", in diesem Fall nicht verwertbare Pflanzenreste gefunden. Eine Menge, die darauf schließen lässt, dass im Laufe des Jahres 2021 schon mindestens zweimal "Erntedankfest" gefeiert wurde.
Was wusste der "Plantagen-Aufseher"?
Am zweiten Verhandlungstag konzentrierte sich die 4. Große Strafkammer am Landgericht Schweinfurt darauf, die Rolle eines 38-Jährigen näher zu beleuchten, der am 30. November 2021 bei der Durchsuchung des Anwesens vor Ort verhaftet wurde. Der Mann war wohl schon der zweite "Plantagen-Aufseher", der von den in Serbien sitzenden Drahtziehern nach Rhön-Grabfeld beordert wurde. Sein Vorgänger, das lässt sich aus Chatverläufen herauslesen, war weniger effektiv in der Erledigung seiner Aufgaben, eine "Missernte" geht möglicherweise auf sein Konto, weshalb er ausgetauscht wurde.
Mindestens seit September 2021, so die Anklageschrift, habe sein Nachfolger, der vor Gericht stehende 38-Jährige, dort den Marihuana-Anbau überwacht. Beleuchtung, Klimatisierung, Bewässerung und Düngung waren seine Kernaufgaben, und den in Hessen lebenden Hofeigentümer, den Elektriker, zu verständigen, wenn es in der Anlage Probleme rund um das Thema Strom gab. Und die gab es durchaus. So eine Plantage ist ein "Stromfresser". Immer wieder wurden Sicherungen überlastet und Lampen fielen aus, so der 38-Jährige.
Dass er ein großer Fachmann in Sachen Marihuana-Anbau ist, der in der Lage ist, die Produktion zu steigern und Probleme wie "Pilzbefall" zu beseitigen, dieser Eindruck bestätigte sich im Verlauf der Verhandlung eher nicht. Es dürften vielmehr Routineaufgaben wie die Überwachung von Beleuchtung und Klimaanlage und die Bewässerung und Düngung gewesen sein, die ihn beschäftigten. Bei der Durchsuchung wurde eine Rechnung über 104.000 Euro für hochwertigen Spezialdünger aus Holland gefunden. Außerdem gab es einen Anzuchtraum für die Setzlinge und auf dem Dachboden eine Anlage zur Trocknung der Pflanzen.
Mehr Arbeit an Tagen, an denen gepflanzt und geerntet wurde
Normalerweise sei er alleine, dafür aber rund um die Uhr auf dem Anwesen gewesen, ließ der 38-Jährige den Richter über seinen Anwalt wissen. Alle paar Wochen, wenn "Mehrarbeit" zum Beispiel für die Anpflanzung der gelieferten Setzlinge anstand, seien Landsleute für einige Tage gekommen, um bei der Arbeit zu helfen. Diesen Eindruck bestätigen auch die Ergebnisse der Durchsuchung, wurden doch diverse "Arbeitskleidung" in verschiedenen Größen und Räume mit Schlafplätzen gefunden.
Möglicherweise neue Hinweise auf die derzeit noch nicht bekannten Hinterleute erhofft sich die 4. Große Strafkammer, wenn am nächsten Verhandlungstag, 24. August, endlich der "Hofeigner und Fachmann fürs Elektrische", zum Treiben auf seinem Anwesen befragt werden kann.