Als unbürokratisch und schnell war die Soforthilfe zu Beginn der Corona-Pandemie 2020 im März vom Bund und Freistaat Bayern angekündigt worden. Vor allem den kleinen Firmen, die damals wegen des ersten Lockdowns schließen mussten, sollte geholfen werden. An 260.000 bayerische Unternehmen wurden 2,2 Milliarden Euro Hilfen gezahlt. Doch jetzt stehen möglicherweise Rückzahlungen an. Was in Handwerk und Handel für großen Unmut sorgt.
Als im März 2020 der Lockdown kam, schloss Friseurin Susanne Feser – wie alle betroffenen Betriebe – ihren "Salon Eva" in Gerolzhofen. Sie hielt sich an die Regeln, die bei Friseuren nochmals schärfer waren als in anderen Branchen. "Wir waren im Handwerk die Einzigen, die schließen mussten", sagt Feser. Der Grund: Haareschneiden gilt als körpernahe Dienstleistung.
Soforthilfen haben die betroffenen Betriebe damals sehr unterstützt
Feser beantragte die vom Staat angebotenen Soforthilfen. 9000 Euro hat sie eigenen Angaben nach erhalten. Das Geld hat ihr, wie sie rückblickend sagt, sehr geholfen. Denn schließlich sank der Umsatz schlagartig auf null. Ihre Ausgaben dagegen blieben bestehen. Sie musste beispielsweise die Löhne für ihre Angestellten vorstrecken, bis diese über das beantragte Kurzarbeitsgeld zurückflossen. Auch Minijobber, die für den Salon arbeiten, bezahlte sie freiwillig weiter, etwa die Dame, die den Salon reinigt. "Die mussten ja auch von irgendwas leben", sagt Feser. Etliche Nebenkosten für den Betrieb liefen ebenfalls weiter, als ob es den Corona-Lockdown nicht gäbe.
Philip Grebner ist Inhaber des Ebbo's Friseur und Reha-Centers in der Friedrich-Stein-Straße in Schweinfurt. Um seine Firma im Frühjahr 2020 über die schweren Zeiten zu bringen, beantragte er ebenfalls Soforthilfe und Kurzarbeit für die Mitarbeitenden. Grundsätzlich, so Grebner, "waren es sehr aufregende Zeiten, am Ende sind wir auch dank der Hilfen gut durchgekommen."
Brief der Regierung von Unterfranken schockte Unternehmerinnen und Unternehmer
Doch es gibt ein dickes Aber: Und das ist das Schreiben der Regierung von Unterfranken aus dem Dezember 2022, in dem in durchaus bemerkenswerter Tonalität jeder Unternehmer und jede Unternehmerin, die aus dem damaligen Programm Hilfen bekam, zur Überprüfung und im Zweifel Rückzahlung aufgefordert wird. Letzte Deadline: 30. Juni 2023.
Mit einem solchen Schreiben hatte Feser nicht gerechnet, "nicht nach dieser Zeit", wie sie sagt. Glücklicherweise sei sie die ganze Zeit über vorsichtig gewesen und habe kleine Rücklagen gebildet. Dank dieser und mit Hilfe eines privaten Puffers könne sie die Soforthilfe zurückzahlen, "ohne dass es bei mir existenzbedrohend ist". Besonders bitter stößt ihr auf, dass es sich jetzt ihrer Einschätzung nach rächt, dass sie – wie fast alle ihre Kolleginnen und Kollegen in der Branche – nach Aufhebung des Berufsverbots Extraschichten eingelegt hätten, um Kundinnen und Kunden zu bedienen. Diese Mehreinnahmen fielen ihnen jetzt auf die Füße, meint die Gerolzhöfer Friseurmeisterin.
Philip Grebner aus Schweinfurt hat kein Problem damit, dass die gezahlten Hilfen grundsätzlich überprüft werden. Ihn ärgern, wie auch Susanne Feser, vor allem die aus seiner Sicht nachträglich geänderten Regeln, was die Anrechnung von Personalkosten betrifft. Deswegen hat er auch einen offenen Brief geschrieben, den Politiker auf lokaler wie überregionaler Ebene bekamen. Plakative Überschrift, die viele Kolleginnen und Kollegen unterschreiben: "Im Casino gewinnt die Bank, im Land der Staat".
Lohnkosten dürfen nicht als Ausgaben berechnet werden
Grebner erklärt, er habe damals seinen Mitarbeitenden, die in Kurzarbeit waren, das Gehalt auf 100 Prozent aufgestockt, um sie zu halten. Für die Auszubildenden durfte keine Kurzarbeit beantragt werden, diese Kosten blieben genauso wie Lohnnebenkosten, Mieten, Versicherungen, etc. Im nun von der Regierung angestoßenen Überprüfungsverfahren ist eine Tabelle online zu finden, wo man die damaligen Ausgaben mit den tatsächlichen Einnahmen abgleichen kann, um zu sehen, ob wirklich ein Liquiditätsengpass vorlag.
"Wie dieser berechnet wird, ist eine Frechheit", schimpft Grebner in seinem offenen Brief. Der Grund für seine Empörung: Bis 31. März 2020 durften Personalkosten mit berechnet werden, danach nicht mehr. Ausschlaggebend ist das Datum der Genehmigung des Antrags. Grebner schreibt: "Ich habe meinen Kunden immer gesagt, dass ich vom Staat für unser Berufsverbot so weit entschädigt wurde, dass ich am Ende nichts draufzahlen musste. Jetzt steht ein fettes Minus. Es ist bezeichnend für die aktuelle Situation in unserem Land. Wer arbeitet, etwas leistet, sich der Verantwortung stellt und erreichbar ist, wird zur Kasse gebeten."
Explodierende Energiepreise und Inflation bedrohen Existenz kleiner Firmen
Grebner geht davon aus, dass die Rückzahlung für viele Kolleginnen und Kollegen gerade wegen der stark gestiegenen Energiepreise und der Inflation in diesem Winter existenzbedrohend sein werden: "Viele, vor allem die Einzelkämpfer, sagen zu mir, sie haben keine Lust mehr. Wenn zum Beispiel eine Kosmetikerin jetzt mehrere tausend Euro zurückzahlen muss, ist Schluss mit ihrem Geschäft."
Bis heute ist auf der Internetseite des Bundesfinanzministeriums eine Pressemitteilung des damaligen Finanzministers und heutigen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) vom 23. März 2020 abrufbar, die Philip Grebner gerne zitiert. Scholz erklärt darin: "Wir gehen in die Vollen, um auch den Kleinstunternehmen und Solo-Selbstständigen unter die Arme zu greifen. Sie brauchen unsere besondere Unterstützung, sie werden von dieser Krise hart getroffen. Deshalb gibt es vom Bund jetzt schnelle und unbürokratisch Soforthilfe. Ganz wichtig ist mir: Wir geben einen Zuschuss, es geht nicht um einen Kredit. Es muss also nichts zurückgezahlt werden. Damit erreichen wir die, die unsere Unterstützung jetzt dringend brauchen."
Letzter Satz in Grebners offenem Brief: "Der Fachkräftemangel zieht sich durch alle Branchen und Bereiche, bis in die Politik!"
Abweichungen in der Bilanz müssen gemeldet werden
Das bayerische Wirtschaftsministerium verweist darauf, dass die Soforthilfen im Frühjahr 2020 als sogenannte Billigkeitsleistung in einem vereinfachten Verwaltungsverfahren gewährt wurden. Über die Verwendung der Mittel musste kein Nachweis vorgelegt werden. "Allerdings darf die Gewährung von Billigkeitsleistungen nicht zu einer Überkompensation führen", so ein Ministeriumssprecher gegenüber dieser Redaktion. Die Soforthilfe darf also "den tatsächlichen Liquiditätsengpass" nicht übersteigen. An die Bewilligung der staatlichen Hilfen war daher eine Bedingung geknüpft: "Wesentliche Veränderungen im Vergleich zum prognostizierten Verlauf der Geschäftsentwicklung" müssen von den Begünstigten gemeldet und zu viel gewährte Unterstützungsgelder zurückgezahlt werden.
Die Kritik von Philip Grebner teilen unter anderem Kreishandwerksmeisterin Margit Rosentritt und der Kreisvorsitzende des Handelsverbandes, Axel Schöll. Rosentritt sprach das Thema unter anderem beim Neujahresempfang der Handwerkskammer in deutlichen Worten an: "Was sagt das über die Glaubwürdigkeit der Politik und die Wertschätzung gegenüber dem Handwerk aus?", fragte Rosentritt und zitierte damals den früheren bayerischen CSU-Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß: "Wenn der Kopf im Herd und die Füße im Gefrierfach sind, hat der Bauch die richtige Temperatur, der Mensch ist aber tot."
- und was genau gewinnt der Staat? Zunächst einmal hat der Staat dafür gesorgt, dass die Leute sich nicht anstecken und die Betriebe nicht schließen müssen. Ich bin mir nicht sicher, ob der Staat in anderen Ländern den Betrieben auch so viel Geld gegeben hat.