
Fast wäre die Weihnachtsfeier der Stadt für Alleinstehende und Bedürftige an Heiligabend in der Stadthalle, auch Sozialweihnacht genannt, ein drittes Mal in Folge coronabedingt ausgefallen. Die Stadt hatte, wie berichtet, absagen wollen mit Blick auf die Infektionsgefahr. SPD-Stadträtin Marianne Prowald wollte die erneute Absage durch die Verwaltung allerdings nicht hinnehmen. Sie stellte Anfang Dezember im Stadtrat einen Antrag, die Feier doch durchzuführen. Ergebnis: 32 zu 9 Stimmen für die Feier.
Marianne Prowald ist an diesem Heiligabend auch in der Stadthalle. Sie freut sich über anerkennende Worte von Besucherinnen und Besuchern für ihren Einsatz. "Wäre ich alleine an Weihnachten, ich würde den ganzen Tag heulen", hatte sie damals in der Stadtratssitzung gesagt.

Weiteres Ergebnis der Stadtratsentscheidung: Für einige Menschen ist der Heiligabend dadurch ein bisschen schöner, ein bisschen wärmer, ein bisschen weniger traurig und ein bisschen weniger einsam geworden. Wer wenig Geld hat, bekommt hier trotzdem Geschenke. Unter anderem eine liebevoll gepackte Tüte der Schweinfurter Tafel mit Pizza, Tee, etwas Süßem und einem Schokonikolaus für die Kinder.
Viele freiwillige Helferinnen und Helfer im Einsatz
Viele tragen dazu bei, anderen eine Freude zu machen. Helferinnen und Helfer von Arbeitersamariterbund, Arbeiterwohlfahrt, Rotem Kreuz, Caritas, Diakonie und städtischem Sozialreferat schenken Kaffee aus, kümmern sich am Einlass um die Besucher, verteilen die Geschenke oder machen Dienst an der Garderobe. OB Sebastian Remelé und einige Stadträte gehören traditionell mit zum Servier-Team. Sponsoren unterstützen die Feier mit Geld oder Sachspenden.
Rahmenprogramm mit Bläserklang und Chören
Schülerinnen und Schüler der Sattler-Realschule haben sich um die Tischdekoration gekümmert und außerdem an manchen Tischen kleine Tütchen mit einer Art Grundausstattung für "Wärmende Gedanken" ausgelegt: Kerze, Streichholz, Teelicht, Teebeutel und ein Bonbon zusammen mit einem lieben Wunsch für Weihnachten. Eine Idee, die ein Lächeln in viele Gesichter zaubert.

Die Atmosphäre ist wie immer festlich. Weihnachtsbaum und Weihnachtssterne als Farbtupfer an der Bühne, dazu zum Auftakt die feierlichen Klänge des Blechbläser-Ensembles Stefan Pfister von der Empore. Darauf kann man sich freuen. Überhaupt ist allein schon das Rahmenprogramm ein schönes Geschenk. Olga Baluyev versetzt mit dem Kinderchor "Die kleinen Tröpfchen" und dem Frauenchor "Harmonie" den Saal in Stimmung. Lea Backhaus sorgt für nachdenkliche Momente. Sie liest "Die drei dunklen Könige" von Wolfgang Borchert.
Um Krieg, um Leid, geht es bei Borchert. Darauf ist auch vorher Sebastian Remelé eingegangen. Seit 1946 gebe es diese Feier. Am Anfang kamen vor allem Kriegswitwen. Seit 1951 gibt es das Angebot für Einsame und Bedürftige in der Stadthalle. Remelé erinnert daran, dass in Deutschland seit 1945 Frieden herrsche. Leider gelte das nicht für ganz Europa. Leid und Not der Menschen in der Ukraine könnten wir uns gar nicht vorstellen, sagt er. Der OB dankt allen, die diese Feier möglich machen, und freut sich, dass gut der halbe Stadtrat gekommen ist.

Statt Vesperkirche gibt es die Wärmeinsel
Auch Dekan Oliver Bruckmann greift das Thema Frieden auf: "Wir alle sehnen uns nach einer friedlichen Welt." Was sich Bruckmann für die Menschen wünscht: Jeder sollte das offene Ohr eines Freundes oder einer Freundin haben. Die Lasten in der Gesellschaft sollten gleich verteilt sein. Schöne Geschenke wären auch Nähe und Zuneigung und ein Quäntchen Trost.
Bruckmann geht auch auf das Angebot "Wärmeinsel" ein. Von Mitte Januar bis 12. Februar wird es in Zusammenarbeit mit der Diakonie und katholischen Partnerinnen und Partnern vier Wochen lang eine Wärmeinsel im Jugendhaus am Markt 51 geben. Die Vesperkirche wird wegen zu hoher Energiekosten erst im März/April öffnen.
Die Menschen nehmen einiges auf sich, um hier dabei sein zu können
Nach dem offiziellen Programm, den Liedern und den Reden gibt's Kaffee, Christstollen und Plätzchen. Es ist Zeit zum Plaudern. Man merkt, wie wichtig die Feier für die Menschen ist und was sie dafür wohl gerne auf sich nehmen: Sie müssen sich nämlich zu bestimmten Zeiten anmelden, mit Leistungs- oder Rentenbescheid nachweisen, dass sie berechtigt sind.
Und sich dann auf einen nicht selten beschwerlichen Weg machen, mit Rollator oder Krücken und am Eingang nochmal zeigen, das sie zum Kreis der Berechtigten gehören. Das alles für maximal zwei Stunden Wärme und Weihnachtsstimmung.
Diejenigen, die mithelfen bei der Sozialweihnachtsfeier, gehen sicher mit einem Gefühl von Dankbarkeit heim zu Familie, Bescherung, einem schönen Essen. Das ist alles nicht selbstverständlich. Wer an Heiligabend als Helfer in die Stadthalle geht, spürt das ganz stark. Und bekommt auch ein Geschenk: die Erkenntnis, wie gut es einem geht.