Ins Frauenhaus ziehen: Für viele Frauen ist das oft die einzige Möglichkeit, einer gewalttätigen Beziehung zu entkommen und zur Ruhe zu kommen – und auch ihre Kinder aus einer belastenden Situation herauszunehmen. Sabine Dreibholz, die fachliche Leiterin des Frauenhauses und das Team versuchen, den Frauen und Kindern, die im Frauenhaus leben, so viel Normalität wie möglich zu ermöglichen. Es gibt Hausversammlungen, kleine Ausflüge, Ostern, Nikolaus und Weihnachten werden gefeiert. Ziel: Den Bewohnerinnen und ihren Kindern eine Atmosphäre zu bereiten, in der sie sich wohlfühlen. "Schutz heißt nicht nur ein Dach über dem Kopf zu haben", hat Sabine Dreibholz einmal gesagt. Wie wird Weihnachten im Frauenhaus gefeiert? Sabine Dreibholz hat einige Fragen für das Team beantwortet, Beate Erhart und Viktoria Spomer haben sich mit den Kinder unterhalten, Erna Brodt, Ute Trapp und Pauline Leicht mit den Frauen. Daraus ist der folgende Text entstanden.
Fragen ans Team: Wie versucht das Frauenhaus-Team, an solchen besonderen Tagen wie Weihnachten den Frauen und Kindern Freude und Wärme zu schenken?
Wir machen eine gemeinsame Weihnachtsfeier mit allen Frauen und Kindern. Zuvor haben wir mit den Kindern gemeinsam den Baum geschmückt. Wir versuchen, eine spannungsgeladene Stimmung aufzubauen, für alle einen Zauber zu entfachen. Es liegt etwas Geheimnisvolles in der Luft. Die Kinder (aktuell neun Monate bis 16 Jahre) und Mütter dürfen den Weihnachtsraum nicht betreten, bevor das Christkind nicht zum Eintreten geläutet hat. Kinder und Frauen erblicken den strahlenden Weihnachtsbaum mit den Geschenken darunter, ein Dachfenster steht noch offen, das Christkind ist gerade eben entflogen, der Wind weht hinein. Selbst ältere Kinder, die eigentlich nicht mehr an das Christkind glauben, wurden bisher von Zweifeln beschlichen. Ein Kind reckte sogar seinen Kopf aus dem Fenster und wollte das Christkind noch erhaschen.
Wie werden die Bewohnerinnen eingebunden?
Wir beteiligen die Bewohnerinnen am Fest, binden sie aktiv ein: Die Frauen bereiten ein Buffet vor, jede kocht etwas, was sie mag (wir erstatten die Auslagen). So kann jede Bewohnerin etwas aus ihrer Kultur zeigen, ihr Essen vorstellen. Manch eine erzählt dann auch von ihrem Brauch zu dieser Zeit. So ist es auch für uns Mitarbeiterinnen spannend. Oft zaubern die Frauen tolle Gerichte. Aber nicht jedes Mal, das hängt immer von den Frauen ab.
Wie erlebt das Team diese Zeit?
Nur drei Mitarbeiterinnen haben die Weihnachtszeit beziehungsweise ein gemeinsames Weihnachtsfest im Frauenhaus erlebt. Zweimal mal haben Lockdowns eine gemeinsame Feier unmöglich gemacht. Jede Familie feierte für sich. In diesem Jahr können wir endlich wieder gemeinsam ein Weihnachtsfest feiern und oben genannte Stimmung kreieren. Wir Mitarbeiterinnen sind zum Teil etwas angespannt ob der Vorbereitungen, der Erwartungen (es soll etwas Besonderes sein), aber auch der eventuell emotional aufgeladenen Stimmung bei manchen Frauen.
Ist Einsamkeit ein besonders großen Thema jetzt?
Es wird deutlicher, dass Frauen, die in kein soziales Netz eingebunden sind, auch in dieser Zeit eher in ein Loch fallen, sich einsam fühlen beim „Fest der Liebe“. Ich erinnere mich, wie ich oder eine Kollegin der einen oder anderen Bewohnerin die Tränen getrocknet haben.
Vermissen die Kinder den Vater?
Im Gegenteil: Zurzeit ist die Mehrheit der Kinder ob der Abwesenheit des Vaters eher entspannt. Sie haben vorher die angespannte Familiensituation erlebt, einige wurden selbst vom Vater geschlagen. Darum fühlen sie sich jetzt entspannt. Daneben tauchen auch ambivalente Gefühle auf: Gefühle der Trauer (dass sie keine heile Familie haben oder nie hatten), Gefühle der Sehnsucht (nach einer heilen Familie, so wie sie alle anderen scheinbar haben).
Was bedeutet die Weihnachtszeit überhaupt für Menschen aus anderen Kulturkreisen ?
Das Fest selber hat für die muslimischen Frauen keine Bedeutung, aber sie nutzen die Feiertage, um Verwandte zu besuchen und zur Ruhe zu kommen. Auch sie verspüren eine Sehnsucht nach Harmonie in der Familie. Bei den Frauen und Kindern aus Russland wird statt Weihnachten Silvester groß gefeiert (fast identisch mit Weihnachten in Deutschland), zum Beispiel gibt es auch Geschenke und Tannenbaum.
Fragen an Frauen und Kinder: Was ist das schönste für Euch an Weihnachten? Wie erlebt Ihr die Feiertage in einer neuen Umgebung?
Dass wir zusammen mit der Familie sind, Spaß haben, uns unterhalten. Tannenbaum, Schokolade und Geschenke sind natürlich eine schöne Sache. Eine Bewohnerin mit fünf Kindern (Baby und Kleinkinder) sagt: "Boah, überhaupt nach sieben Jahren wieder Weihnachten feiern zu dürfen! Wir fühlen uns hier zu Hause. Wir werden hier gut aufgenommen. Früher gab es keine richtige Weihnachtsfeier, da mein Mann Moslem ist. Es war keine Feier im Familienkreis möglich, er wollte keinen Kontakt zu meiner Familie. Jetzt habe ich endlich die Freiheit, mit meiner Familie (zusammen in der Großfamilie mit den Eltern und Geschwistern) zu feiern. Früher gab es nur Geschenke."
Eine andere Bewohnerin sagt: "Weihnachten ist mir egal, weil es für mich als Muslima nicht mein Fest ist. Der Weihnachtsmarkt gefällt mir, weil es mich glücklich macht, die fröhlichen Menschen dort zu sehen. Und die Weihnachtsfeier im Frauenhaus finde ich schön, weil wir alle zusammen sitzen, gemeinsam essen und reden."
Was wünscht Ihr Euch?
Alle Kinder nennen: Geschenke: Kleider, Süßigkeiten. Die Frauen wünschen sich: Freude, Entspannung (ohne an die Probleme denken zu müssen), Zeit genießen mit Familie und Freunden.
Frauenhaus für die Region Main-Rhön in Schweinfurt, Anschrift: Postfach 12 35, 97402 Schweinfurt, Telefon: (09721) 786030, Fax: (09721) 786033. E-Mail: frauenhaus.schweinfurt@t-online.de; Bürozeiten: Wochentags von 9 bis 18 Uhr. Außerhalb dieser Zeiten: Erreichbarkeit rund um die Uhr durch ehren- und hauptamtliche Mitarbeiterinnen. Spendenkonto: Sparkasse Schweinfurt, BYLADEM1KSW , DE37 7935 0101 0000 03231. Weitere Infos: www.frauenhaus-schweinfurt.de