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Schweinfurt
Von wegen wie Sand am Meer: Warum Baufirmen wie Glöckle aus Schweinfurt immer mehr auf R-Beton setzen
Sand wird knapp, weltweit. Der Hunger nach dem Rohstoff ist unermesslich, auch in der Baubranche. Doch die denkt gerade um. Und das hat nicht nur einen Grund.
Bis Frühjahr 2025 soll das Bürogebäude fertig sein, das zur Außenstelle des Finanzamts München wird.
Foto: Heiko Becker | Bis Frühjahr 2025 soll das Bürogebäude fertig sein, das zur Außenstelle des Finanzamts München wird.
Katja Beringer
 |  aktualisiert: 16.12.2023 02:51 Uhr

Besuch auf der Baustelle in der Wirsingstraße in Schweinfurt. Direkt neben dem Firmensitz von Glöckle wird gebaut. Hier entsteht bis Frühjahr 2025 das, was der Freistaat als neue Außenstelle des Finanzamts München anmieten will. In drei Stufen wird das ablaufen, erklärt Carolin Glöckle, geschäftsführende Gesellschafterin der Unternehmensgruppe. Am Ende werden hier 300 Finanzbeamtinnen und -beamte arbeiten. Besonders ist die Baustelle aber aus einem anderen Grund. 

Was Glöckle hier baut, ist ein Pilotprojekt in Sachen R-Beton. "Ressourcenschonender Beton", dem ein gewisser Anteil von recyceltem Bauschutt zugefügt wird. Und zwar in unterschiedlicher Körnung. So wird das zum Teil ersetzt, was weltweit immer seltener wird: Sand und Kies.

Wie Sand am Meer, könnte man meinen, gibt es die Körnchen, die in so vielem verarbeitet sind, was wir täglich nutzen: Glas, Beton, Häuser, Autobahnen, Brücken, Spiegel, Handys und und und. Allein in Deutschland werden 455 Millionen Tonnen Sand und Kies verbraucht, pro Jahr. In der Region Main Rhön sind es rund 2,5 Millionen Tonnen Sand und Kies; in der Region Schweinfurt allein 350.000 Tonnen im Jahr. Weltweit ganze 50 Milliarden.

Warum alle Wüsten der Welt das Problem nicht lösen

Die Ressource erschöpft sich. Vor allem der Bauboom und Küstenschutzmaßnahmen verschlingen Unmengen an Sand und Kies. Der wird nicht nur an Land abgebaut, sondern auch aus Flüssen und dem Meer gewonnen.

Glöckle setzt beim Bau der Außenstelle des Finanzamts München in Schweinfurt auf R-Beton. Nicht nur bei Stützen kommt der ressourcenschonende Beton zum Einsatz, wie Michael Gärtner, Bereichsleiter Schlüsselfertigbau, (rechts im Bild) zeigt. Dass dieser Stoff Zukunft hat, davon sind (von links) Christoph Schlegelmilch , Bauleiter Schlüsselfertigbau, Lukas Richter, Projektleiter Innovation und Entwicklung und Carolin Glöckle, geschäftsführende Gesellschafterin, überzeugt.
Foto: Heiko Becker | Glöckle setzt beim Bau der Außenstelle des Finanzamts München in Schweinfurt auf R-Beton. Nicht nur bei Stützen kommt der ressourcenschonende Beton zum Einsatz, wie Michael Gärtner, Bereichsleiter Schlüsselfertigbau, ...

Denn Sand ist nicht gleich Sand. Es kommt auf die Körnung an, und die ist höchst unterschiedlich. Wüstensand, der ja in rauen Mengen vorhanden wäre, ist zu feinkörnig und zu rund, um ihn beispielsweise für Beton zu verwenden. Was bleibt, sind Vorkommen, die langsam zur Neige gehen oder ausgebaut werden müssten. Wie in Grafenrheinfeld.

"Wir haben noch Sand für ein Jahr."
Carolin Glöckle, geschäftsführende Gesellschafterin der Unternehmensgruppe

Dort baut Glöckle den Rohstoff ab. "Wir haben noch Sand für ein Jahr", schätzt Carolin Glöckle, dann sind die bisherigen Vorkommen aufgebraucht. Schon seit 2022 muss man Sand zukaufen, aus über 300 Kilometern Entfernung anliefern lassen. Das Genehmigungsverfahren für eine Erweiterung der Abbaufläche in Grafenrheinfeld läuft.

Doch es gibt "viel Gegenwehr", sagt Glöckle. Die Chance, dass das Unternehmen die Genehmigung erhalten wird, hält sie zwar für "sehr hoch"; doch dann geht es ans eigentlich Eingemachte: Glöckle muss die Grundstücke noch erwerben. Vor zwei Wochen hatte Grafenrheinfelds Bürgermeister Christian Keller öffentlich dazu aufgerufen, nicht zu verkaufen.

Über kurz oder lang, da ist sich Carolin Glöckle sicher, werde man den Sand komplett extern beziehen müssen. Das alles ist sicher auch ein Grund, warum sich die Schweinfurter Baufirma seit März 2021 mit dem Thema R-Beton beschäftigt. Es geht um Versorgungssicherheit, darum, Ressourcen zu schonen, um Nachhaltigkeit, erklären Carolin Glöckle und Lukas Richter, Projektleiter Innovation und Entwicklung.

Was R-Beton aktuell in der Region billiger macht

Seit Juli 2022 stellt Glöckle R-Beton selbst her. Das Abbruchmaterial dafür kommt aus der Region, was den R-Beton hier - anders als in manch anderen Regionen - aktuell billiger macht als konventionellen. Den Beton verbaut Glöckle nicht nur selbst, man verkauft ihn auch. Doch bei den Kunden, vor allem Handwerkern, ist R-Beton nicht besonders gefragt. Noch nicht, meint Glöckle. Bestellt werde, was man kennt, erklärt Michael Gärtner, Bereichsleiter Schlüsselfertigbau.

Und nun? Ein Umdenken sei nötig, ebenso wie Vorgaben der Politik, sagt Glöckle. Doch auch die öffentliche Hand ist laut Richter zurückhaltend, was den Einsatz von R-Beton betrifft. Vorbild in dem Punkt: die Stadt Schweinfurt. Die habe schon erste Projekte in R-Beton ausgeschrieben. 

Warum Beton alleine nicht das Thema der Zukunft ist

Für Glöckle ist R-Beton ein großes Thema. Und das Bürogebäude, in dem einmal Finanzbeamte des Freistaats sitzen sollen, auch ein Testlabor. Hier wird R-Beton eingesetzt, wo es geht. In Stützen, Wänden und Unterzügen. 4500 Tonnen Beton werden für das 13.000 Quadratmeter große Gebäude verbaut, 20 Prozent davon sind R-Beton, sagt Christoph Schlegelmilch, Bauleiter Schlüsselfertigbau.

Die Unterschiede sind allenfalls auf den zweiten Blick erkennbar: die Stützen und Unterzüge des Gebäudes sind aus R-Beton - die Wände dazwischen aus Beton ohne Recycling-Anteile.  Zwischen den Fertigteilen wird allerdings auch R-Beton verfüllt.
Foto: Heiko Becker | Die Unterschiede sind allenfalls auf den zweiten Blick erkennbar: die Stützen und Unterzüge des Gebäudes sind aus R-Beton - die Wände dazwischen aus Beton ohne Recycling-Anteile.  Zwischen den Fertigteilen wird ...

Noch, so Michael Gärtner, sei R-Beton nicht überall einsetzbar, müssten auch Experten Erfahrungen sammeln –und Skeptiker überzeugt werden. Doch das Thema ist auch noch am Anfang. Dass es ein großes wird, davon ist man bei Glöckle überzeugt. Ebenso wie davon, dass nachhaltiges Bauen mit weniger Beton auskommen sollte. Ein Beispiel: das Pilotprojekt des Schweinfurter Bauunternehmens in Garching bei München; ein Hybrid-Bau aus Holz und Beton, mit dem Glöckle auf dem Klimafestival in Berlin vertreten war.

Was ist R-Beton?

R-Beton steht für ressourcenschonenden Beton, manche nennen ihn auch Recycling-Beton. Nach der deutschen Beton-Norm darf in ihm bis zu 45 Prozent recyceltes Material eingesetzt werden.  Technisch möglich und von manchen Firmen bereits umgesetzt, wären laut Glöckle-Vertreter Lukas Richter aber weit höhere Recycling-Anteile. 
So wird Bauschutt wieder in den Stoffkreislauf gebracht. 60 Millionen Tonnen Bauschutt fallen in Deutschland jährlich an. Ein großer Teil wird heute bereits im Straßenbau eingesetzt. Trotzdem wurde und wird ein großer Teil auf Deponien abgelagert, so Richter.
Rein optisch unterscheidet sich R-Beton kaum von anderem Beton. Allerdings kann die Färbung durch das nicht immer gleiche Recycling-Material unterschiedlich sein.
Beton besteht hauptsächlich aus Zement, Wasser und eben Gestein, also Sand und Kies. Letztere werden bei R-Beton teilweise durch Recycling-Material ersetzt. Dafür wird der Bauschutt gebrochen und gesiebt.
Auch wenn R-Beton Ressourcen schont, für das Klima ist Beton an sich schädlich. Vor allem ein Stoff ist daran schuld. Bei der Herstellung von Zement entstehen jede Menge CO2-Emissionen; zwei Drittel davon durch das Brennen von Kalkstein an sich. An diesem Punkt setzen Forscher an, wollen das CO2 in den Zementwerken abscheiden. Noch ist das allerdings Zukunftsmusik.
Quelle: kab
 
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Kommentare
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  • Cilli Mahler
    Wird Sand künstlich verknappt, um die Preise hochzutreiben?
    Um Häuser und Straßen zu bauen, brauchen wir Sand und Schotter.

    Wer nicht möchte, dass Straßen und Häuser weiter so gebaut werden, weil es nicht in seine Ideologie passt, wird sich für eine Vernknappung und Verteuerung dieser Resourcen aussprechen.

    Fakt ist: Auf der Erde sind Sand und Steine im Überfluss vorhanden.

    Man sollte sich immer die Frage stellen: Wem nützt es?
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  • Willi Rößner
    R-Beton ist wichtig für die Zukunft.
    Wohnungsbau, erneuerbare Energien usw. verbrauchen riesige Mengen an Baumaterial. Ein Windkraftwek der 7,2 MW- Klasse verbraucht für Fundament, Mast und Peripherieeinrichtungen mehr als 3.000 Tonnen Stahlbeton. Für die standfeste Kranfläche von ca. 2.000 qm werden zusätzlich nochmal weit über 3.000 Tonnen verdichteter Schotter benötigt.
    Das Recycling ist energieaufwendiger als Sand aus dem Kieswerk. Bei Energiebilanzen ist das mit einzubeziehen.
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