Die Führungskraft einer Verwaltung der Größe Schweinfurts wegen Untreue vor Gericht - das allein ist schon ungewöhnlich. Wenn dann ein Oberbürgermeister im Zeugenstand erscheinen muss und sich ein minutenlanges Rededuell mit dem Verteidiger liefert, ist es noch ungewöhnlicher. Und es ist ein Vorgang, den es so in Schweinfurt noch nie gab.
Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) liefert sich vor Gericht dieses Rededuell mit Anwalt Michael Schulze an diesem Mittwoch. Angeklagt: eine Person aus der Verwaltung, der der Leitende Oberstaatsanwalt Reinhold Emmert Untreue in fünf Fällen vorwarf. Es geht um insgesamt 787 Euro, unter anderem Tankbelege, die im Zuge der Geschäftsführertätigkeit für eine städtische GmbH mit der Firmenkreditkarte bezahlt worden waren. Die Staatsanwaltschaft hatte einen Strafbefehl beantragt, der Angeklagte Einspruch dagegen erhoben.
Kein Schuldspruch, sondern Einstellung des Verfahrens
Nach zweistündiger Verhandlung kommt der Richter zum Schluss: "Dass etwas nicht korrekt lief, ist für mich mit Händen zu greifen." Dennoch beendet er das Verfahren nicht mit einem Schuldspruch, sondern mit einer Einstellung nach Paragraph 153 a der Strafprozessordnung. Möglich ist dies, wenn Vergehen und Schuld nicht allzu schwer wiegen und die Auflagen in der gesetzten Frist erfüllt werden. Grundsätzlich ist der Fall damit abgeschlossen, es gilt weiter die Unschuldsvermutung.
Als Auflage muss der Angeklagte binnen sechs Monaten 5000 Euro an die Palliativstation des Krankenhauses St. Josef zahlen und auf Antrag des Staatsanwaltes die noch anhängige Kündigungsschutzklage zurückziehen. Dem stimmt er noch im Gerichtssaal zu.
Führungskraft nach wie vor in der Schweinfurter Stadtverwaltung tätig
Die Führungskraft war im Juli 2022 von ihren Aufgaben in der städtischen GmbH mit sofortiger Wirkung entbunden worden. Der OB hatte dies in einer nicht-öffentlichen Sitzung dem Stadtrat vorgeschlagen, dieser stimmte zu. Nach wie vor aber arbeitet die beschuldigte Person in der Verwaltung. Nach Informationen der Redaktion gibt es keine Hinweise auf Verfehlungen im Zuge ihrer Tätigkeit dort.
In Schweinfurt hatte der Fall gleichwohl im Sommer für erneutes Aufsehen gesorgt. Am 18. Juli 2022, so erklärt Remelé jetzt im Zeugenstand, sei er von Seiten eines Verantwortlichen in der fraglichen GmbH über die Vorwürfe informiert worden.
Bereits im Jahr 2021 hatte es Vorwürfe gegen andere Führungskräfte der Schweinfurter Verwaltung in einem völlig anders gelagerten Fall gegeben. Eine Person wurde später per Strafbefehl wegen 51 Fällen wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung und einer niedrigen vierstelligen Geldstrafe verurteilt. Das Verfahren gegen die zweite Führungskraft wurde nach Paragraph 153 a gegen Geldauflage eingestellt.
Befragung des Oberbürgermeisters durch den Anwalt löst Kritik aus
Der Auftritt jetzt vor Gericht war für den Oberbürgermeister kein angenehmer. Vom Anwalt des Angeklagten wurden Remelé viele kritische Fragen zu den Geschehnissen im Juli 2022 gestellt. Die Stimmung zwischen beiden war frostig. Und die Art der Befragung führte zu weiteren Wortduellen zwischen Oberstaatsanwalt Emmert und Anwalt Schulze.
Die Frage, ob der OB als Aufsichtsratsvorsitzender der betreffenden städtischen GmbH schon Monate vorher von den Vorwürfen hätte wissen müssen, steht bei der Verhandlung im Raum. Nachdem Remelé nach eigener Aussage im Juli 2022 von den Vorwürfen erfahren hatte, ließ er sich die dazugehörigen Unterlagen kommen und sie von einem Strafrechtler im Auftrag der Stadt prüfen. Am 25. Juli 2022 stellte der OB Anzeige wegen des Verdachts der Untreue.
Der Angeklagte selbst macht zur Sache keine Einlassungen. Eine damalige Mitarbeiterin der betroffenen GmbH, die vom zweiten Gesellschafter (neben der Stadt selbst) entsandt worden war, betont im Zeugenstand, man habe den Angeklagten mehrfach um die entsprechenden Belege gebeten, diese aber nicht bekommen.
Tankrechnungen und Bargeldabhebung in Italien - aber keine Reisekostenabrechnung gemacht
Neben Tankrechnungen aus Deutschland ging es auch um eine Bargeldabhebung in Italien. Insbesondere der Steuerberater der GmbH habe mehrfach gewarnt, im schlimmsten Fall könne aus seiner Sicht ein Verlust der Gemeinnützigkeit drohen. Das sei auch schriftlich klar kommuniziert worden, so die Zeugin.
Der Angeklagte hätte sich als Geschäftsführer der GmbH zwar nicht für Dienstreisen rechtfertigen müssen. Er hätte sie aber wie andere auch mit dem dafür vorliegenden Reisekostenformular abrechnen müssen, betont die Zeugin: "Für uns war es klar, dass das Geld wieder zurückgezahlt werden muss, weil die Ausgaben aus unserer Sicht nicht GmbH-relevant waren."
Die in Frage stehenden Summen sind zurückgezahlt worden. Die betroffene GmbH ist derzeit in Liquidation.
In einer früheren Version des Textes hieß es, ursprünglich sei eine Strafe von 130 Tagessätzen im Strafbefehl gefordert worden. Außerdem sei bis auf 44 Euro die in Frage stehende Summe zurück gezahlt worden. Auch habe der Anwalt dem OB vorgeworfen, bereits im Winter 2022 in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender Kenntnis von den Vorwürfen gehabt zu haben. Diese Passagen wurden aufgrund eines Hinweises des Rechtsanwalts der angeklagten Person verändert.
Peinlich für uns Schweinfurter!
Erklären Sie sich dochmal genauer! Es ist nur eines hier aufgezeigt: Frechheit siegt! Ich kann nur hoffen, daß in diesem Fall noch Rechtsmittel zulässig sind.
Sitzt der Richter dann zu richten,
Wird sich das Verborgne lichten;
Nichts kann vor der Strafe flüchten.
Wenn strafrechtlich relevant, warum Einstellung des Verfahrens?
Wenn nicht, warum überhaupt ein Verfahren?
Vorwürfe der Verteidigung an OB dementsprechend auch unklar.
Und insbesondere:
"Die betroffene GmbH ist derzeit in Liquidation."
Welche ist das denn?
Es muss doch eine städtische sein.
Frage an die Redaktion: stimmt das?
Hoffentlich löscht die Redaktion diesen Kommentar nicht wieder, da er nur um Aufklärung bittet - wird nun auch das unterbunden? Das ist nicht mehr meine Heimatstadt