An der Bundesstraße nach Maibach, ein paar Kilometer außerhalb von Schweinfurt, stehen in einer Kurve zwei große alte Lindenbäume, am sogenannten Seelenvater. Auf einer Bank dazwischen sitzt Thorsten Goetz, der sich gerade darüber ärgert, dass ein Patient ihm kürzlich bei einem Rettungseinsatz die Brille von der Nase geschlagen hat. Goetz, der von Beruf Sanitäter ist, steht der Frust buchstäblich ins Gesicht geschrieben.
Ein Grund, warum der 36-Jährige, der nicht zum ersten Mal für eine Wahl kandidiert, endlich politische Verantwortung übernehmen will. "Nicht nur jammern, sondern was ändern", sagt er. Dass die Chancen auch bei dieser Landtagswahl eher bescheiden aussehen, weiß Goetz selbst. Wichtig ist ihm die Kandidatur für die Bayernpartei dennoch. "Die Bayernpartei ist für mich noch immer eine der bodenständigsten Parteien."
Der 36-Jährige spricht während des Interviews viel von mangelnder Wertschätzung, die ihm in seinem Leben bisher begegnet sei. Angefangen bei der Schule, bei der er Probleme damit gehabt habe, sich im bayerischen Schulsystem zurechtzufinden. "Viele Schüler wurden und werden nicht so gefördert, wie wir es bräuchten", sagt Goetz. Deshalb setzt er sich für eine bessere individuelle Förderung ein, die mehr auf die Bedürfnisse der einzelnen Schüler eingeht und mehr Praxis vermitteln soll. Darüber hinaus wolle er Lehrkräfte besser anstellen lassen und sensibler gegenüber Mobbing schulen.
Eigenwillig, aber nicht extrem
Hinter dem Wunsch steckt der Gedanke, mehr Verantwortung übernehmen zu wollen und souveräner über die Politik vor der eigenen Haustür zu entscheiden. "Es ist leichter, 13 Millionen Menschen von einer Sache zu überzeugen, als 80 Millionen", glaubt Goetz. Ein unabhängiges Bayern hält der Schweinfurter daher für eine gute Möglichkeit, die Politik wieder näher an die Menschen zu bringen und mehr über den Einsatz eigener Steuergelder zu bestimmen.
Eine eigenwillige, aber deshalb noch keine extreme Position, meint er. "Nur weil wir aus der Bundesrepublik heraus wollen, heißt das noch lange nicht, dass wir alle Grenzen dicht machen wollen." Ein Europa der Regionen sozusagen. Dass eine unabhängiger Freistaat der Position Bayerns in einer globalisierten Welt schadet, glaubt Goetz nicht. Von anderen rechtskonservativen Parteien oder der AfD distanziert er sich scharf. "Die AfD ist eine NSDAP 2.0", sagt er.
Goetz: Mehr Klimaschutz und Wertschätzung
Doch das ist nicht das Einzige, was der 36-Jährige politisch verändern will. Ein souveräneres Bayern, glaubt Goetz, wäre auch ein fortschrittlicheres Bayern. Ausgerechnet beim Thema Klimaschutz, sagt Goetz, könnte Bayern durch eine Unabhängigkeit mehr leisten als jetzt. "Der Staat hat eine Vorbildfunktion."
Mehr Photovoltaikanlagen, mehr erneuerbare Energien und weniger Flächenversiegelung. Er halte es für Unsinn, dass in Oberndorf wertvolle Ackerfläche für einen weiteren Discounter geopfert werden solle. Windräder wiederum halte er nur in Kombination mit anderen Energieträgern für sinnvoll. Goetz ist überzeugt: "Wenn wir als Bayern eigenständig darüber entscheiden könnten, welche Unternehmen und Entwicklungsprogramme wir unterstützen, helfen wir auch den anderen."
Dass Bayern sich mit seiner bisherigen Klimapolitik nicht gerade als leuchtendes Vorbild hervorgetan hat, obwohl das Land durchaus über die entsprechenden Kompetenzen verfügt, führt Goetz nicht auf eine mangelnde Mehrheit im Land, sondern auf die bisherige Landespolitik zurück. Auch in der Gesundheitspolitik wünscht sich der Rettungssanitäter mehr Mitbestimmungsrecht und einen anderen Umgang.
Trotz geringer Chancen optimistisch
Aufgrund seiner Erfahrungen, die er in seinem Job gesammelt hat, sieht er große Probleme im Gesundheitssektor. So fehle es an Fachkräften im Rettungsdienst und auch am achtenden Umgang mit denen, die noch darin arbeiten. "Es wäre schön, wenn Sanitäter vom Staat mehr wertgeschätzt würden." Nicht nur, was den Lohn betrifft. Mehr Kompetenzen und mehr zugestandenes Vertrauen, was Einsätze belangt, sagt er. Zudem sei es schwer, in Bayern eine hauptamtliche Stelle als Rettungssanitäter zu finden.
Was die Wahl am 8. Oktober betrifft, gibt sich Goetz trotz aller Erfahrung in den vergangenen Jahren optimistisch. Bis zur Wahl möchte er die Zeit dafür nutzen, um mit den Menschen persönlich an seinem Infostand in Schweinfurt ins Gespräch zu kommen.