
2014, als Russland die Krim annektiert, flieht Jana Mamont vor Putins Panzern nach Kiew. Acht Jahre später schlagen dort Putins Raketen ein. Freunde sterben, Familien werden ausgelöscht, Häuser zerbombt. Die 52-Jährige flüchtet nach Deutschland, lebt seit zwei Monaten in Schweinfurt. Hier bangt sie um das Leben ihrer zurückgebliebenen Verwandten und trifft auf Russlanddeutsche, die Putins Krieg loben. "Das hat mich richtig empört."
Die Stimmung ist beklemmend, als Jana Mamont ihre Geschichte erzählt. Sie ist Gast bei der Diskussionsrunde "Wie weit reicht Putins Propaganda", zu der die Paneuropa Jugend (PEJ) Unterfranken ins Weingut Meusert in Fahr eingeladen hat und die live auf Facebook gestreamt wird. Auf dem Podium sitzen der in Schweinfurt lebende russische Oppositionelle Alexej Schwarz, die Dolmetscherin Kornelia Schistka-Streck mit ukrainisch-russischen Wurzeln, Albina Baumann für die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland und der Volkacher Bürgermeister Heiko Bäuerlein (CSU), der selbst eine ukrainische Flüchtlingsfamilie aufgenommen hat. Schweinfurts Oberbürgermeister Sebastian Remelé wird mit einer Videobotschaft zugeschaltet. Moderiert wird die Diskussionsrunde von Daniel Nagl, dem PEJ-Regionalbeauftragten Unterfranken.

Noch während Jana Mamont ihre Geschichte erzählt, gibt es erste "unerfreuliche Kommentare" auf der PEJ-Facebookseite. "Alles ausgedacht", schreibt eine Userin.
Als Alexej Schwarz berichtet, wie er vom kritischen Wissenschaftler zum staatlich verfolgten Oppositionellen wurde, bekommt er sogar direkt auf sein Smartphone böse Kommentare. Eine Zimmernachbarin aus dem Schweinfurter Spätaussiedlerheim, in dem er in den ersten Wochen nach seiner Flucht aus Russland gelebt hat, beschimpft ihn als Lügner.
"Schöne Grüße aus der Troll-Fabrik", kommentiert Moderator Nagl diese Beiträge. Laut einer von der britischen Regierung finanzierten Studie setzt Russland eine Troll-Fabrik ein, um Lügen in den sozialen Medien zu verbreiten und die öffentliche Meinung weltweit zu manipulieren. Influencer werden angeblich dafür bezahlt, auf Twitter, Facebook, YouTube oder Tiktok Kreml-Propaganda zu verbreiten.
Viele persönliche Freundschaften sind zerbrochen
"Es gibt diese Leute", weiß Albina Baumann, "die versuchen sich bei Podiumsdiskussionen einzuklinken." Und es gebe Kräfte, die versuchten, hier lebende Russlanddeutsche zu instrumentalisieren und zu prorussischen Demonstrationen zu lenken. Die Vertreterin der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland warnt aber davor, pauschal Russlanddeutsche als prorussisch abzustempeln. Aus ihrer Sicht sind es nur wenige, die Putins Vorgehen gutheißen, die meisten seien gegen den Krieg.
Dass die russische Propaganda durchaus verfängt, weiß hingegen Dolmetscherin Kornelia Schistka-Streck. Der Krieg hat ihr Leben völlig auf den Kopf gestellt. Viele ihrer persönlichen Freundschaften mit Russlanddeutschen sind zu Bruch gegangen. Anfänglich habe sie noch versucht, Überzeugungsarbeit zu leisten. Doch inzwischen haben sich die Wege getrennt. Selbst zur Schwiegermutter in Russland gebe es keinen Kontakt mehr.

Alle Podiumsteilnehmer sind sich einig, dass die Putin-Befürworter in einer Blase leben. Alexej Schwarz und Kornelia Schistka-Streck sagen, weil 95 Prozent der Spätaussiedler hierzulande nur russisches Staatsfernsehen anschauen würden, lassen sie sich manipulieren. Das bestreitet Albina Baumann und zitiert eine 2022 veröffentlichte Studie, nach der nur fünf bis zehn Prozent der Spätaussiedler der russischen Propaganda verfallen. Sie vergleicht sie mit "Scheidungskindern", denen jahrelang ein großes, gutes Russland vorgegaukelt worden sei und die jetzt erfahren müssten, dass alles schlecht war. Das sei schwer zu ertragen.
Bürgermeister Heiko Bäuerlein kennt Menschen mit einer Russlandflagge im Profilbild und hat auch schon Diskussionen mit Putin-Befürwortern geführt, die von der Befreiung der russischen Bevölkerung in der Ukraine sprechen. Die Aussagen dieser Leute seien "erschreckend".
Jana Mamont kann diesen Menschen erzählen, wie es wirklich war. Sie wurde auf der Krim geboren, als die Ukraine noch sowjetische Republik war. Ihre Muttersprache ist Russisch. Bis 2014, als Putin die Krim annektierte, habe es keine Probleme zwischen der russischsprachigen Bevölkerung und den West-Ukrainern gegeben. "Niemand hat uns unterdrückt, davon habe ich nichts gespürt."
Dass Putins Propaganda bis nach Deutschland wirkt, hat auch Oberbürgermeister Sebastian Remelé in Schweinfurt festgestellt. "Der Krieg polarisiert", sagt er in seiner Videobotschaft. Man stehe nun vor der großen Herausforderung, den Dialog zwischen den verschiedenen Ethnien zu führen.

Darin sieht auch die Paneuropa-Union ihre Aufgabe. "Wir stehen für den Abbau der Bedeutung der Nationalitäten", erklärt Moderator Nagl die Ziele der ältesten noch bestehenden europäischen Einigungsbewegung. Die frühere Sowjetunion sei als Staatsgebilde mit vielen Nationalitäten diesen Zielen sogar ganz nahe gewesen. Das kann Ludmilla Eisenbraun bestätigen. Die 82-jährige Diskussionsteilnehmerin ist auf der Krim geboren, wuchs in Deutschland auf und lernte als 50-Jährige erstmals die frühere Heimat kennen. "Mich hat beeindruckt, wie wenig die Nationalität dort von Bedeutung war."
Nationalität soll nicht mehr das trennende Kriterium sein
Doch wie schafft man es, dass die Nationalität nicht mehr das trennende Kriterium ist? "Im Fall der Deutschen aus Russland wird es schwierig", sagt Albina Baumann ganz offen. Denn gerade von ihrer Klientel sei deutscher Nationalstolz verlangt worden, um zurück in die Heimat kommen zu dürfen. Diesen jetzt abzulegen, das funktioniere nur bei der jüngeren Generation, die sich schon als Europäer fühle.
Auch Kornelia Schistka-Streck hält es gerade im Angesicht des Krieges für schwierig, dass Ukrainer ihre Nationalität keine Bedeutung mehr beimessen sollen. "Die Ukraine ist ein Volk mit eigener Sprache, eigener Kultur, eigenen Bräuchen."

Albina Baumann meint: "Wir müssen ganz unten anfangen und die Leute miteinander ins Gespräch bringen." Es sei wichtig, die Zweifler an die Hand zu nehmen, damit sie nicht Putins Propaganda verfallen. Sie würde sich wünschen, dass sich Putins System auflöst und dass sich die Ukraine und Russland – ähnlich wie die Heimatvertriebenen – in einer gemeinsamen Charta zum Frieden bekennen.
Bürgermeister Heiko Bäuerlein hofft, dass die Flüchtlinge aus der Ukraine möglichst schnell die deutsche Sprache lernen, um aus erster Hand erzählen zu können, was in ihrer Heimat geschieht. Er sieht es als Jahrhundertaufgabe an, die Nationen wieder zu versöhnen.
"Putin-Denker" ...
Die einen (AfD) stellen die EU in Frage und die anderen (Links-Partei) stellen die NATO in Frage.
Beides im Sinne von Moskau.
Denn was nützt Putin mehr als wie ein zerstrittenes Europa bzw. ein nicht vorhandenes Verteidigungsbündnis, die ihm bei einer Nichtexistenz nicht auf die Finger schauen würden.
Man sollte nicht so naiv sein und denken dabei ging es um Menschenrechte.
Wir im Westen fühlen uns moralisch überlegen. Auch hier sind wir der Propaganda ausgesetzt. Dazu gibt es auf YouTube einen guten Vortrag von Daniele Ganser.
Wer ist denn 1979 in Afghanistan einmarschiert und hat versucht, sich dieses Land einzuverleiben, mit der Hauptgrund dafür, dass dieses Land bis heute nicht zur Ruhe kommt?
War das die NATO oder was das die Sowjetunion?
haben schon lange unsere AfD, die Front Nationale in Frankreich, den Trampel in Amerika und viele andere Demokratiefeinde in unserer westlichen Welt unterstützt und finanziert.
Leider haben die demokratischen Staaten nicht wirklich was daraus gelernt und entsprechende Gegenmaßnahmen und Aufklärungen betrieben.
Die Leute, die Ukrainisch und Deutsch bereits können und bereit sind freiwillig zu dolmetschen, existieren schon. Man bräuchte nur Bock darauf, zuzuhören.