In die letzte Etappe ist die Sanierung der Sattler-Altlast gestartet: Seit vergangener Woche wird das letzte Schadensfeld der größten bewohnten Altlast Bayerns bearbeitet. Bis Juni/Juli sollen zwischen Sattlerstraße und Hegholz 20 000 Tonnen kontaminierter Erde ausgetauscht werden.
Es handelt sich um einen Sonderfall der Altlast: Im Boden befinden sich nicht nur Schwermetalle aus der Sattlerschen Farbenproduktion sondern auch Rückstände aus einem jahrzehntelangen Betrieb einer Reinigung, die nach dem Zweiten Weltkrieg dort eröffnet worden war.
Aus dem Betrieb der Reinigung, die unter anderem nach dem Weltkrieg Uniformen der US-Army gesäubert hat, sind Leichtflüchtige Chlorierte Kohlenwasserstoffe (LCKW) in den Boden gelangt, der schon mit Kadmium, Blei und anderen Schwermetallen aus der Sattler-Fabrik verseucht ist. Seit vergangenem Donnerstag zieht nun ein Bohrer Kubikmeter für Kubikmeter des belasteten Bodens aus dem Untergrund.
„Das ist der anspruchsvollste Teil“ der Sanierung, sagt Thomas Benz vom Landratsamt, das für die Arbeiten zuständig ist. Denn die flüchtigen LCKW können ausgasen und so in die Umgehung gelangen. Deswegen hat man die Wintermonate für die Arbeiten ausgewählt, weil die Verflüchtigung mit der Außentemperatur abnimmt. Und deswegen gibt es an der Baustelle eine Reihe von Schutzmaßnahmen, um die Erde so kurz wie möglich der Luft auszusetzen.
Wie schon beim Bodenaustausch im Hauptschadensgebiet an der Sattler- und Werlingstraße frisst sich ein Bohrer in den Boden, um die Schadstoffe zu bergen. Anhand von Koordinaten aus einem elektronischem Vermessungssystem kann die Maschine jeden der über 900 definierten Bohrpunkte fast zentimetergenau ansteuern. Hat der Bohrbehälter wieder die Oberfläche erreicht, fährt ein Radlader heran, der das Erdreich aufnimmt und in einen der flachen, grünen Container kippt.
Die Schaufel des Radladers hat eine Klappe, die sich schließt, sobald das Material abgeladen ist; auch der Container hat einen Deckel, die zwei Mitarbeiter mit Atemschutzmasken nach jeder Ladung wieder verschließen. Zwei riesige Schläuche saugen die Luft aus dem Behälter ab.
„Der Anwohnerschutz ist das höchste Gut“, betont Benz, zumal die Maschinen bewohnten Häusern sehr nahe kommen. In Intervallen messen Experten, wie viel krebserregende LCKW die geborgenen Böden nach außen abgegeben. Am Dienstag lagen die Werte bei 4,7 ppm (parts per million, also Teile von einer Million). Zum Vergleich: das Kohlendioxid in der Luft hat einen Wert von 300 ppm. Auch rund um die Baustelle sind Messgeräte aufgebaut. „Es gibt keine sensorischen Auffälligkeiten“, sagt Benz.
Anders als bei der reinen Schwermetallsanierung wird die Erde nicht zum Beproben in die Deklarationshalle zur Rothmühle gebracht. Das Areal ist vor Ort getestet und in mehrere Dutzend so genannter Polygone eingeteilt und diese wiederum in Schadensklassen: Nach diesen Klassifizierungen wird entschieden, wo und wie die Erde entsorgt wird. Die Chargen aus den „Hot-Spots“ werden verbrannt, und die Schlacke wird deponiert. Der in dieser Woche gehobene Boden entspricht der mittleren Schadensklasse drei und landet auf einer Spezialdeponie des Bayer-Konzerns in Leverkusen. Transportiert wird er in jenen grünen Containern mit der Klappe.
Derweil laufen trotz Temperaturen um den Gefrierpunkt herum die Arbeiten am städtebaulichen Umbau weiter. Derzeit pflastern Arbeiter den Rand der Parkplätze die an der neu zu bauenden Verlängerung der Werlingstraße zum Bauhof entstehen werden.
Einige Teilprojekte liegen auf Eis: Die letzten Reihen der gewaltigen, 700 Tonnen schweren Natursteinwand, die dem Bach Steinach eine neue Optik verleihen sollen und zudem dem Hochwasserschutz dient, fehlen noch. „Bis Februar sind alle Steinbrüche geschlossen“, erklärt Benz. An Material kommt man nicht heran.
Wegen dieser Mauer ist auch der Städtebauplan etwas in Bedrängnis gekommen: Sie sollte nicht in der jetzigen Länge gebaut werden; aber die bisherige Betoneinfassung der Steinach war so marode, dass die Gemeinde dem Neubau zustimmte. „Die Zeitpuffer sind aufgebraucht“, räumt Thomas Benz ein, dennoch soll das Gesamtprojekt in diesem Jahr abgeschlossen werden. Dies ist für die Gemeinde Schonungen entscheidend, will sie keine Fördermittel verlieren.
Insgesamt sechs Wohnhäuser sind der Altlast gewichen. Eine Familie hat sich entschieden, ihr neues Heim wieder an Ort und Stelle aufzubauen. Derzeit, so Benz, regle man noch die Geländeanpassung und die Lage der Hausanschlüsse. Im Frühjahr sollen die Maurer anrücken. Dann beginnt für die Familie der erste Schritt in die neue Zukunft. Auch sonst machen aus Benz' Anschauung immer mehr Menschen Pläne für das Noch-Altlastengebiet, dessen Parzellen seit der Entdeckung der Verseuchung im Jahr 2000 auf einen Schlag wertlos geworden waren: „Der Grundstücksmarkt zieht wieder an.“