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Schweinfurt
Über 50.000 Euro verloren: Rentner aus dem Landkreis Schweinfurt warnt vor "Höhle der Löwen"-Abzocke
Er wollte seine Ersparnisse fürs Alter mit Bitcoin aufbessern. Warum ein Rentner nicht nur viel Geld verlor, sondern Ärger mit der Polizei hatte.
Mit einer Investition in die virtuelle Währung Bitcoin das Zehnfache verdienen: Einem Rentner aus der Region Schweinfurt wurde das versprochen. Er warnt nun vor der Abzocke, die hunderte Menschen in ganz Deutschland betraf. 
Foto: Getty Images | Mit einer Investition in die virtuelle Währung Bitcoin das Zehnfache verdienen: Einem Rentner aus der Region Schweinfurt wurde das versprochen.
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 25.01.2024 02:54 Uhr

Es begann mit einem guten Gefühl. Ein Gefühl von Neugier, gepaart mit dem Reiz, zu Geld zu kommen. Und vor allem: dem Gefühl von Sicherheit. Schließlich warben seriöse Geschäftsleute für das Angebot. Bekannt aus der Fernsehsendung "Höhle der Löwen" oder sogar aus der Politik. Warum sollte es nicht stimmen, dass der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz in die Kryptowährung Bitcoin investiert, wie in der Anzeige beschrieben?

Kurt M. ist Rentner, lebt im Landkreis Schweinfurt. 73 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder. Ein ganz normales, zufriedenes Leben. Er hat ein bisschen gespart für den Ruhestand. Als er die Anzeige im Internet sieht, denkt er sich nichts Böses: "Höhle der Löwen"-System macht Deutsche Bürger reich!" heißt es da, auf dem Bild ist die Investorin Judith Williams zu sehen. Als dann auch noch Friedrich Merz als vorgeblicher Unterstützer genannt wird, "dachte ich, dann muss das doch was sein, was wirklich funktionieren kann", erinnert sich Kurt M. Und fügt nach einer kurzen Pause an: "Und darauf bin ich hereingefallen."

Der Fall begann im Sommer 2022. Im Nachhinein ist es atemberaubend zu sehen, mit welcher Geschwindigkeit und wie perfide Kurt M. in ein Betrugsnetz hineingezogen wurde, aus dem es schwer war, sich zu lösen. Erst als binnen drei Wochen rund 50.000 Euro weg und von den vorgegaukelten Gewinnen nichts zu sehen war, stoppte M. das Geschehen, ging zur Polizei und schaltete den Schweinfurter Anwalt Jürgen Scholl ein.

Von Cybercrime sind bundesweit hunderte Menschen betroffen

Was Kurt M. widerfahren ist, ist kein Einzelfall. Es gibt Hunderte Fälle bundesweit mit den gleichen Merkmalen: ein gefälschter Zeitungsartikel, das Versprechen, mit Krypto-Trading reich zu werden, Kontakt über Telefon mit echten Menschen und über WhatsApp. Garniert mit einer Fernwartungssoftware auf dem Computer des Betrugsopfers, einer falschen Broker-Plattform und den Versuchen der Kriminellen, kurz vor anvisierten Auszahlungen immer noch mehr Geld von den Betroffenen zu holen. Die Dunkelziffer dürfte hoch sein, viele zeigen die Fälle aus Scham gar nicht an.

Mittlerweile gibt es zahlreiche Artikel im Internet, die genau davor warnen. Leider nicht vor eineinhalb Jahren. Denn eines kann man nicht sagen: Dass Kurt M. nicht skeptisch war. Jürgen Scholl hatte verschiedene Mandanten, die Opfer von Cyber-Betrug wurden. Für ihn als Anwalt unverständlich ist, dass sie sich darauf einließen, keinen schriftlichen Vertrag abzuschließen, in dem klar kommuniziert ist, wie die Anlagevermittlung gestaltet ist und mit welchem Unternehmen man konkret den Vertrag schließt bzw. welche Sicherheiten es für die Rückzahlung der Gelder gibt. Im Fall von Kurt M. sagt er aber auch „Das Spinnennetz klebt dich so fest, dass du da fast nicht mehr herauskommst.“

M. klebte, um im Bild zu bleiben, ab der Sekunde im Spinnennetz, als er auf die Anzeige im Internet klickte und seine E-Mail und seine Handynummer preisgab. Er überwies die geforderten 250 Euro für eine erste Beratung und wurde prompt kontaktiert. Zunächst rief ihn eine Frau aus Köln an, erklärte die Details, wies ihn in eine Trading-App ein und versprach hohe Gewinne: Aus 10.000 Euro sollten 100.000 werden.

Screenshot einer Seite im Internet mit der Anzeige im 'Höhle der Löwen'-Design, hinter der die Betrugsmasche steckt.
Foto: Oliver Schikora | Screenshot einer Seite im Internet mit der Anzeige im "Höhle der Löwen"-Design, hinter der die Betrugsmasche steckt.

Die angegebenen Firmennamen der Trading-Plattformen waren echt

M. ließ sich darauf ein, blieb aber trotzdem skeptisch: Er überprüfte die genannten Firmennamen, Novo Trade Group und Kraken.com. Vor allem die letztere ist eine seriöse, aus den USA stammende Handelsplattform. „Ich habe Kraken mit meinem Sohn gegoogelt, und das ist astrein gewesen. Wäre dort gestanden, da passt was nicht, hätte ich es nicht überwiesen“, erzählt M.

Auch in den folgenden Tagen, als die Kommunikation per WhatsApp und Telefon mit einer Frau mit österreichischer Nummer erfolgt, bleibt M. skeptisch. In WhatsApp-Chatverläufen, die der Redaktion vorliegen, ist von seiner Seite aus sogar Folgendes zu lesen: „Ich glaube, ich werde über den Tisch gezogen. Das sieht nach Abzocke aus.“

Doch die Betrüger sind mit Skepsis bei ihren Opfern offenbar sehr gut vertraut und wissen genau, was zu tun ist: Die Frau schickt einen amtlichen Ausweis, sie zeigt ihm sein virtuelles Konto, sie bestätigt ihm immer und immer wieder, dass er Gewinne erwarten dürfe, wenn er nur diese eine Überweisung noch vornehme. Alles zu sehen im WhatsApp-Chat. Wenn es besonders kritisch scheint, kommen gleich mehrere Nachrichten pro Stunde.

Kurt M. weiß, dass er einen großen Fehler gemacht hat. Aber: „Sie hat mich überzeugt, es gibt ja nur gute Menschen, das habe ich früher in der Jugend auf dem Land so gelernt, in dem Dorf, aus dem ich stamme.“

Schließlich platzt die Seifenblase. Doch die Probleme beginnen jetzt erst richtig, und damit ist nicht gemeint, dass M. seine Ehefrau informieren musste. Im Verlauf der drei Wochen war er von den Betrügern aufgefordert worden, Geld im vierstelligen Bereich, das auf sein Privatkonto von mehreren ihm völlig unbekannten Personen überwiesen wurde, sofort an eine von den Betrügern genannte Firma zu überweisen.

Ermittlungen wegen Geldwäsche wurden mittlerweile eingestellt

Deklariert war das Ganze als Einzahlung auf sein Trading-Konto, nachdem er signalisiert hatte, dass er über keine weiteren liquiden Mittel verfüge. „Ich habe die Belege ausgedruckt, fotografiert und sofort per WhatsApp weitergeschickt, dass es überwiesen ist“, erzählt M. Die Firma, an die das Geld ging – das ergaben die Recherchen von Anwalt Scholl – ist eine Briefkastenfirma in der Karibik auf St. Vincent und den Grenadinen. Die Chancen, jemals das verlorene Geld wiederzubekommen: nahe null.

Der Schweinfurter Rechtsanwalt Jürgen Scholl hat mehrere Mandanten, die von Cybercrime betroffen sind.
Foto: Anand Anders | Der Schweinfurter Rechtsanwalt Jürgen Scholl hat mehrere Mandanten, die von Cybercrime betroffen sind.

Die Bank von Kurt M. allerdings meldete sich nicht sofort nach der Überweisung, sondern erst Wochen später mit dem Verdacht der Geldwäsche. Zu allem Überfluss bekam M. von einer bundesweit tätigen Kanzlei ein Schreiben mit der Aufforderung, das von der Mandantin dieser Kanzlei an ihn überwiesene Geld zurückzuzahlen. Diese sei nämlich Opfer eines Internet-Betrugs. Genauso wie Kurt M., was Anwalt Scholl entsprechend darlegen konnte.

Mittlerweile ist auch das zweite Damoklesschwert nicht mehr im Raum: Die Ermittlungen wegen Geldwäsche durch die Staatsanwaltschaft wurden eingestellt. M. und seine Ehefrau hatten nämlich auch eine Vorladung von der Kriminalpolizei bekommen: Verdacht der Geldwäsche wegen der von der Hausbank bemängelten Überweisungen. Der nächste Schrecken in diesem Fall, bedingt durch eine Verschärfung des Geldwäschegesetzes.

Anzeige für den Anbieter Instagram über den Consent-Anbieter verweigert

Betrugsopfer Kurt M. will andere Menschen vor der Masche warnen

Kurt M. hat den Schock aus dem Sommer 2022 mittlerweile verarbeitet, ist mit seiner Familie im Reinen. Er will warnen, damit es anderen nicht genauso passiert. Sein Anwalt begrüßt das: „Es waren die Ersparnisse für sein Alter, er wollte für sich und seine Frau gewappnet sein. Man sieht die Gesichter aus dem Fernsehen, auch wenn die Werbung mit ihnen illegal ist. Bitcoin, das klingt modern. Warum soll ich immer nur 0,1 Prozent Zinsen auf dem Sparbuch bekommen? Man drückt auf den Knopf, jedes Misstrauen bekommt tausende Erklärungen und Antworten. Und dann macht es Bäng und alles ist weg.“

Jürgen Scholl hat in seinem Namen Strafanzeige gegen unbekannt gestellt, auch wenn die Ermittlungen Jahre dauern könnten und eine Verurteilung der Täter unwahrscheinlich ist. Im November 2023 warnte im übrigen auch Höhle-der-Löwen-Investorin Judith Williams auf ihren Social-Media-Accounts selbst vor Abzocke-Maschen durch Werbung mit ihrem Bild. Rechtliche Schritte seien eingeleitet worden.

 
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  • Hans-Martin Hoffmann
    Immer wenn ich irgendwo Bitcoin lese

    sträuben sich bei mir die Nackenhaare.

    Es gibt ein paar Leute, die sich damit auskennen, und der Rest nicht. Nicht-Insider sollten besser ihre Finger davonlassen, ansonsten legen sie selber den Grundstein zum Abgezockt-Werden. Wer natürlich denkt, "No risk, no fun": bitte schön.
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  • Alfred Neumann
    "In Werbeanzeigen stehen nur richtige Dinge und das geschriebene kann man für bare Münze nehmen." Nepper, Schlepper, Bauernfänger begann in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts im linearen Fernsehen ausgestrahlt zu werden. Also informiert sein könnte man schon länger als zwei Jahre,
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  • Herbert Zorn
    Ihr seid ja alle sssoooo klug, vom 1. bis zum 6. Kommentar!
    Was ist den ein "linearen Fernsehen"?
    Wir hatten schon in den 70er-Jahren ein Fernsehen mit 3-dimensionalen Bildschirm (also Breite-Höhe-Tiefe(m.Bildschirmröhre)) und nicht ein Linien-Bildschirm. Auf der Linie kann man doch eh nichts erkennen.
    Also Ihr Klugköpfe, erzählt man ordentlich was Ihr meint und macht den Herrn K.M. nicht so nieder. Er hat den Mut sein Mißgeschick hier aufzuzeigen um andere Menschen zu warnen.
    Danke, Her Kurt M.!!!
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  • Andreas Graf
    😅
    lineares fernsehen ist das laufende fernsehprogramm.
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  • Thorsten Rösch
    Der Begriff lineares Fernsehen wird verwendet, um die "traditionelle" Art des Fernsehkonsums zu beschreiben, bei der ein Programm zum Zeitpunkt seiner Ausstrahlung angesehen wird....findet man in google recht schnell.
    Ich würde auch nicht den Begriff niedermachen sondern eher mit der Realität konfrontieren verwenden. Schönen Abend noch... zwinkern)
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  • Andreas Neinhardt
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  • Thorsten Rösch
    Die Masche mit „der Höhle der Löwen“ läuft bereits seit über 2 Jahren und ist im web vor allem in den Anzeigenbereichen sehr präsent.
    Es gibt aber anscheinend immer noch Unkundige, die hoffen hier den Schnapper ihres Lebens zu machen und über Nacht mit ein paar Euros Einsatz so richtig abzusahnen.
    Wenn das funktionieren würde hätten die Werbetreibenden ja gar keinen Grund so aggressiv zu werben, würden selbst auf die Erfolgswelle ihres Anlagemodells aufspringen und sich dumm und duselig verdienen.
    Frage mich zwar auch warum noch keiner von den HdL Darstellern so richtig dagegen vorgeht aber ich kenne die Vorgeschichte nicht.
    Leider wird der Verstand und die gesunde Menschenkenntnis bei solchen utopisch klingenden Gewinnversprechen ausgeschaltet und die Gier gewinnt.
    Hoffe trotzdem, daß die Geschichte für den Rentner gut ausgeht und er nicht auf allen Kosten sitzenbleibt, was aber wohl der Fall sein wird, da das Geld längst auf den Kaiman inseln ist..
    in diesem Sinne
    Viel Glück!
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  • Stefan Gläßer
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  • Norbert Eusemann
    In den sozialen Medien werben angeblich Prominente täglich unter Vorgabe einer falschen Identität. Für jeden Mist gibt es bei uns Gesetzte, Kontrollen und Prüfungen. Aber hier werben Betrüger monatelang ungestört und legen rechtschaffene Leute aufs Kreuz. Selbst wenn man solche Stellen meldet, passiert nichts. Wo ist eine Anlaufstelle, bei der man, im Bedarfsfall auch gegen Geld, so etwas checken lassen kann.
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  • Andreas Neinhardt
    Ich bin schon lange Fan von DHdL und kann mich nicht erinnern das ein Investor in Bitcoins investierte.....
    Einfach vorher mal im Netz schlau machen bevor ich mich auf so etwas einlasse.
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  • Edith Kram
    @GF: Wie viele Leser mag es wohl geben, die froh wären, mal eben 50 Tausend Euro so nebenbei für Spekulationen verwenden zu können?

    Ist es schlichtes Unwissen, Naivität oder einfach nur die Gier mancher Menschen, sich auf so etwas einzulassen?

    Mal absehen davon, dass die Justiz sind daran abarbeitet, gegen Hassreden oder dergl. im Netz vorzugehen, so sind wir in Deutschland das Schlaraffenland für die Täter. Von Datenschutz bis zur fehlenden Vorratsdatenspeicherung - wir machen es diesen Kriminellen zu leicht.

    Und am Ende ist die Polizei der Buhmann, wenn der/die Täter nicht ermittelt werden.

    Warum wird Werbung dieser Art nicht von vorne herein verboten oder unter Strafe gestellt?
    Wo bleibt der Persönlichkeitsschutz der Leute, deren Bekanntheit hier offensichtlich mißbraucht wird?

    Der Gesetzgeber und die Justiz müssen endlich was tun!

    Auch wenn sich mein Mitleid für den 73jährigen in Grenzen hält.
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  • Herbert Zorn
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