
Wer sich mit Diäten auskennt, kennt den Begriff des Jo-Jo-Effekts: Kaum ist das Fasten vorbei, melden sich die mühsam verdrängten Pfunde zurück. Beim Blick auf den Schuldenstand der Stadt Gerolzhofen ist Ähnliches zu beobachten. Die roten Zahlen haben sich in den vergangenen Jahren verringert, doch ab diesem Jahr holen die Schulden die Stadt erneut massiv ein. Dies ist eine Erkenntnis aus der Sitzung am Montagabend, in der der Gerolzhöfer Stadtrat den Haushalt 2022 sowie die Finanzplanung bis zum Jahr 2025 einstimmig verabschiedet hat.
Denn der angesetzte Haushalt der Stadt für das laufende Jahr knackt mit 30,2 Millionen Euro (Vorjahr: 28,8 Millionen Euro) – 17,3 Millionen Euro für den Verwaltungs- und 12,9 Millionen Euro für den Vermögenshaushalt – nicht nur erstmals die 30-Millionen-Grenze. Er beinhaltet auch knapp 2,1 Millionen Euro an neuen Schulden. Mit diesen plant Kämmerer René Borchardt die anstehenden Investitionen und Ausgaben zu begleichen. In dieser Größenordnung bedarf das Schuldenmachen der Zustimmung durch den Landkreis. Dasselbe gilt für die vorgesehenen Verpflichtungsermächtigungen im Vermögenshaushalt über 1,5 Millionen Euro. Dahinter verbergen sich Ausgaben, die erst in späteren Haushaltsjahren wirksam werden; das Geld ist für Straßenbau im Baugebiet Nützelbach II (eine Million Euro) und für Maßnahmen im Kanalnetz (halbe Million Euro) eingeplant.
Schulden doppelt so hoch wie im Landesdurchschnitt
Falls die Prognosen des Kämmerers zutreffen, dann wird der Schuldenstand der Stadt von 7,7 Millionen Euro zu Jahresbeginn bis Ende dieses Jahres auf 10,1 Millionen Euro klettern, um im kommenden Jahr nochmals um rund zwei Millionen Euro zuzulegen. Auf dem Niveau von rund zwölf Millionen Euro würde der Schuldenstand dann während des Planungszeitraums bis 2025 verharren. Ende dieses Jahres werden rechnerisch auf jeder Einwohnerin und jedem Einwohner der Stadt 1471 Euro lasten – fast doppelt so viel wie im derzeitigen Landesdurchschnitt vergleichbarer Städte. Dieser liegt bei 765 Euro liegt, bei Kommunen ohne Badebetrieb sind es 689 Euro.
Als Hoffnungsschimmer erscheint angesichts der vielen Schulden die Entwicklung der Steuereinnahmen der Stadt: Die vereinnahmte Gewerbesteuer lag im Vorjahr mit fast vier Millionen Euro fast doppelt so hoch als der Ansatz (2,2 Millionen Euro) und gut eine Million Euro höher als im Jahr 2020. Für dieses Jahr rechnet Borchardt mit drei Millionen Euro. Die vom Finanzministerium vorhergesagten Einnahmen aus den Einkommenssteuern belaufen sich in diesem Jahr auf 4,1 Millionen Euro, was einen Rekordwert darstellt. An Schlüsselzuweisungen werden dieses Jahr 1,3 Millionen Euro erwartet.
Hohes Defizit beim Betrieb des Geomaris
Als positiven Aspekt der Ausgabenentwicklung des Verwaltungshaushalts bewertete der Kämmerer, dass in diesem Jahr knapp 1,9 Millionen Euro in den Vermögenshaushalt einfließen sollen.
Der vom Stadtrat ebenfalls einstimmig beschlossene Wirtschaftsplan 2022 und Jahresabschluss 2020 für das Geomaris beinhaltete für das Freizeitbad für das Jahr 2020 ein Jahresdefizit von gut 1,2 Millionen Euro. Für das vergangene Jahr dürfte der Fehlbetrag mit fast 1,1 Millionen Euro etwas geringer ausfallen. Für 2022 wird ein Defizit von 925.000 Euro erwartet.
Die Reihe der Haushaltsreden der Fraktionen eröffnete Bürgermeister Thorsten Wozniak (CSU). Dieser sah im Haushalt 2022 den Beweis erbracht, dass es dem Stadtrat ernst sei, "unsere Heimat zu gestalten", indem die Stadt passende Rahmenbedingungen schaffe. Dies machte er mit Beispielen aus unterschiedlichen Bereichen fest. Sechsstellige Investitionen in das FC-Stadion etwa fördere den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die Sanierung der Stadtbibliothek ermögliche Begegnungen von Menschen, ebenso das für dieses Jahr nach zwei Jahren Corona-Pause wieder geplante Weinfest. Sport, Freizeit und Kultur würden ebenso gefördert wie die Infrastruktur und die wirtschaftliche Entwicklung, um die Ansiedlung von Unternehmen zu ermöglichen. Dasselbe gelte für Wohnbaugebiete.
Verschobene Großprojekte haben Schulden sinken lassen
Der Schuldenabbau der vergangenen Jahre – da macht sich Wozniak keine Illusion – sei vor allem deshalb gelungen, weil geplante Projekte, wie die Marktplatzgestaltung oder der Neubau von Grund- und Mittelschule, verschoben wurden. Doch hätten eben auch die Steuereinnahmen zugelegt. Die absehbare deutliche Zunahme der Verschuldung stelle die Stadt "einmal mehr vor riesige Herausforderungen", so der Bürgermeister. Er rief auf, mutig zu sein, für Wachstum zu sorgen und zugleich sparsam zu wirtschaften. "Das wird ein spannender Spagat."
Arnulf Koch (CSU) bezeichnete die Einkommenssteuerbeteiligung als "Rückgrat" der Stadtfinanzen. "Noch erfreulicher" nannte er die sprudelnde Gewerbesteuer, die zeige, dass Gerolzhöfer Unternehmen sich während der Corona-Pandemie als "erstaunlich resilient" gezeigt hätten. Der Haushalt der Stadt sei dank des Kämmerers – den auch die weiteren Redner ausdrücklich lobten – bislang hervorragend durch die Krisenzeit gekommen. Der aktiven Ansiedlungspolitik des Bürgermeisters sei es laut Koch zu verdanken, dass sich sowohl weiter gute Einkommenssteuerzahler ansiedeln könnten als auch Gewerbe.
Inflation und Energiepreise als zusätzliche Schuldentreiber
Diese langfristige Einnahmeentwicklung müsse die Stadt im Blick behalten, wenn sie Einrichtungen wie das Geomaris erhalten und die steigenden Kosten durch Inflation und galoppierende Energiepreise im Griff behalten möchte. Dies würde überhaupt dafür sorgen, dass die Schulden der Stadt wohl noch stärker steigen werden als geplant, machte Koch deutlich.
Mit Blick auf die Hallen-Infrastruktur für Sport und Vereine warb er dafür, die Stadthalle (Stichwort: Brandschutz und Rettungswege) möglichst ohne großen Aufwand wieder voll nutzbar zu machen sowie beim anstehenden Schulhausbau eine weitere Zweifach- statt Einfachturnhalle zu bauen.
Für die Überprüfung aller Ausgaben auf das absolut Notwendige warb Günter Iff (Freie Wähler) mit Blick auf den Anstieg der Schulden. Er begrüßte eine Ankündigung des Bürgermeisters, im Stadtbauamt eine weitere Personalstelle schaffen zu wollen.
Nutzenabwägung beim Verbrauch landwirtschaftlicher Flächen
Schwerpunkt für das laufende Haushaltsjahr müsse es sein, die Infrastruktur für die Ansiedlung weiteren Gewerbes zu schaffen, wobei es wichtig sei, die benötigten Flächen im Besitz der Stadt heranzuziehen. Zugleich meinte Iff, es komme bei der Gewerbegebietserweiterung darauf an, den damit einhergehenden Verlust von landwirtschaftlicher Nutzfläche immer gegen den Nutzen der zu realisierenden Projekte für die Stadt abzuwägen.
Erich Servatius (SPD) begrüßte es, dass nun die Marktplatzgestaltung und der Neubau der Schulen anstehe. Zugleich sei es wichtig, dass die Stadt ihre Vermögenswerte pflege und Bauten besser unterhalte, beispielsweise Straßen wie die Georg-Schäfer-Straße. Dem käme die personelle Aufstockung im Bauamt sicherlich entgegen.
Folgen des Klimawandels nicht aus den Augen verlieren
Mit Blick auf die Geflüchteten aus der Ukraine wünschte sich Thomas Vizl (Geo-net) kommunale Unterstützung, etwa durch angebotene Sprachkurse über die VHS oder Hilfe bei der Wohnungssuche durch die Verwaltungsgemeinschaft. Dennoch dürften trotz der aktuellen Folgen des Ukraine-Kriegs lang- und mittelfristige Ziele nicht aus dem Blick geraten. Der Klimawandel sei in der Region zwischen Main und Steigerwald heute schon stärker zu spüren als anderswo. Daraus leitete er auch den Einsatz für eine ökologisch verträgliche Mobilität mit Reaktivierung der Steigerwaldbahn sowie den Einsatz für einen Nationalpark Steigerwald ab.
Laut Vizl müsste der Hunger nach "immer neuen Baugebieten und Gewerbeflächen" gezähmt werden. Gerolzhofen habe in den zurückliegenden 50 Jahren seine Einwohnerzahl kaum vergrößert, die besiedelte Fläche dagegen fast verdoppelt. Er forderte neue Ansätze für eine Energiewende, beispielsweise mehr Photovoltaikanlagen, auch auf Dächern der Altstadt. Weiter forderte er, Barrierefreiheit dürfe kein Luxus sein und wünschte sich eine Umgestaltung der Bushaltestelle in der Nördlichen Allee.
Er, der stellvertretende Landrat ich zitiere "forderte neue Ansätze für eine Energiewende" aber den vor der Haustüre nachwachsenden Rohstoff Holz ignoriert er!
Ich frage warum?
Ja so denkt man wenn man, wie Herr Vizl, nur seinen kleinen Horizont den Steigerwald anschaut.
Die Holzbauweise soll laut Koalitionsvertrag ein Beitrag zum Klimaschutz sein, aber das Holz soll, ja woher soll es denn kommen?
Flächenstilllegungen sind kontraproduktiv, wenn man den Klimawandel jetzt begegnen will. Das weiß auch Herr Vizl!
Nimmt man den vor der Haustür wachsenden Wald wie vereinzelt gefordert raus, wo kommen dann die ca. 80.000 fm Bauholz her?
Also ich rufe auf, auf diese Frage eine Lösung anzubieten!
Meine Lösung Trittsteinkonzept!