Es war ein langer Prozess, der in vielen Teilen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hat. Die Große Strafkammer des Landgerichts Schweinfurt versuchte zu rekonstruieren, was sich in einer Familie aus dem Raum Hammelburg ab etwa 2013 abgespielt hatte. In welchem Verhältnis ein 54-Jähriger und die Tochter seiner Lebensgefährtin standen, für die er ein Vaterersatz gewesen sein soll. Und wie es schließlich dazu kam, dass die heute 24-Jährige sich prostituierte – und irgendwann, im Dezember 2021, eine Anzeige gegen den Mann und ihre Mutter erstattete.
Am Ende hielt die Kammer den Angeklagten für schuldig des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen und der Zwangsprostitution und verurteilte den 54-Jährigen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten, die Mutter zu zwei Jahren und neun Monaten. Das Gericht sah es als erwiesen, dass der 54-Jährige sich ab 2013 an der damals minderjährigen Tochter seiner Partnerin vergangen hatte.
Es sei eine sexuelle Beziehung zwischen den beiden entstanden, von der irgendwann auch die Mutter gewusst habe. Als die junge Frau die Beziehung beenden wollte, habe der Angeklagte ihr damit gedroht, die Familie zu verlassen, und habe somit "ihre wirtschaftliche Abhängigkeit" ausgenutzt.
Angeklagte sollen ihr "Prostitution schmackhaft gemacht" haben
Im Februar 2017 habe man der mittlerweile volljährigen Tochter eine Wohnung in Fulda gezeigt, die zuvor schon die Mutter für ihre Tätigkeit als Prostituierte genutzt haben soll. Die Kammer sei überzeugt, dass die Angeklagten der jungen Frau "die Prostitution schmackhaft gemacht haben", um schnell viel Geld zu verdienen, sagte der Vorsitzende. Tatsächlich hätte es gereicht, wenn sie nach diesem Gespräch nur einen Freier empfangen hätte, um den Anklagepunkt Zwangsprostitution zu erfüllen, erklärte der Richter. Stattdessen musste die junge Frau der Tätigkeit längere Zeit nachgehen.
Die Mutter, die sich wegen Beihilfe zum sexuellen Missbrauch und der Zwangsprostitution verantworten musste, sei zwar ebenfalls in gewisser Weise von ihrem Lebensgefährten abhängig gewesen, der Vorsitzende war sich aber sicher: "Wenn sie gesagt hätte, wir gehen beide, dann wäre nichts mehr passiert." Doch letztlich hätten die Angeklagten, auch als die junge Frau aus dem Geschäft aussteigen wollte, sie überredet, weiterzumachen.
Kammer hielt Aussage der jungen Frau für glaubwürdig
Die junge Frau, die vor Gericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit mehrere Stunden lang aussagen musste, war die wichtigste Zeugin in dem Prozess. Es gebe zwar keine konkreten Beweise, die den Missbrauch belegen, dennoch zweifelte die Kammer nicht an der Aussage der jungen Frau. Sie habe die Geschehnisse konstant und nachvollziehbar geschildert, begründete der Richter die Entscheidung. Auch als sie zur Polizei gegangen sei, habe sie ursprünglich keine Anzeige erstatten, sondern lediglich Begleitschutz haben wollen. Ihre gesamte Geschichte zu erzählen, habe sie nicht vorgehabt. Das hatte auch der Freund der jungen Frau vor Gericht ausgesagt.
Zuvor hatte die Kammer mehrere Anträge – wie etwa die Glaubwürdigkeit der jungen Frau zu überprüfen oder ein Gutachten zur Schuld- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten wegen Alkohol- und Benzodiazepinkonsums einzuholen – abgelehnt.
Für den 54-Jährigen hatte die Staatsanwaltschaft in einem nicht öffentlichen Plädoyer eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monate, für die Mutter drei Jahre und sechs Monate gefordert. Die Verteidigerinnen und Verteidiger der beiden Angeklagten hatten auf Freispruch plädiert. Der Anwalt der jungen Frau, die in dem Prozess auch als Nebenklägerin aufgetreten war, zeigte sich im Anschluss an die Verhandlung mit dem Urteil zufrieden. Es ist noch nicht rechtskräftig.