Die Erinnerung der Frau ist komplett weg. Sie weiß noch, wie sie nach Hause kam, es war gegen 13 Uhr. Ihr damaliger Freund hatte einen Spiegel auf dem Tisch drapiert, darauf schon "Lines" aus einem Pulver zubereitet. Er wollte, dass sie herunterkommt, das Zeug probiert. Erst Tage später wird sie erfahren, dass es sich um klein gemachtes Methadon handelte. Nach mehrmaligem Drängen gab sie nach und merkte gleich, wie es ihr schlecht ging. Und dann wurde alles schwarz.
Die Frau, heute 38 Jahre alt, erzählt so vor Gericht, was sich irgendwann an einem Tag im Jahr 2018 in der Wohnung ihres Ex-Freundes in Schweinfurt abgespielt haben soll. Dass sie schließlich um vier Uhr nachts wach wurde, nicht mehr wusste, wo sie überhaupt war. Und, dass sie dann gemerkt habe, dass ihre Hose "unten ist" und "eine Flüssigkeit aus ihr hinausgelaufen ist". Sie habe ihren Freund gefragt, ob er Sex mit ihr hatte. Später wird er es mal zugeben, mal abstreiten. Sie sagt vor Gericht: "Ich weiß, dass er es gemacht hat. Du spürst das in deiner Seele, dass etwas nicht stimmt."
Angeklagter vor Gericht: "Warum sollte ich sowas machen?"
Der Mann, der sich vor dem Schöffengericht am Amtsgericht Schweinfurt nicht nur wegen Vergewaltigung, sondern auch wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verantworten muss, streitet den Vorwurf ab. In seiner Einlassung zu Beginn der Verhandlung sucht er nach Gründen, warum es gar nicht so sein kann, wie es in der Anklage steht. Es sei eine funktionierende Beziehung gewesen, ein "normales Sexleben". Sie hätten gemeinsam Drogen konsumiert, aber niemals sei etwas gegen ihren Willen passiert. "Warum sollte ich sowas machen?", fragt er, so als würde ihm jemand darauf eine Antwort geben.
Was er zugibt: Ja, er sei im Besitz von Drogen gewesen und wollte diese weiterverkaufen, um sich seinen eigenen Konsum zu finanzieren. Und den seiner Ex-Freundin.
Angeklagter wurde gewalttätig – und verurteilt
Trotz des Vorfalls blieb die Frau erst einmal mit dem Mann zusammen – bis Mitte 2020. Es kam zu Gewaltexzessen, Beleidigungen, Drohungen. Ihr Ex-Mann wird schließlich im August 2022 deswegen vom Landgericht Schweinfurt verurteilt. Doch wegen der Vergewaltigung schaffte sie erst durch die Hilfe in einer Klinik, im Frauenhaus und vom Weißen Ring den Weg zur Polizei.
Auf die Frage des Vorsitzenden Richters, warum sie denn damit so lange gewartet habe, sagt sie: "Ich habe mich geschämt, ich habe ja auch konsumiert." Unter Tränen fährt sie fort: "Ich bin von dem Mann, den ich geliebt habe, vergewaltigt worden."
Die Frau, so geht es aus ihrer Aussage und der einer Freundin vor Gericht hervor, wollte von ihrem Ex-Mann ein Geständnis – und ließ dafür eine Aufnahme eines Telefonats zwischen den beiden von ihrer Freundin anfertigen. Darin ist zu hören, wie sie ihn darum bittet, sich für die Vergewaltigung zu entschuldigen. Er solle auch explizit das Wort "vergewaltigt" verwenden. Auf die Frage seinerseits, ob sie das Gespräch aufzeichnet, habe sie mit "Nein" geantwortet, gibt die Frau vor Gericht zu.
Verteidiger: Angeklagter soll in Falle gelockt worden sein
"Das ist eine Straftat", sagt der Verteidiger des Mannes und legt Widerspruch gegen die Verwertung der Aufnahme ein. Diese "durch eine Straftat vermeintlich erzielten Erkenntnisse dürfen nicht verwendet werden". Man habe seinen Mandanten in eine Falle gelockt. Das Gericht lehnt den Widerspruch jedoch ab.
Für die Staatsanwaltschaft hat sich "die Anklage bestätigt". Der Mann habe die Bewusstlosigkeit seiner damaligen Freundin ausgenutzt und sie vergewaltigt. Was die Sache mit den Drogen angehe, sei es "einfach zu beurteilen". Die Päckchen seien beschriftet gewesen mit einem Preis, was die Absicht des Verkaufs zeige. "Ich klebe daheim ja auch nicht einen Preis auf die Milch", sagt der Staatsanwalt.
Er plädiert dafür, den Angeklagten wegen Vergewaltigung und gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten – unter Einbeziehung des Urteils aus 2022 – zu verurteilen. Auch für die Nebenklage gibt es keinen Zweifel, "dass es zu dieser Vergewaltigung gekommen ist", sagt der Anwalt der Frau.
Gericht hält den Mann für schuldig
Der Verteidiger des Mannes wiederum hält es für möglich, dass die Frau dem 46-Jährigen nach den Gewaltexzessen, die ihm "nur" eine Bewährungsstrafe einbrachten, eine Vergewaltigung in die Schuhe schieben wollte, "damit er weg ist". In Sachen Drogen sieht er kein gewerbliches Handeln. Schließlich komme er zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und "zwei oder drei Monaten", die zur Bewährung ausgesetzt werden sollte. Was die Vergewaltigung angehe, sei sein Mandant freizusprechen.
Das Gericht verurteilt den Mann schließlich wegen Vergewaltigung, unerlaubten Besitzes und unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und fünf Monaten – unter Einbeziehung des Urteils aus 2022. Die Detailtiefe der Aussage der Frau spreche für ihre Glaubwürdigkeit, die Tonbandaufnahme sei verwertbar und "macht den Deckel drauf", sagt der Vorsitzende Richter. Zugutekomme dem Angeklagten die Aussage der Psychologin der Frau, die behauptete, der Vorfall 2021 habe die psychische Verfassung der Frau nicht verschlechtert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Wenn ein Opfer also "gut" mit der Tat klarkommt, dann kommt das dem Täter zugute - welch Armutszeugnis für die Rechtssprechung.