
Man wolle auf keinen Fall jammern – das stellte Thorsten Schubert, Leiter des Stadtjugendamtes, gleich zu Beginn der jüngsten Sitzung des Jugendhilfeausschusses der Stadt Schweinfurt klar. Mit seinem Jahresbericht für das Jahr 2023 wolle er vor allem deutlich machen, welch große Veränderungen die städtische Jugendhilfe in den vergangenen Jahren durchlaufen habe und, dass durchaus noch weitere anstünden.
Dass das Stadtjugendamt mit zunehmend größeren Herausforderungen zu kämpfen habe, wolle er aber auch nicht verhehlen. So käme auf das Jugendamt etwa eine immer größere Bandbreite an Aufgaben zu, die es bei im Wesentlichen gleichbleibenden Personalzahlen bewältigen müsse. Auch seien nicht nur die Fallzahlen deutlich gestiegen, sondern in besonderem Maße auch der Arbeitsaufwand pro Fall. "Dadurch haben wir einen hohen Druck auf die Beschäftigten", so Schubert.
Gerade sogenannte "Systemsprenger", also Kinder und Jugendliche, für die es aufgrund ihres auffälligen Verhaltens nur wenig bis gar keine adäquaten Unterstützungs- und Betreuungsmöglichkeiten gibt, würden für das Jugendamt zunehmend zur Bewährungsprobe. Drei bis vier solcher Fälle lägen dem Jugendamt aktuell vor. "Absolut betrachtet klingt das vielleicht wenig. Wenn wir aber 100 bis 120 Einrichtungen abtelefonieren müssen, um einen einzigen Fall unterzubringen, dann kostet das Zeit, und die Kosten dafür sind entsprechend hoch", sagte Schubert.
Es fehlt an Stellen zur Inobhutnahme
Die Verfügbarkeit von freien Stellen zur Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen sei in der Region aber generell ein Problem, gab er zu bedenken. Besonders ältere und "schwierigere" Jugendliche seien das Problem, die bekäme das Jugendamt kaum noch an Einrichtungen vermittelt. "Dafür haben wir einfach keine Lösung, und das ist sehr belastend für die Kolleginnen und Kollegen. Das macht die Leute wirklich fertig", so Schubert. Es fehle an adäquaten Einrichtungen, doch gerade der stationären Jugendhilfe mache der Fachkräftemangel stark zu schaffen.
Auffällig sei auch, dass die Zahl der Meldungen über Kindeswohlgefährdungen in Schweinfurt zuletzt deutlich gestiegen sei – von 153 im Jahr 2019 auf 254 im Jahr 2023. Teilweise lasse sich das wohl noch auf Effekte der Corona-Pandemie zurückführen, mutmaßte Schubert. "Es bildet aber auch ab, was wir im Alltag sehen, nämlich, dass da draußen immer mehr belastete Familien existieren", so der Jugendamtsleiter.
Auch die verhältnismäßig hohe Kinderarmutsquote sei in Schweinfurt weiterhin ein Problem. Diese liege laut aktuellen Zahlen bei knapp 19 Prozent – und damit deutlich über dem bayernweiten Schnitt von rund sieben Prozent. Um den Druck auf das Jugendamt langfristig abzubauen, setze man nun bereits verstärkt auf präventive Maßnahmen. Das verursache aktuell zwar höhere Kosten, solle sich aber langfristig lohnen, so Schubert.
Zunehmende "All-inclusive-Mentalität" mancher Eltern
Eine Frage, die nun aktuell würde, sei auch der kommende Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen. "Da haben wir aktuell noch Bauchschmerzen, wie wir das auch für die Ferien umsetzen sollen", so Schubert. Dabei würde generell mit dem Rechtsanspruch auch die Anspruchshaltung einiger Eltern immer mehr zum Thema; die "All-inclusive-Mentalität", wie Schubert es nennt: "Wir machen die Erfahrung, dass offensichtlich immer mehr Eltern der Meinung sind, dass Kindererziehung die Sache von Dritten wäre, also von Schule, Kita oder dem Jugendamt."
Einstimmig beschlossen wurden im Ausschuss die Schaffung von jeweils einer halben Stelle im Bereich der Jugendsozialarbeit an der Walther-Rathenau-Realschule und an der Pestalozzi-Schule. Damit solle das Programm nun schrittweise von den Grund- und Mittelschulen auch auf die Realschulen und Gymnasien ausgeweitet werden. Auch die geplante Installation eines Kinder- und Jugendparlaments stieß im Ausschuss auf keine Einwände.