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Donnersdorf
Stellenabbau bei Kaufland eine "Sauerei": Menschen in Donnersdorf und Beschäftigte sind empört und hoffen auf Rettung
Die angekündigte Streichung von 350 Arbeitsplätzen im Logistiklager stößt auf großes Unverständnis. Der Bürgermeister sieht allerdings auch eine Mitschuld bei Verdi.
In dichten Nebel gehüllt ist das Kaufland-Logistiklager in Donnersdorf am Tag nach der Ankündigung des Stellenabbaus von 350 der über 500 Beschäftigten. Vieles ist derzeit noch im Unklaren, selbst für die Gewerkschaft Verdi und den Betriebsrat.
Foto: Stefan Pfister | In dichten Nebel gehüllt ist das Kaufland-Logistiklager in Donnersdorf am Tag nach der Ankündigung des Stellenabbaus von 350 der über 500 Beschäftigten.
Stefan Pfister
 |  aktualisiert: 26.01.2025 02:29 Uhr

Die Szenerie am Morgen nach dem Paukenschlag in Donnersdorf könnte kaum passender sein, zur aktuellen Situation. Das Logistiklager von Kaufland im Gewerbegebiet Am Rödertor ist am Dienstagfrüh in dichten Nebel gehüllt. Bis auf ankommende und abfahrende Lastwagen ist am Zufahrtstor zum Gelände kaum etwas zu erkennen. 

Vieles befindet sich im Unklaren, nach der Ankündigung von Kaufland, bis zu 350 von rund 500 Mitarbeitenden am Standort Donnersdorf nicht mehr weiterzubeschäftigen. Zunächst hatten die Gewerkschaft Verdi und der Betriebsrat die Nachricht von "Massenentlassungen" am Montag in die Öffentlichkeit gebracht. Erst daraufhin bestätigte das Unternehmen die geplante Maßnahme und dass ein Großteil des Personals künftig über Werkarbeitsfirmen angestellt werden soll. Als Grund gibt Kaufland an, den veränderten Bedingungen in der Logistikbranche Rechnung zu tragen.

Menschen in der Gemeinde fühlen mit den Betroffenen

In der 2000-Einwohner-Gemeinde im Steigerwald ist Kaufland mit seinem 2004 eröffneten Zentrallager der mit Abstand größte Arbeitgeber. Die Schreckensnachricht ist an diesem Morgen weniger ein Thema, zumindest in der örtlichen Bäckereifiliale, berichtet die Verkäuferin. Schlimm nennt sie die Entscheidung, falls es so kommen sollte. Eine Frau, die Brötchen eingekauft hat, aber ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, spricht von einer "Sauerei", hofft aber, dass keine Kündigungen ausgesprochen werden.

Bereitwilliger Auskunft gibt Kunde Thomas Geyer aus Falkenstein. Er war selbst im Kaufland-Lager bis 2015 beschäftigt und erlebte einige Jahre zuvor die unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnisse hautnah mit. Manche Mitarbeiter, die damals als Werkarbeiter schlechter bezahlt wurden als die tariflich Beschäftigten, hätten in Vollzeit um die 1500 Euro und "an der Armutsgrenze" verdient, sagt er.

Erst 2012, nach bundesweiten Ermittlungen, wurde diese Praxis nach Angaben von Verdi eingestellt und alle Mitarbeiter nach Tariflohn bezahlt. Geyer kann sich gut vorstellen, wie es vielen Kaufland-Beschäftigten gerade geht. "Da sind sicher viele Leute dabei, die Häuser gebaut oder gekauft haben, und die jetzt nicht wissen, wie es weitergeht. Die Stimmung wird bestimmt sehr schlecht sein."

Angst der Beschäftigten vor Arbeitsplatzverlust

Genau jene Sorgen äußern zwei Beschäftigte von Kaufland, die sich an die Redaktion gewandt haben, aber anonym bleiben wollen. Es gebe Menschen, die Familien zu versorgen hätten und Kredite abzahlen müssten, sagt eine Mitarbeitende. Sie fürchtet sich davor, demnächst die Kündigung zu erhalten: "Wir wissen nicht, wie unsere Leben weitergehen!"

Eine Kollegin spricht davon, dass viele Mitarbeitende vor der Arbeitslosigkeit und Hoffnungslosigkeit stünden. "Menschen, die vor der Pensionierung stehen, Familien mit kleinen Kindern, Menschen, die aufgrund fehlerhafter Managemententscheidungen auf der Straße landen." Noch hofft sie auf eine Rettung.

Das ist auch das Ziel der Gewerkschaft und des Betriebsrates: "Wir wollen keine Kündigungen, sondern dass die Jobs in Donnersdorf bleiben", erklärt Verdi-Sekretär Peter König. Seinen Angaben zufolge könnten im Moment ohnehin keine Kündigungen ausgesprochen werden. Möglich ist das erst, wenn zusammen mit dem Betriebsrat ein Interessensausgleich und Sozialplan erstellt wurden, was bislang noch nicht geschehen sei. Mehr Informationen erhofft König sich von einem Gespräch mit Kaufland am Mittwoch. Er kann es sich aber schon vorstellen, was ihn erwartet. "Alles, was sie können, werden sie entlassen."

Dabei hatten Betriebsrat und Verdi zuvor verschiedene flexible Arbeitszeitmodelle ausgearbeitet. Die Belegschaft habe voll dahinter gestanden. Als man der Geschäftsführung vergangene Woche alles präsentieren wollte, hat es laut König geheißen: Man habe gestern schon entschieden, dass man das nicht wolle. "Es wurde nicht mal diskutiert mit uns", ärgert er sich maßlos darüber.

Bürgermeister Klaus Schenk kritisiert die Gewerkschaft

Keinerlei Hinweise auf eine Kündigungswelle hatte Bürgermeister Klaus Schenk im Vorfeld erhalten. Aus Sicht der Arbeitnehmer sei die Entscheidung nicht nachvollziehbar. "Natürlich ist es nicht schön, wenn man 300 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze am Ort verliert. Das ist bescheiden."

Andererseits kann er die Entscheidung aus der Sicht des Unternehmens und aus wirtschaftlichen Gründen zumindest ebenso verstehen. "Jeder will sparen und jeder will im Regal die billigen Waren haben", so Schenk. Die Unternehmen würden sich mit ihrem Personal daran orientieren.

"Glücklich ist es nicht, wobei auch Verdi eine gewisse Mitschuld trägt", behauptet der Bürgermeister. Er verweist auf die Streikaktionen auch der Beschäftigten am Kaufland-Lager im Rahmen der mehr als ein Jahr dauernden Auseinandersetzungen zwischen Gewerkschaft und Arbeitgebern im bayerischen Groß- und Außenhandel, die erst im Juni 2024 beendet wurde.

Bundestagsabgeordneter Hümpfer fordert faire Lösungen

Unterdessen zeigt sich der Bundestagsabgeordnete Markus Hümpfer (SPD) empört über die Pläne der Schwarz-Gruppe, am Kaufland-Standort Donnersdorf bis zu 350 tariflich beschäftigte Mitarbeitende zu entlassen und diese durch Werkvertragsarbeitende zu ersetzen. "Feste Arbeitsplätze dürfen nicht durch unsichere Werkverträge ersetzt werden", heißt es in einer Pressemitteilung.

Hümpfer kündigt darin an, umgehend das Gespräch mit dem Konzern zu suchen, um auf eine bessere Lösung hinzuwirken und Entlassungen zu verhindern. Er stelle sich hinter die Beschäftigten und den Betriebsrat. Kaufland und die Schwarz-Gruppe rief er dazu auf, mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft Verdi faire Lösungen zu finden.

 
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  • Egbert Hahn
    Wir regen uns immer nur dann auf wenn die Bomben neben uns einschlagen, dabei ist das in anderen Branchen schon lange üblich (siehe Baubranche) billige Arbeiter aus der EU zu beschäftigen die für uns billiger arbeiten. Das ist halt der Geist der Osterweiterung und der Globalisierung. Da gehören Gesetze geändert um hier den Riegel vorzuschieben, aber das traut sich halt keiner.
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  • Hans-Martin Hoffmann
    Ist natürlich die gute Frage

    ob Mitarbeiter/innen zu schlechteren Bedingungen bessere Arbeit leisten - was ich genau nicht glaube. Man kann nur den "restlichen" Kaufland-Angestellten wünschen, dass das Unternehmen sich nicht dadurch selber in den Konkurs treibt, weil unter dem Strich die Kosten höher werden als vorher. Naja, der Krug geht solange zum Brunnen bis er bricht.
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  • Stefan Fuchs
    Hier wird im Netz über Politiker, Gewerkschaften und Milliardäre geschimpft,
    jedoch der Otto Normalverbraucher ist nicht besser.
    Jedem Schnäppchen wird hinterhergerennt, jeder "mainstream-Scheiß " mitgemacht.
    Die Autos werden immer grösser, jedoch hinter dem Lenkrad sitzen Menschen mit frustrierten Gesichtern.
    Das Haus mit Garten muss abbezahlt werden, ebenso wie der künftige Skiurlaub und den Sommerurlaub bei 50 Grad im Schatten in Dubai.
    Schliesslich haben wir uns das verdient.

    Armes Deutschland!
    Geiz ist geil!
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  • Peter Koch
    Ich bin mal gespannt wie viele Stimmen die Partei des Bürgermeisters am 23.02. bekommen wird. Und nächstes Jahr kann er ja persönlich abgestraft werden, falls er sich trauen sollte wieder zu kandidieren.
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  • Hubert Endres
    Herr Koch. Warum ? Weil der Bürgermeister die Wahrheit sagt ? Natürlich tragen die Gewerkschaften zu den Situationen bei. Immer wieder unverschämte Forderungen und Streiks. Warum kandidieren Sie denn nicht als Bgm. ? Und der Abgeordnete Hümpfner ist empört ? Soll er doch statt seinem Job in Berlin, welcher überbezahlt für die Leistung ist, eine Firma gründen und Arbeitsplätze schaffen. Immer diese Beiträge von Politiker und Gewerkschaften sie werden kämpfen, Gespräche führen usw. Einfach lächerlich und brotlose Kunst.
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  • Peter Koch
    Fakt ist, dass der reichste Deutsche seinen Arbeitern kündigen will. Einfach so, obwohl er jedes Jahr reicher wird weil diese Arbeiter für ihn arbeiten. Wären die zu teuer, dann müsste Dieter Schwarz jedes Jahr ärmer werden.
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  • Hubert Endres
    Herr Koch. Dann sollte man sich erstmal beide Seiten anhören und die Gründe erfragen. Wenn die Arbeitnehmer wie berichtet bereit gewesen wären flexibler zu arbeiten und sich den Gegebenheiten angepasst hätten, dann verstehe ich die Entlassungen nicht. Aber klar ist auch, dass Gewerkschaften unsinnige Forderungen stellen, Streiks organisieren und immer die Schuld für Entlassungen bei den Firmen suchen. Weniger arbeiten für den gleichen oder höheren Lohn funktioniert einfach nicht. Siehe VW - 36 Tage Urlaub, höherer Verdienst als andere Fabrikarbeiter , Boni zum Jahresende - das funktioniert so nicht mehr. Auch die Manager müssen endlich mit heran gezogen werden. Und was sie gegen den Bürgermeister haben, weiß ich nicht. Ich teile seine Meinung.
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  • Frank Widmaier
    und dennoch bleibt die Ffrage.. warum der Bgm "Schuld" haben solle... dieses Bashing it der Grund, warum AFD und BSW existieren.. blanker Hass ohne Grund
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  • Peter Koch
    Schuld ist der Bürgermeister nicht, er sollte sich aber eindeutig mit seinen Bürgern solidarisieren. Stattdessen äußert er Verständnis für Kaufland. Er sollte Bürgermeister sein, nicht Kaufland-Sprecher.
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  • Stefan Köhler
    Kaufland muss für jeden Mitarbeiter einer Werkfirma das doppelte Zahlen.

    Am Lohn liegt es nicht.
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  • Erich Spiegel
    Auch wenn Kaufland kurzfristig drauflegt. Auf lange Sicht werden Kosten gesenkt. Darum geht's. Um nichts anderes
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  • Dietmar Eberth
    "Immer diese Beiträge von Politiker und Gewerkschaften sie werden kämpfen, Gespräche führen usw. Einfach lächerlich und brotlose Kunst."

    Wer nicht alles versucht hat schon verloren.

    "Nach über 70 Stunden Tarifverhandlungen steht nun das Ergebnis. Die roten Linien der IG Metall werden eingehalten: Es wird keine Werksschließungen geben, keine Massenentlassungen und keine langfristigen Einschnitte in den Tarifvertrag. Am Ende ist das Ergebnis ein guter Kompromiss."
    https://www.igmetall.de/tarif/tarifrunden/tarifrunde-volkswagen-2024
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