Der Landtagsabgeordnete der Grünen, Paul Knoblach (Garstadt), fuhr extra mit dem Gerolzhöfer Stadtrat und grünen Kreisrat Thomas Vizl zur momentanen Baustelle an der Gemarkungsgrenze zwischen Großlangheim und Kitzingen. Dort ließen sich beide von Johannes Weiß, Sprecher des Kreisverbands Schweinfurt Bündnis 90/Die Grünen, auf dem Schotterbett stehend fotografieren. In einer Pressemitteilung zum so entstandenen Foto bezeichnet MdL Knoblach den begonnenen Gleisabbau als eine "Provokation". Die Aktion wenige Tage vor den Entscheidungen in den beiden Kreistagen Kitzingen und Schweinfurt sei "eine gezielte Missachtung der demokratisch gewählten Gremien". Und in einem Leserbrief wird zudem der Vorwurf verbreitet, der Gleisabbau erfolge ohne notwendige Genehmigung der Naturschutzbehörde. Stimmt das?
Provokation? Gezielte Missachtung der beiden Kreistage? Ohne Genehmigung des Naturschutzes? Wie ist der aktuell laufende Gleisrückbau, über den sich der Landtagsabgeordnete Knoblach so echauffiert, rechtlich einzuordnen? Hat das von Knoblach attackierte Gleisabbau-Unternehmen tatsächlich Fehler gemacht und Vorgaben missachtet?
Seit Jahren schon entwidmet
Vor rund vier Jahren hat die Stadt Kitzingen bei der für Bahnsachen zuständigen Bezirksregierung von Mittelfranken einen Antrag auf Freistellung von Bahnbetriebszwecken (umgangssprachlich: Entwidmung) für die Bahntrasse auf städtischer Gemarkung gestellt. Nach dem Ende des im Allgemeinen Eisenbahngesetz vorgeschriebenen Verfahrens sprach die Bezirksregierung dann am 12. Mai 2016 die Entwidmung aus. Der Investor Markus Blum, der damals über eine Wiederbelebung der Bahnstrecke nachgedacht hatte, scheiterte danach mit einer Klage sowohl vor dem Verwaltungsgericht Würzburg am 24. Oktober 2017 als auch vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof am 9. Mai 2018.
Die rechtliche Folgen der Entwidmung beschreibt Klaus Speckner, Pressesprecher der Regierung von Mittelfranken, auf Anfrage so: "Mit der bestandskräftigen Freistellung von Bahnbetriebszwecken unterfällt die betroffene Fläche nicht mehr dem Regime des Eisenbahnrechts, sondern der gemeindlichen Planungshoheit." Oder verständlicher ausgedrückt: Die Trasse hat ihren rechtlichen Sonderstatus verloren, sie ist keine Betriebsanlage der Bahn mehr. Die Trasse ist nun ein ganz normales Grundstück auf Kitzinger Gemarkung. Selbst wenn man noch Gleise und Signalanlagen sehen kann, gibt es dort keine Eisenbahn mehr.
Der Streckenabschnitt ist tot
Während bei einer nur stillgelegten Eisenbahnstrecke eine Reaktivierung rechtlich wieder möglich ist, ist die "Wiederbelebung" einer entwidmeten Bahnstrecke nicht mehr möglich, weil sie tot ist. Um zu erreichen, dass zwischen Großlangheim und Etwashausen (vielleicht sogar bis Kitzingen) irgendwann tatsächlich wieder Züge fahren sollen, müsste erst ein aufwändiges Planfeststellungsverfahren wie bei einem kompletten Neubau einer Bahnstrecke auf der grünen Wiese eröffnet werden. Da spielt es keine Rolle, ob irgendwo in der Landschaft noch alte Gleise herumliegen oder ob sie in der Zwischenzeit abgebaut worden sind.
Spätestens mit der Entwidmung hatte die Deutsche Bahn (DB) keine Verwendung mehr für ihr Grundstück. Im Mai 2019 wurde das Teilstück ab Großlangheim zum Verkauf ausgeschrieben. Das etwa 3,3 Kilometer lange Grundstück hat eine Fläche von 41 616 Quadratmetern. Gekauft hat es die Firma Meißner Gleisrückbau aus Dörzbach in Baden-Württemberg. Anfang Dezember 2019 begann diese Firma dann, die Gleise samt Schwellen vom eigenen Grund und Boden zu entfernen. Der Schotter bleibt liegen. Das Altmetall wird vermarktet, die Stadt Kitzingen will für die Umsetzung eigener Verkehrsprojekte baldmöglichst Teile der Trasse von der Firma Meißner abkaufen.
Keine Gestattung nötig
Wo ist nun aber die von Paul Knoblach gebrandmarkte "Provokation" und die "gezielte Missachtung der demokratisch gewählten Gremien"? Hätte die Firma Meißner vor Beginn der Bauarbeiten irgendwelche Genehmigungen einholen müssen? Hat sie gar illegal gehandelt? Nein, das ist nicht der Fall. Klaus Speckner von der Regierung von Mittelfranken stellt klar: "Die Bahnanlagen können beseitigt werden, ohne dass es hierzu gesonderter eisenbahnrechtlicher Gestattungen bedürfte."
Keine Genehmigung nötig
Aber hätte das Landratsamt Kitzingen eingeschaltet werden müssen? Ricky Haubenreich, Mitglied im Förderverein Steigerwaldexpress, hat dieser Tage in einem Leserbrief in der Main-Post behauptet, der Gleisabbauer reiße "ohne Genehmigung der Naturschutzbehörde" Schienen heraus. Diese Behauptung ist nicht korrekt. Corinna Petzold, Pressesprecherin des Landratsamts Kitzingen, betont: "Das Landratsamt muss hier nicht beteiligt werden." Der Gleisabbau benötige keine Genehmigung, auch nicht von der Naturschutzbehörde. Man habe sich deswegen, so Petzold, auch bei der Regierung von Unterfranken rückversichert. Die Regierung teile diese Meinung.
Unbedenklich für den Artenschutz
Ein Vertreter der Unteren Naturschutzbehörde aus dem Landratsamt sei selbst an der Baustelle gewesen und habe sich einen Eindruck von den Arbeiten verschafft. "Wir haben uns selbst eingeschaltet", wie üblich, wenn es um Artenschutz gehe. Konkret gehe es um Eidechsen, die möglicherweise im Schotterbett des Gleises hausen könnten. Da die Schienen samt Schwellen von einem auf den noch bestehenden Gleisen rückwärts fahrenden Bagger Stück für Stück entnommen werden und der Schotter unberührt bleibe, seien "die Arbeiten aus Sicht der Unteren Naturschutzbehörde unbedenklich", so Petzold abschließend.
Während die Bahngleise abgebaut werden, steigt die Stadt Kitzingen konkret in die Verkehrsplanung ein. Die derzeitige komplizierte Gleisumfahrung in Etwashausen weicht künftig einer Direktverbindung an die Großlangheimer Straße (Staatsstraße 2272). Damit verbindet die Stadt zugleich den Bau eines neuen Kreisverkehrs auf Höhe des Richthofen Circle. Nicht nur dieses Freizeitgebiet wird damit besser an die Großlangheimer Straße angebunden, sondern auch das auf der anderen Straßenseite liegende Gewerbegebiet ConneKT. Das war ursprünglich der Anlass für das Bauvorhaben.
Die Kurvenradien des Kreisels, der einen Durchmesser von 45 Metern haben wird, sollen sogar für Gigaliner – also die überlangen Lastzüge – ausgelegt sein. Der Kitzinger Stadtrat hat jüngst mehrheitlich sein Einverständnis mit dem Neubau bekundet.
Bauarbeiten zwischen April 2021 und Ende 2023
Begleitend werden beim neuen Kreisel Bushaltestellen auf beiden Seiten eingerichtet. Und auch die Wirtschafts- und Radwege entlang der Straße werden dem neuen Trassenverlauf angepasst. An der heutigen Kreuzung der Staatsstraße 2271 mit der 2272 entsteht auf dem alten Teilstück der Großlangheimer Straße eine Sackgasse. Dieses Stück Straße wird noch benötigt, um das künftige Gelände der Kitzinger Schützengesellschaft an dieser Stelle zu erschließen.
Die Kosten für die Anbindung der Nordtangente an die Großlangheimer Straße schätzt die Verwaltung derzeit auf rund 3,5 Millionen Euro. Beginnen sollen die Bauarbeiten im April 2021. Die Bauzeit beträgt rund 20 Monate.
Mit Informationen von Andreas Brachs (Redaktion Kitzingen).
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das war mal wieder DB AG (in Bayern) pur: noch schnell für billig Geld Volksvermögen verkloppt, um Fakten zu schaffen/ die Bahnreaktivierung möglichst zu erschweren. Klar geht das hier alles mit "rechten Dingen" zu, genau wie ein Hohlkopf im Vollrausch einen Menschen totfährt und dafür praktisch freigesprochen wird. Man muss nur wissen, wie man sich die Gesetze zurechtlegen muss, um durch die gefühlt scheunentorgroßen Lücken durchschlüpfen zu können. Oder?
Und da soll sich jemand wundern, dass die "normalen Leute" schon lange kein Vertrauen mehr in Politik und Rechtsprechung haben, sondern stattdessen zunehmend diejenigen wählen, die "die Herrschaft des gesunden Volksempfindens" und den "Bruch mit dem Establishment" versprechen??!
An die Kritiker: ich wundere mich. Nutzt es nicht der eigenen Sache, soll nicht berichtet werden? Spannender Ansatz. *kopfschuettel*. Aber selber Unwahrheiten verbreiten... genau deswegen traue ich Ihnen nicht
Jungwähler, schreibt Euch das hinter die Ohren. Was hier und heute noch verbockt wird, Ihr werdet diejenigen sein, die es ausbaden.
"In einer Pressemitteilung zum so entstandenen Foto bezeichnet MdL Knoblach den begonnenen Gleisabbau als eine "Provokation". Die Aktion wenige Tage vor den Entscheidungen in den beiden Kreistagen Kitzingen und Schweinfurt sei "eine gezielte Missachtung der demokratisch gewählten Gremien"
Da haben die beiden ja wohl Recht.
Die Provokation liegt auf der politischen Ebene, auch wenn Klaus Vogt sich alle Mühe macht, auf der rechtlichen Ebene dagegen an zu argumentieren.
Den Leserbrief zum gleichen Thema würde ich nicht allzu hoch hängen. Aber die Bahngegner könnten ja trotzdem mal erklären, warum die stillgelegte Bahn für sie mal ein schutzwürdiges Biotop war und das jetzt keine Rolle mehr spielt. Meine Erklärung wäre, dass das Biotop nur vorgeschoben war. Aber mit Biotopschutz sollte man keine politischen Spielchen treiben sondern ihn ernst nehmen denn Biotopschutz ist Schutz unserer Lebensgrundlagen.
Ich habe nicht von Provokation gesprochen.
Also aufpassen Jungwähler.
Aufgemerkt, damit ist die Reaktivierung der Strecke nach SW ganz sicher vom Tisch!
Deutschland ist nicht mehr zu retten....
Zum Glück lassen sich die Bürgerinnen und Bürger dadurch nicht beeinflussen.
die Vorarbeiten für die " autonom fahrenden Busse " die als "Heilsbringer und Löser dieser ganzen Problematik " von MdL Frau Becker csu, tagesaktuell vorgeschlagen wird. Sind wir doch mal ehrlich, diese Busse brauchen eine autonome Spur. Der liegenbleibende Schotter kann dafür als Untergrund verwendet werden.... UND ....
ab Etwashausen dann, kann ein Fahrer zusteigen, um den Bus über die neue Mainbrücke dann weiter bis zum Bahnhof Stadt KT zu steuern. Man braucht keine Extrabrücke zu bauen; sondern kommt schnell ans Ziel. Das ist weit mehr als bisher Klimapolitisch gewünscht und ganz modern gedacht. Habt Vertrauen.... Frau Becker macht das schon ganz autonom. Mit einen X ist alles schon fast fix.
Hallo ihr Grünen: „Zug ist abgefahren“.