Der Stadtrat Schweinfurts ist im besten Sinne diskussionsfreudig, insbesondere wenn die Opposition Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) kritisiert. Und jetzt ist er auch im 21. Jahrhundert angekommen. Zum ersten Mal wurde am Dienstag eine Stadtratssitzung per Live-Stream auf Youtube im Internet übertragen.
Beworben hatte die Stadtverwaltung das Angebot an die Bürger zunächst nicht, da man vor allem die dahinter steckende Technik testen wollte. Funktioniert hat die Ausstrahlung der Sitzung sehr professionell. Die Debatten zeigten aber ein grundsätzliches Problem, dessen sich der Stadtrat noch einmal annehmen muss.
Zurück geht die Idee, Sitzungen live im Internet zu übertragen, auf einen Antrag zur Geschäftsordnung der Linken im Jahr 2020. Damals konstituierte sich nach der Kommunalwahl der neue Stadtrat im Mai und diskutierte auch über eine neue Geschäftsordnung. Damals bekam der Antrag, aus Transparenz für den Bürger, der aus Zeitgründen nicht als Besucher an öffentlichen Sitzungen teilnehmen kann, diese zu übertragen, eine knappe Mehrheit. Der Stadtrat tagt meist einmal im Monat dienstags um 14.30 Uhr, die Ausschüsse dienstags oder donnerstags um 8 Uhr morgens – die Diskussion zu übertragen, erschien vielen Stadträtinnen und Stadträten als gute Lösung, um auch der Politikverdrossenheit vorzubeugen und für Transparenz zu sorgen.
Bedenken der CSU insbesondere wegen Sozialer Medien
Nach langer Vorlaufzeit fand die Verwaltung nun einen Weg, das Ganze technisch umzusetzen und ließ die Geschäftsordnung entsprechend ändern. Jetzt sind auch so genannte Hybridsitzungen möglich, also solche, bei denen ein Teil der Räte im Sitzungssaal ist, ein anderer sich von zu Hause zuschaltet. Praktiziert werden musste es bisher nicht, weil auch die Räumlichkeiten im Konferenzzentrum auf der Maininsel oder in der Stadthalle den Corona-Hygienevorschriften entsprechen und mit Abstandsflächen alle Räte kommen können.
Die Frage, ob es eine gute Idee ist oder nicht, Sitzungen zu übertragen, wurde schon immer kontrovers diskutiert. Insbesondere von Seiten der CSU und der AfD wurde darauf verwiesen, dass sich einzelne Gremiums-Mitglieder unwohl fühlen könnten, wenn sie öffentlich etwas sagten und dies vielleicht keine geschliffene Rede wäre. Außerdem, ein ernst zu nehmender Einwand: Wie kann man verhindern, dass einzelne Satzfragmente im Internet kopiert und dann aus dem Zusammenhang gerissen in verunglimpfender Art auf Sozialen Medien geteilt werden?
Zuschauer bekamen nur einen Teil der Beiträge der Stadträte gezeigt
Grundsätzlich gilt, dass nach der Datenschutzgrundverordnung jeder Protagonist, ob Verwaltung oder Stadtrat, sein Einverständnis für eine Übertragung im Internet geben muss. Am Dienstag gestaltete sich das Bild so, dass die meisten Mitglieder der CSU-Fraktion sowie der AfD kein Einverständnis gaben, die der Opposition aber schon. So kam es zu der Situation, dass Redebeiträge der Opposition und dort geäußerte Kritik am OB, aber auch an Beiträgen von CSU-Räten, zu hören und zu sehen waren, die Erwiderung aber nicht.
Finanzreferentin Anna Barbara Keck, die sich als Pressesprecherin mit ihrem Team maßgeblich um die Umsetzung gekümmert hatte, plädierte dafür, dass "jeder die persönliche Entscheidung des anderen respektiert." Gemünzt war das auch auf ein Rededuell zwischen Ulrike Schneider (Zukunft./ödp) und Stefanie Stockinger-von Lackum (CSU), das nur teilweise in der Internet-Öffentlichkeit nachvollziehbar war. Keck schlug vor, dass die Verwaltung eine Art Etikette erarbeiten werde, um den Umgang miteinander zu regeln.
Eines ist auch festzuhalten: Der von Stefan Labus (Freie Wähler) geäußerte Wunsch, durch die Übertragung werde sich ab sofort die "Fairness im Umgang miteinander" verbessern, erfüllte sich noch nicht.
Ist das ein Kindergarten oder ein Rathaus?
Die Volksvertreter, egal ob im Bundes- oder Landtag oder im Stadt- oder Gemeinderat werden allesamt von den Bürgern gewählt. Diese Abgeordneten und Räte wissen, dass sie in der Öffentlichkeit stehen, sie nutzen ja sogar ihre Bekanntheit im Vorfeld der Wahl oder versuchen sich bekannt zu machen. Die Sitzungen müssen soweit es die Tagesordnung gestattet öffentlich für jeden Bürger zugänglich sein.
Als Bürger hab ich immer mehr den Verdacht, dass diese Öffentlichkeit in keinster Weise gewünscht wird! Nicht jedem ist es aus unterschiedlichsten Gründen (Arbeit, Krankheit, Behinderung) vergönnt an den Sitzungen live vor Ort teilnehmen zu können.
Da wehrt man sich eben mit fadenscheinigen Gründen gegen eine Übertragung, anderenorts ist es schwierig die Protkolle öffentlich einsehen zu könnten. Das alles sorgt für weitere Politikverdrossenheit.