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Sömmersdorf
Sömmersdorf: Suche nach einem Kompromiss für die Passionsbühne
Das Landratsamt Schweinfurt hat Schallmessungen beim Open-Air 2019 durchgeführt und Überschreitungen der Lärmgrenzwerte festgestellt. Was bedeutet das für die Zukunft der Bühne?
Seit die Freilichtbühne im Passionsspielort Sömmersdorf (Lkr. Schweinfurt) ihr neues Zeltmembran-Dach erhalten hat, schwelt ein Konflikt mit Anwohnern. Sie setzen sich gegen Veranstaltungen außerhalb der Passionsspielzeit zur Wehr.
Foto: Anand Anders | Seit die Freilichtbühne im Passionsspielort Sömmersdorf (Lkr. Schweinfurt) ihr neues Zeltmembran-Dach erhalten hat, schwelt ein Konflikt mit Anwohnern.
Irene Spiegel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 15:06 Uhr

Es ist ruhig an der Freilichtbühne Sömmersdorf. Der neue dreiköpfige Vorstand des Passionsspielvereins hat sein erstes Amtsjahr erst einmal für spielfrei erklärt. Und die einzig geplante Fremdveranstaltung mit dem Wortakrobaten Willy Astor am 1. August fällt höchstwahrscheinlich den Corona-Einschränkungen zum Opfer. Ruhe um die Freilichtbühne ist aber nicht eingekehrt. Nach wie vor gibt es den Konflikt mit Anwohnern, die wegen der Emissionsbelastung gegen eine Nutzung der Freilichtbühne außerhalb der Passionsspielzeit vorgehen. Sie fordern das Landratsamt Schweinfurt anwaltlich auf, dem Passionsspielverein entsprechende Auflagen zu machen. Was bedeutet das für den Theaterverein? Wir sprachen mit den drei Vorständen Norbert Mergenthal, Johannes Gessner und Dieter Mergenthal sowie Beirätin Bianka Brückner, die den Verein als Rechtsanwältin vertritt.

Bei der Abba-Show 2019 gab es keinen freien Platz mehr. Anwohner der Freilichtbühne möchten solche publikumswirksamen Veranstaltungen wegen der Lärmbelastung künftig verhindern.
Foto: Josef Lamber | Bei der Abba-Show 2019 gab es keinen freien Platz mehr. Anwohner der Freilichtbühne möchten solche publikumswirksamen Veranstaltungen wegen der Lärmbelastung künftig verhindern.
Das Landratsamt hat aufgrund der Anwohner-Beschwerden Schallmessungen beim Open-Air-Wochenende 2019 durchgeführt und sowohl bei den beiden Konzerten als auch bei der Abba-Show Überschreitungen der Lärmgrenzwerte festgestellt. Fazit der Behörde: Solche Veranstaltungen sind "ohne zusätzliche Maßnahmen" für die Freilichtbühne nicht geeignet. Wird es künftig keine Konzerte oder Musikshows mehr geben?

Johannes Gessner: Wir haben eine gültige Baugenehmigung, in der Konzerte und Theateraufführungen inkludiert sind. Die Messergebnisse des Landratsamtes haben auch nur minimale Überschreitungen ergeben.

Bianka Brückner: 65 Dezibel wären einzuhalten gewesen. Bei den beiden Konzerten "Herr der Ringe" und Hans-Zimmer-Filmmusik mit großem Orchester und Chor lagen wir nur 0,9 bzw. 1 Dezibel darüber und das nur am nächstgelegenen Wohnhaus. Bei der Abba-Show waren es 2,8 bis 4,5 Dezibel. Und das lag nicht an den Akteuren auf der Bühne, sondern am Publikum, das lauter war als die Musik. Ausschlaggebend war hier das Mitsingen und Mitklatschen des Publikums. Den zulässigen Spitzenpegel von 85 Dezibel haben wir bei keiner Veranstaltung erreicht. Nur zum Vergleich: Quakende Frösche im Garten schaffen bis zu 90 Dezibel. Und zu erwähnen ist schließlich auch, dass alle drei Veranstaltungen vor 22 Uhr beendet waren, die Abba-Show sogar schon vor 21 Uhr. Es war Juli, also Hochsommer!

Der Passionsspielverein hat auch ein Gutachten in Auftrag gegeben. Zu welchem Fazit kommt Ihr Experte?

Norbert Mergenthal: Unsere Prognose ist noch nicht fertiggestellt, sie steht aber kurz vor dem Abschluss. Auf der Basis dieser Ergebnisse werden wir dann Gespräche mit dem Landratsamt führen. 

Aufgrund Anwohnerbeschwerden hatte das Landratsamt beim Sömmersdorfer Open-Air-Sommer 2019 Schallpegelmessungen vorgenommen und Überschreitungen der Lärmgrenzwerte festgestellt.
Foto: Anand Anders | Aufgrund Anwohnerbeschwerden hatte das Landratsamt beim Sömmersdorfer Open-Air-Sommer 2019 Schallpegelmessungen vorgenommen und Überschreitungen der Lärmgrenzwerte festgestellt.
Dann sind die Messergebnisse des Landratsamtes nicht ausschlaggebend?

Brückner: Grundsätzlich schon. Aber nach unserer Auffassung und nach Rücksprache mit Sachverständigen ist die Auswertung dieser Messergebnisse nicht ganz korrekt erfolgt. Es wurden zum Teil Messzuschläge vorgenommen, die nicht hätten erfolgen dürfen, und Messabschläge nicht gewährt, die hätten berücksichtigt werden müssen. Das Resultat wäre dann wohl so ausgefallen, dass es bei keiner der drei Veranstaltungen Überschreitungen gegeben hätte. Wir haben zu den Messergebnissen des Landratsamtes bereits im November 2019 erstmals ausführlich Stellung bezogen. Die Behörde hat unserer Stellungnahme bislang nicht widersprochen.

Norbert Mergenthal: Letztlich handelte es sich bei den Messungen nach Angabe des Landratsamtes auch nur um sogenannte orientierende Messungen. Wir sind somit sehr optimistisch, dass solche Veranstaltungen weiterhin stattfinden können.

Gibt es bauliche Möglichkeiten, um die Emissionen einzudämmen?

Dieter Mergenthal: Man könnte eine Lärmschutzwand Richtung Süden/Südwest bauen. Laut Gutachter müsste diese aber mindestens vier, besser noch fünf bis sechs Meter hoch sein. Es bestünde auch die Möglichkeit, das Dach mit einem Schallschutzsegel abzuhängen.

Brückner: Es gibt aber keinen Bescheid des Landratsamtes, der uns so eine Baumaßnahme auferlegt. Wir sind hier nicht am Zug.

Gessner: Grundsätzlich sind wir aber bereit, zusätzliche Maßnahmen zur Schalleindämmung zu ergreifen, wenn sie kostentechnisch im Rahmen liegen und den Anwohnern helfen würden. 

Norbert Mergenthal: Wir nehmen die Beschwerden der Nachbarn ernst. Was genau möglich sein wird, lassen wir derzeit prüfen. Uns ist es wichtig, dass wieder Ruhe einkehrt.

Die Abba-Show hatte den höchsten Lärmpegel. Doch nicht die Musik war zu laut, sondern das begeisterte Mitklatschen und Mitsingen des Publikums.
Foto: Josef Lamber | Die Abba-Show hatte den höchsten Lärmpegel. Doch nicht die Musik war zu laut, sondern das begeisterte Mitklatschen und Mitsingen des Publikums.
Nehmen wir einmal an, die Auflagen für Konzerte sind nicht einzuhalten. Kann der Passionsspielverein ohne diese Einnahmen überleben?

Norbert Mergenthal: Die Unterhaltung der Freilichtbühne und der Passionsspielbetrieb wären zu schultern. Wir brauchen die Einnahmen aber für die Sanierung der angegliederten Robert-Seemann-Halle. Das Dach ist undicht, das Abwasser läuft nicht ab, hier muss dringend etwas passieren. Hallen dieser Größenordnung befinden sich andernorts in kommunaler Hand. In Sömmersdorf betreibt sie der Passionsspielverein, das ist eine Besonderheit. Die Halle wird von allen Vereinen im Dorf genutzt. Ob für Musikkonzerte, Sängertreffen, Faschings- oder Weihnachtsfeiern. Wir subventionieren also ganz erheblich das kulturelle Leben in Sömmersdorf mit.

Gessner: Das Motiv für eine stärkere Nutzung der Bühne ist aber nicht allein das Geld verdienen. Es gibt ein starkes Verlangen nach kulturellen Veranstaltungen. Und wir selbst wollen ja auch Theater spielen, nicht nur im Passionsjahr. 

Corona hat vieles lahmgelegt. Auch die Veranstaltung mit Willy Astor steht auf der Kippe oder kann eventuell nur mit begrenzter Zuschauerzahl stattfinden. Können die Mehrkosten des Bühnenbaus dann wie geplant abbezahlt werden?

Dieter Mergenthal: Dank einer Nachförderung liegen wir finanziell voll im Plan. Außerdem haben uns Gemeinde, Landkreis und Sparkasse Unterstützung zugesagt, wenn es eng werden sollte. Doch so wie es ausschaut, sind wir mit den Einnahmen aus den Passionsspielen 2023 im Jahr 2024 schuldenfrei.

Beim Hans-Zimmer-Filmmusikkonzert mit großem Orchester und Chor gab es nur an einem Messpunkt eine Überschreitung des Lärmgrenzwertes von einem Dezibel.
Foto: Anand Anders | Beim Hans-Zimmer-Filmmusikkonzert mit großem Orchester und Chor gab es nur an einem Messpunkt eine Überschreitung des Lärmgrenzwertes von einem Dezibel.
Gibt es eine Verpflichtung des Vereins gegenüber den Zuschussgebern, die Bühne außerhalb der Passionsspielzeit zu bespielen?

Dieter Mergenthal: Schriftlich sind wir keine Verpflichtungen eingegangen. Die Aufwertung der Freilichtbühne durch das neue Dach erfolgte auf Grundlage der Machbarkeitsstudie 2005, wonach auch außerhalb der Passionsspielzeit vermehrt kulturelle Veranstaltungen auf der Bühne angeboten werden sollen. Das war Grundlage für die Förderung. Im Hinterkopf hatten die Zuschussgeber aber keine konkrete Zahl an Veranstaltungen, sondern eine regelmäßige Nutzung der Anlage. Sömmersdorf soll zu einem kulturellen Mittelpunkt im Landkreis Schweinfurt aufgebaut werden.

Wie sieht das langfristige Veranstaltungskonzept für die Bühne aus?

Gessner: Es gibt noch kein langfristiges Konzept. Wir planen nach wie vor alle fünf Jahre die Passionsspiele, dazwischen eine Eigenproduktion und in den spielfreien Jahren ein feines kulturelles Angebot mit Gastspielen. Konkret heißt das: 2021 spielen wir "Robin Hood", 2022 bereiten wir uns auf das Passionsjahr 2023 vor, und ab 2024 steht sowieso erst mal die Hallensanierung an.

Wie hoch sind hier die Investitionen?

Norbert Mergenthal: Wir haben noch keine Kostenschätzung, weil noch nicht klar ist, ob wir sanieren oder neu bauen. Es wird in jedem Fall ein Großprojekt, das mindestens ein Jahr andauern wird.

Dieter Mergenthal: Es gibt im Vorfeld auch noch vieles zu klären. In der Halle befinden sich die Umkleidekabinen und Duschen für den Sportverein. Auch die Gymnastik- und Turnstunden finden hier statt. Es müssen deshalb Ausweichmöglichkeiten gesucht werden. 

Eine weitere Baustelle gibt es hinter der Bühne: Bei Starkregen wurden zweimal die unterhalb liegenden Grundstücke überschwemmt. Bahnt sich hier ein weiterer Anwohnerkonflikt an?

Dieter Mergenthal: Nein, hier gibt es keine Differenzen, wir haben bereits mit einem Abwassergraben entlang der Grundstücksgrenze Abhilfe geschaffen. Bei Starkregen werden die Wassermassen über diese Rinne direkt ins Regenüberlaufbecken geleitet.

Zurück zum Theaterspiel: Wie weit sind die Vorbereitungen für Robin Hood?

Norbert Mergenthal: Wir haben eine Umfrage gemacht, wer mitspielen will, die Resonanz war überwältigend. Wir werden fast 100 Mitwirkende haben, 70 stehen auf der Bühne, 23 hinter den Kulissen. Eigentlich ist das Stück nur für 20 Schauspieler ausgelegt. Unsere Regisseure hatten schon eine Version mit 60 Darstellern geschrieben und überarbeiten es jetzt nochmal, damit alle mitspielen können. Ende Juli wird es ein erstes Treffen mit dem Ensemble geben.

Verraten Sie etwas über die Inszenierung von Robin Hood und seinen Strumpfhosenhelden?

Norbert Mergenthal: Nur so viel: Es ist ein Abenteuerstück mit tollem Bühnenbild, Bogenschützen und Nahkämpfen. Auch Greifvögel werden zu sehen sein.

Freilichtbühne Sömmersdorf

Erbaut wurde sie 1957. Alle fünf Jahre wird auf der Freilichtbühne in Sömmersdorf das Leiden Christi durch den Verein Fränkische Passionsspiele inszeniert. Seit 2003 gibt es in der passionsspielfreien Zeit Eigenveranstaltungen. Auslöser für den Konflikt mit Anwohnern war 2018 der Bau des gewölbten Zeltdachs, ein mit hohen öffentlichen Fördergeldern verwirklichtes 3,4-Millionen-Euro-Projekt. Die Idee dazu war in Workshops zur Zukunft Sömmersdorfs entstanden. Durch den Bau der festen Überdachung aus Stahl und Zeltmembran soll die Bühne zu einem regionalen Kulturzentrum aufgewertet werden.
Quelle: is
 
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  • R. W.
    Ähnlich gelagerte Fälle gibt es ja häufiger. Wie sich meistens herausstellt geht es den Klägern tatsächlich aber gar nicht um den Lärm, sie wollen die Veranstaltungen grundätzlich nicht haben.
    Das mit dem Lärm ist jedoch das einzig handfeste, mit dem man vor Gericht möglicherweise durchkommt.
    Die wahren Gründe können vielfältig sein, aber allesamt zu leicht, lächerlich oder obskur, als das man damit an die Öffentlichkeit ginge.
    Das ist ähnlich wie bei Vermietern, die ihre Mieter einfach nur los haben wollen und auch wissen, sie kommen wenn überhaupt nur mit einer Eigenbedarfskündigung durch.
    Und so wird jetzt auch in Sömmersdorf ein lächerliches Lärmpegelmessungsspiel durchgeführt, an dessen Ende eine fünf Meter hohe Mauer stehen könnte.
    So wird es am Ende nur Verlierer geben. Ein paar Dezibel weniger werden die Kläger nicht glücklich machen, da andere Gründe vorliegen und den Passionsspielverein, der Arbeit, Mühe und Kosten hat und das Ensemble optisch verschandeln muss.
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