Die Legionärsschilde auf der Passionsspiel-Bühne passen, als auf der Videoleinwand das ewige Rom angeflogen wird. Wenn die Kamera in der Jupiterperspektive übers Kolosseum schwebt und der "Gladiator"-Soundtrack schmettert, ist man längst mitten drin, in der kolossalen Klangwelt des Hollywood- Star-Komponisten Hans Zimmer.
Robert König hatte zuvor als Vorsitzender des Passionsspielvereins begrüßt: "Genießen Sie die Atmosphäre, es wird spannend." Von Jaka Bizilj, Chef der Konzertagentur "Star Entertainment", gab es demonstrativ Lob für die Vereinsarbeit, das Thema "Lärmbelastung" wurde nur kurz gestriffen. Die biblische Bühne gehört dann den internationalen Solisten und dem Staatlichen Symphonie-Orchester aus Weißrussland, unter Leitung von Jurij Karawajew, plus Chor.
Die Stuhlreihen sind nur halb gefüllt, knapp 50 Euro hat das Ticket gekostet. Hans Zimmer-Enthusiasten kommen durchaus auf ihre Kosten, auch die Politprominenz, mit Bürgermeister Arthur Arnold, Bezirksrat Stefan Funk oder Innenstaatssekretär Gerhard Eck. Schon zu Beginn, bei der Bombastmusik von "Pirates of the Carribean", befeuchtet sich manch' Auge mit Salzwasser, während auf der Leinwand die Totenkopf-Flagge brennend flattert.
Sympathisch ist der Verweis auf Ruth First: "A World Apart" nennt sich der Film über eine südafrikanische Menschenrechts-Aktivistin, die 1982 ermordet worden ist. Hans Zimmer, der 1957 als Sohn eines Chemieunternehmers in Frankfurt geboren worden ist, steuerte zum Apartheidsdrama erstmals die Filmmusik bei.
Humanitäre Botschaften in den Zimmer-Werken
Die Chemie muss seither stimmen, und auch die humanitäre Botschaft, in den Werken des populären Künstlers und Produzenten: Sohn einer jüdischen Mutter, die 1939 nach England emigriert ist. Bald folgte Engagement auf Engagement, mit "Rain Main", "Mrs. Daisy und ihr Chauffeur" oder "Sherlock Holmes". Irgendwann wurden die Kassenschlager seinen Kompositionen angepasst, nicht umgekehrt.
Nebel wallt, Bühnenlicht flackert. Die Musiker aus Belarus spielen handwerklich auf hohem Niveau. Die Szenen im Hintergrund stimmen nicht immer so ganz mit dem Stück überein – egal, die Atmosphäre passt, was auch der Sopranistin und Moderatorin Johanna Krumin oder den Soulsängern Nina Nyembwe, Elizabeth Cunningham und Jean Marc Lerigab zu verdanken ist.
Ein Abend der großen Emotionen
Große Emotionen werden in jedem Fall bei "Gladiator" bedient, von Regisseur Ridley Scott. "Erlöser" ist hier der ums Erbe betrogene Feldherr Maximus, der seinen Befreiungskampf gegen einen Thronräuber mit dem Leben bezahlt. "Now we are free" nennt sich die Hymne von Lisa Gerrard, die in vielen Zungen gesungen wird, unter anderem Aramäisch - ein ähnlich schauerndes Epos wie der Soundtrack zur Germanenschlacht.
Brandpfeil-Salven hageln durch finstere Forsten, die Weißrussland mit teutonischen Wäldern gemeinsam hat. "Das große Vorbild von Hans Zimmer war nicht Dieter Bohlen und auch nicht Thomas Anders", flachst Johanna Krumin. Sondern Ennio Morricone, der das Gangsterdrama "Es war einmal in Amerika" musikalisch untermalt hat.
Italo-Western fast zu pathetisch
Der Gesang zur dreckigen, speckigen Pferde-Oper "The Good, the Bad and the Ugly" kommt für einen Italowestern fast schon zu pathetisch daher. Zurück zu Hans Zimmer. Die Musik des Öko-SciFi-Dramas "Interstellar" wurde von ihm teilweise auf einer Kirchenorgel intoniert: "Es atmet mit riesigen Lungen die große Emotion", verspricht die Ansage und behält Recht. Während die Galaxien leuchten und ein Schwarzes Loch Zeit wie Raum biegt, werden unten in Sömmersdorf Feuerschalen entzündet.
Bei "Time" aus dem Thriller "Inception" formt sich erneut der Kloß im Hals, in einer melancholischen Parallwelt, in der Traumreisende Stadtpanoramen übereinanderklappen können wie Sandwiches.
Und allein die Rotationsdauer eines Kreisels entscheidet, was noch real ist, was Täuschung. "Wow" seufzt es im Publikum.
Musik aus Superhelden-Streifen
Ein wenig fluffiger geht es in der zweiten Halbzeit weiter, mit dem "König der Löwen" und dem "Circle of Life" in der Steppe Afrikas. Es folgt routinierte Baaamm-Musik zu Superhelden-Streifen oder Militär-Dramen a la "Crimson Tide", "Pearl Harbor" und "Dunkirk". "12 Years a Slave" ist wieder eine Anklage gegen Rassismus. "Planet Earth", mit seinen schmelzenden Eisbergen, hat eine ökologische Botschaft.
Vor den Zugaben wird noch dem Heiligen Gral, Engeln und Dämonen gehuldigt, aus dem "Da Vinci Code": das einzige echte "Sakrileg" an diesem Abend. Das Publikum bedankt sich für ein schönes Konzert, das nur ein paar Zwischen-Längen hatte: mit verdienten Standing Ovations für ein hoch ambitioniertes Ensemble.