
Der zweite von drei Sömmersdorfer Open-Air-Abenden begeisterte 1000 Zuhörer – und Zuschauer – unterm Zeltdach der Passionsbühne in Sömmersdorf (Lkr. Schweinfurt). Der Lockruf erscholl diesmal aus Mittelerde: Angekündigt war das „Herr der Ringe und der Hobbit“-Konzert mit Orchester, Chor, Folk-Sextett und Billy Boyd, dem Pippin-Darsteller aus Peter Jacksons neunstündiger Tolkien-Verfilmung der Jahre 2001 bis 2003.
Schon die Aufzählung der beteiligten Hundertschaft versprach etwas anderes als ein bloßes Herunterspielen der oscar-prämierten Filmmusik von Howard Shore. Tatsächlich gab es die konzertante Aufführung eines Hobbit-Musicals zu bejubeln. Show-Produzent Jaka Bizilj sagte den Abend an, mit Dank an die Nachkommen des Autors John R. R. Tolkien, hatten sie es doch erlaubt, den Stoff seiner „Der Herr der Ringe“-Romantrilogie mit Poesie und Kunst weiterzuentwickeln.
Wenn Bizilj dies deutlich kommerziell durchkalkuliert hatte, so heißt das: Für die Großproduktion, die nach Sömmersdorf fünf weitere Tourneeauftritte in Deutschland spielen soll, möchte der Macher nicht unbedingt Geld drauflegen. Genau diese Haltung strahlte der kleine drahtige Mann in seinem blauen Anzug aus – neben dem kariert behemdeten Passionsspiel-Vereinsvorstand Robert König. Das örtliche Veranstaltungsmanagement kam ebenso sympathisch handfest rüber wie die internationale Produktion, von der reibungslos improvisierten Parkplatzanweisung durch die Freiwillige Feuerwehr bis zur Bewirtung der Gäste aus den Händen diverser Vereine. Kurz: Eine gehobene Wohlfühl-Atmosphäre umfasste das lauschige Freilichtgelände schon vor dem ersten Takt.

Da war es eine Freude zu sehen, wie die Instrumentalisten und der gut 20-köpfige Chor mit klassischer Würde das Podium betraten, war doch schon damit klar: Hier wird auch ernsthaft künstlerisch gearbeitet. So kam es auch. Die Philharmonie spielte kompakt und akzentuiert, wenn einer herausstach, dann mit Absicht der Paukenist, insbesondere bei den Fünf-Achtel-Rhythmen eines kriegerischen Leitmotivs. Den leicht verstärkten Orchesterklang vereinte ein begabter Soundmixer mit der Folk-Band und den Solo-Songs. Denn ein Dutzend Lieder – also deutlich mehr als die Soundtrack-Hits von Enya und Annie Lennox – reflektierte die Hindernisse auf dem Weg zum Einschmelzen eines sozial ambivalent bewerteten Schmuckstücks.
Billy Boyd mit dezent dramatisierender Profistimme
Das Publikum war hingerissen. Besonders gut kam der Gollum-Song an – und natürlich die Eigenkompositionen von Hobbit-Darsteller Billy Boyd, auch mit gut 50 Jahren immer noch smart and handsome. Boyd sprach mit seiner dezent dramatisierenden Profistimme eine Nacherzählung des Riesenstoffs, meist genau im Rhythmus der Musik. Da steckte mehr Probenarbeit drin, als die lockere Moderatorenpose ahnen ließ, die Billy Boyd zweimal an den Samstagabend legen musste: Regenschauer unterbrachen die Show. Der zweite und letzte freilich schon im Ausklingen der eigentlichen Ringe-Handlung.

Fehlte nur noch eine Ballade, die Boyd statt zum Orchester zur selbstgeschlagenen Gitarre im Nieselregen sang. Dabei ein hübsches visuelles Wunder: Boyd hatte erklärt, er vermisse die Philharmoniker. Die standen hinter ihm unterm Regenschutz und winkten mit elektrischen Feuerzeugen. Ihnen gegenüber leuchteten die Handybirnen aus dem Publikum, und mittendrin sang der in Würde gealterte kleine Hobbit Peregrin Pippin Took.
Und dann, als der Himmel nach wenigen Minuten wieder trocknete, ging noch eine ordentliche Mitklatsch-Zugabe in lang anhaltende Ovationen über.