
Ein Schluck gereinigtes Abwasser aus der Kläranlage gefällig? Für Nadine Scheyer kein Tabu: "Wir produzieren hier kein Trinkwasser, aber das Wasser ist nach der vierten Reinigungsstufe so sauber, dass man es trinken könnte", sagt die stellvertretende Werkleiterin der Stadtentwässerung Schweinfurt. Sie nimmt einen Schluck und lächelt: "Mein Herz schlägt für die Abwasserreinigung."
Wenn andere beim Thema Schmutzwasser die Nase rümpfen, zuckt die promovierte Bauingenieurin nur mit den Schultern. Und erklärt dann ausführlich, wie sich mit Abwasser in vielen Bereichen die verschiedensten Probleme lösen lassen - bei Wasser, Energie, Umwelt, Klima oder Gesundheit. Die Leidenschaft der 41-Jährigen: praktische Lösungen für ihre "Heimatregion" Würzburg-Schweinfurt zu finden.

Seit 2019 verantwortet die Würzburgerin die Bereiche Abwasserreinigung, Planung, Kanalnetz und Umweltlabor bei der Stadtentwässerung Schweinfurt. Das Klärwerk reinigt das Abwasser von 55.000 Menschen im Schweinfurter Stadtgebiet, 30.000 Menschen aus den Umlandgemeinden Schonungen, Sennfeld, Dittelbrunn, Gochsheim und Üchtelhausen sowie zahlreichen Industriebetrieben in und um Schweinfurt.
Ein Zukunftsprojekt nach dem anderen stößt Nadine Scheyer seither an und macht so die Schweinfurter Kläranlage auf ihren 13 Hektar Fläche - das entspricht rund 20 Fußballfeldern - zu einem Vorzeigebetrieb in Bayern.
Stadtbäume in Hitzesommern vor dem Vertrocknen retten, die Menschen rechtzeitig vor potenziell tödlichen Viren warnen, klimaschädliche Emissionen reduzieren, Sonnenenergie nutzen, die Wasserqualität für Fische und Pflanzen im Main verbessern - alles Ziele der umtriebigen Betriebsleiterin. Sie sei "leider ein Workaholic", meint die 41-Jährige. 50 bis 60 Arbeitsstunden pro Woche seien für sie "obligatorisch", doch ihr Job sei "überaus erfüllend".
Nadine Scheyer spricht von "Teamleistung": In den vergangenen sechs Jahren hätten die 58 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Stadtentwässerung nachhaltiger ausgerichtet. Sechs Projekte nennt sie als Beispiele:
1. Sonnenenergie nutzen ohne Flächenfraß

Um die Schweinfurter Kläranlage mit erneuerbarer Energie zu versorgen, wurde im Sommer 2024 ein Solarfaltdach mit einer Leistung von 372 Kilowatt Peak in Betrieb genommen. Damit der Photovoltaikanlage keine Grünflächen zum Opfer fallen, wurden Klärbecken auf einer Fläche von 2500 Quadratmetern überdacht - mit Seilbahntechnik aus der Schweiz.
2. Klimaschädliche Emissionen der Kläranlage senken

Auch Kläranlagen verursachen Treibhausgas-Emissionen. Doch wie viel, wisse niemand genau, sagt Scheyer. Für Kläranlagen gebe es keine Grenzwerte, beispielsweise für Lachgas, das 300 Mal klimaschädlicher sei als CO2. "Wir können die Emissionen aber erst reduzieren, wenn wir die Daten kennen." Seit 2023 lässt die Abwasserexpertin deshalb die Gas-Menge mittels "Ablufthauben" messen. Ziel sei, die Emissionen langfristig um ein Drittel zu reduzieren.
3. Mit Abwasser-Monitoring vor gefährlichen Viren warnen

Dass Viren im Darm schon vor dem Ausbruch einer Krankheit ausgeschieden und im Abwasser nachgewiesen werden können, macht sich die Stadtentwässerung Schweinfurt gemeinsam mit der TU München seit Beginn der Corona-Pandemie zunutze. Mit dem Abwasser-Monitoring, einer Art Frühwarnsystem im Gesundheitsbereich, lassen sich auch Grippewellen vorhersagen.
4. Abwasser so gut reinigen, dass man Obst bewässern könnte

Besonders stolz ist die Werkleiterin auf das "Nutzwasserprojekt", gefördert vom Bundesbildungsministerium. "Abwasser ist immer ausreichend vorhanden, auch im Sommer", sagt Nadine Scheyer. Die Idee ist daher simpel: Abwasser so sauber zu bekommen, dass man es für die Bewässerung von Grünanlagen und sogar für Obst und Gemüse, das roh gegessen wird, verwenden kann. Ihrem Team ist das gelungen, wie die Überprüfung durch Experten der TU München, des Technologiezentrums Wasser in Karlsruhe und des Umweltlabors der Stadtentwässerung selbst zeigt.
Keine Rückstände von Antibiotika mehr, keine Spuren der Korrosionsschutzmittel aus der metallverarbeitenden Schweinfurter Industrie: Selbst die am schwierigsten zu entfernenden Stoffe seien am Ende raus aus dem Wasser, sagt Scheyer. "Schon heute wird Gemüse, das bei uns im Supermarkt landet, in südlichen Ländern Europas mit Nutzwasser nach EU-Norm bewässert." Das allerdings sei längst nicht so sauber wie das Schweinfurter Nutzwasser.
5. Eine vierte Reinigungsstufe bauen und Grünflächen in Schweinfurt bewässern

Weil das Pilotprojekt im Kleinen so erfolgreich war, soll es ab 2027 im Großen realisiert werden: Dann sollen bis zu 85 Prozent des Schweinfurter Abwassers durch eine neue, vierte Reinigungsstufe geschickt werden. Geschätzte Investitionskosten: 22 Millionen Euro. Bis zu 60 Prozent will der Freistaat Bayern übernehmen.
Die vierte Reinigungsstufe entlaste nicht nur die Ökologie des Mains. Ein Teil des Wassers soll über ein "Rohr-in-Rohr-System" in einen zentralen Speicher zurück ins Stadtgebiet geleitet werden und zur Bewässerung von rund 30 Hektar städtischer Grünflächen dienen. "Unser Ziel ist, die Städte klimaresilienter zu machen, damit sie sich im Sommer nicht weiter aufheizen", sagt Scheyer.
6. Mit Künstlicher Intelligenz Wasser sparen und intelligenter verteilen

Nadine Scheyers nächstes Projekt ist Zukunftsmusik: "Wasser-Resilienz". Die statische Wasserinfrastruktur in Schweinfurt soll dynamischer werden. Dadurch könne man besser auf künftige Klima-Extreme reagieren, sagt die Bauingenieurin: etwa bei Starkregen mittels künstlicher Intelligenz das Wasser im Kanalsystem intelligenter verteilen.
Ein integriertes Bedarfsmanagement und die Bewirtschaftung alternativer Wasserressourcen für Nicht-Trinkwasserzwecke sollen die Effizienz steigern und Trinkwasserressourcen in Stadt und Landkreis Schweinfurt schonen. Mit dabei: die Stadtwerke Schweinfurt, der Trinkwasserversorger "Hessenwasser" und federführend die TU München.
Das Klärwerk Schweinfurt war schon in den 1980ern beachtenswert und hatte verschiedene biologische Klärstufen.
SW genügt fachliche Kompetenz und Umsetzungswillen.
Er bekommt hierfür mal meinen Dank ausgesprochen!
Respekt dafür!