
Familie S. ist verzweifelt. Seit Dezember 2023 kann sie nach eigener Aussage den Balkon ihrer Wohnung in Schweinfurt nicht mehr nutzen. Auch die Räume zu lüften, sei unmöglich, beklagen sie. Der Grund: Auf einem anderen Balkon in ihrem Wohnhaus wird regelmäßig gekifft, die Rede ist von "fast stündlich", egal zu welcher Uhrzeit, und der Rauch ziehe in ihre Wohnung, sagt die Familie, deren richtiger Name der Redaktion bekannt ist.
Besonders schlimm sei es im Sommer gewesen, als es in der Wohnung sehr heiß gewesen sei, erzählt die Familie. Mehrmals kontaktierten sie ihren Vermieter, dieser schaltete sich ein. Die Gegenseite habe erklärt, Rücksicht zu nehmen, "doch die Situation ist unverändert", sagt Frau S., die mit ihrem Mann und ihrem Baby seit 2021 in der Wohnung lebt. Das Problem sei: "Es ist jetzt gesetzlich erlaubt, niemand kann es verbieten."
Rauchbelästigung ist kein Thema für die Polizei
Und weil der Besitz und Konsum von Cannabis seit 1. April 2024 unter Auflagen in Deutschland legal ist, kann die Polizei bei einer Rauchbelästigung nicht hinzugezogen werden. "Das ist eine rein zivilrechtliche Angelegenheit", erklärt Denis Stegner vom Polizeipräsidium Unterfranken dazu. Ähnliche Fälle gebe es immer wieder mit Zigarettenrauch. "Wenn jemand in der Wohnung geraucht hat und es ist hochgestiegen, haben wir keine Möglichkeiten, polizeilich einzugreifen."
Auch wenn es Abmachungen mit anderen Parteien im Haus gebe, an die sich nicht gehalten werde, könne man die Polizei nicht rufen. "Da sind keine Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten erfüllt. Da muss man sich einen Anwalt nehmen und vor Gericht ziehen", erklärt Polizeisprecher Stegner.
Für den Schweinfurter Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Stefan Große ist das Thema noch neu. Ihm sei bezüglich des Cannabis-Konsums im Mietshaus bisher "noch keine gängige Rechtsprechung bekannt", sagt er. Generell gelte aber: "Der betroffene Mieter hat keinen direkten mietrechtlichen Ansprüche gegen den Nachbarn." Das heißt: Der Vermieter müsse sich um die Angelegenheit kümmern.
Anwalt rät: Mieter sollten Protokoll über Konsum führen
Bezogen auf vergleichbare Fälle mit Zigarettenrauch erklärt Anwalt Große deshalb: Mieterinnen und Mieter können bei ihrem Vermieter eine Belastungsanzeige aufgeben. Damit einhergehend sollten sie "ein Protokoll führen und möglichst auch Zeugen haben, die bestätigen können, dass es in dieser Häufigkeit stattfindet". Denn: Es sei "eine große Intensität notwendig", gelegentlicher Konsum sei hinzunehmen. Hinzukommen müsse eine Beeinträchtigung, zum Beispiel durch eine Geruchsbelästigung.
Auf Basis eines Protokolls könne der Vermieter dann beurteilen, ob es sich um eine wesentliche Beeinträchtigung oder um Einzelfälle handele. Anschließend werde er sich – wenn es ein guter Vermieter sei – mit dem anderen Mieter in Verbindung setzen und versuchen, eine Lösung zu finden, mit der beide leben können, sagt Große. So gebe es beispielsweise eine Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der eine Art Stundenplan für den Raucher erstellt worden sei.
Doch was, wenn sich daran nicht gehalten oder ein derartiger Stundenplan nicht akzeptiert wird? "Im Falle des fortgesetzten Fehlverhaltens des anderen Mieters kann eine Abmahnung oder Kündigung ausgesprochen werden", erklärt Große. Das würden viele Vermieter aber nicht tun, schließlich gehe es um ihre Mieteinkünfte.
Letzte Eskalationsstufe: den Vermieter verklagen
Die letzte Eskalationsstufe sei, den eigenen Vermieter zu verklagen. "Aber wenn Sie so weit sind, dass Sie Ihren eigenen Vermieter verklagen, damit er gegen einen anderen Mieter tätig wird, ziehen Sie meistens selbst aus." Und es gebe ein Beweisproblem: "Als betroffene Mieter müssen Sie beweisen, dass diese Störung tatsächlich da ist. Das geht nur, wenn man mit Nachbarn oder Freunden arbeitet. Hilfreich ist es, wenn mehrere Mieter betroffen sind."
Eine Möglichkeit sei, sagt Große, die Miete zu mindern. Eine Option, über die auch Familie S. nachdenkt. Doch damit seien sie nicht zufrieden. "Es geht nicht ums Geld", sagt Frau S., die lieber ihren Balkon nutzen würde. Ebenso sei ihnen vorgeschlagen worden, eine neue Wohnung für die Familie zu suchen. Sie fragen sich: "Warum sollen wir unser Leben ändern, weil jemand Marihuana raucht?"
Vor allem um die Gesundheit ihres Babys macht sich die Familie große Sorgen. "In der Nähe von Spielplätzen, Schulen und Kindergärten ist Kiffen verboten", sagt Frau S. Im Wohnraum sei es aber egal. "Rechtlich spielt es für den Gesetzgeber offenbar keine Rolle, ob da ein Kind ist, die haben das nicht mit aufgenommen", erklärt Anwalt Stefan Große dazu. Unter dem Gesichtspunkt könne man den Marihuana-Konsum nicht mit dem von Zigaretten gleichsetzen. Zigaretten dürfe man überall rauchen, Marihuana nicht. "Ob ein Gericht das aber so sieht, weiß man nicht."
Ist das Kiffen billiger als Alkohol?
§ 5 KCanG
(1) Der Konsum von Cannabis in unmittelbarer Gegenwart von Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ist verboten.
Ihre Frage nach Belegen, ob Kiffen krank macht oder nicht, wird nicht so leicht zu ermitteln sein.
Aber Antworten kann Ihnen dazu bestimmt Herr MdL Knoblach, der übrigens einer der wenigen Grünen gegen die Freigabe von Cannabis war und ist, geben.
Sie werden staunen!
Stinken tut's auf jeden Fall erbärmlich.
Ich bin Nichtraucher und mir ist die Legalisierung eigentlich wurscht, aber es ist auffallend, wie oft und an wie vielen Ecken es nun stinkt, wenn man abends mal ausgeht. Da kann einem Übel werden, wenn man mal ein paar Meter läuft um mal "frische Luft" zu schnappen.
Da ist mir fast der Tabakqualm lieber.
Aber Rücksicht konnte man da von Rauchern noch nie erwarten, egal ob Tabak oder Cannabis. Das war schon immer so.
Schnell einen Spielplatz errichten. Dann ist drum herum Verbotszone.