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Lohr
"Wesentlich häufiger ist es der Alkohol": Chef der Bezirksklinik Lohr über Cannabis als gefährliche Einstiegsdroge
Risikofreies Rauschmittel oder gefährlich? Psychiater Dominikus Bönsch erklärt, wie sich Cannabis im Körper auswirkt und warum es vor allem für junge Menschen riskant ist.
Wie wirkt Cannabis? Prof. Dominikus Bönsch, Leiter des Bezirkskrankenhauses in Lohr am Main (Lkr. Main-Spessart), gibt Auskunft über die Gesundheitsrisiken von Cannabis.
Foto: Fabian Gebert | Wie wirkt Cannabis? Prof. Dominikus Bönsch, Leiter des Bezirkskrankenhauses in Lohr am Main (Lkr. Main-Spessart), gibt Auskunft über die Gesundheitsrisiken von Cannabis.
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Julia Rüther
 |  aktualisiert: 19.04.2024 02:46 Uhr

Die Teil-Legalisierung von Cannabis ist seit 1. April in Kraft, doch noch immer entzünden sich darüber hitzige Debatten. Neben dem personellen und finanziellen Aufwand für Polizei und Justiz werden vor allem gesundheitliche Risiken als Gegenargument genannt. Cannabis sei die gefährliche Einstiegsdroge zu stärkeren Drogen, heißt es in der Debatte.

Eine veraltete Annahme, meint Prof. Dominikus Bönsch, Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie. Im Interview erklärt der Ärztliche Direktor und Leiter des Bezirkskrankenhauses Lohr am Main (Lkr. Main-Spessart), wie sich Cannabis auf den menschlichen Körper auswirkt, ob man es eine Einstiegsdroge nennen kann - und warum das Rauschmittel besonders für Menschen unter 25 Jahren gefährlich ist.

Frage: Welche Auswirkungen hat der Konsum von Cannabis aus Sicht des Mediziners?

Prof. Dominikus Bönsch: Cannabis wirkt sich nicht nur auf das Gehirn, sondern auf den ganzen Körper aus. Konsumentinnen und Konsumenten beabsichtigen vor allem die rauschartige Wirkung wie Euphorie oder Beruhigung. Unter medizinischen Aspekten gibt es aber noch weitere Auswirkungen wie Müdigkeit, verwaschene Sprache, Mundtrockenheit, Entspannung der Muskeln und Appetitsteigerung. Auch Denk-, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen können während des Cannabiskonsums auftreten. Und langfristig kann es zu Angst, Unruhe, einer Abhängigkeit und Psychose kommen.

Was ist eine Psychose?

Bönsch: Unter einer Psychose versteht man ein akut auftretendes Krankheitsbild mit Halluzinationen, Wahnvorstellungen und Denkstörungen. Eine durch Cannabis ausgelöste Psychose zeigt oft neben den Halluzinationen und Wahngedanken, insbesondere starke Stimmungsveränderungen, sowie typischerweise Verfolgungs- und Beobachtungsängste. Solch eine Psychose kann unterschiedlich lang anhalten. Wenn es ganz schlecht läuft, sogar mehrere Monate lang.

Wie wahrscheinlich ist es, dass jemand, der Cannabis konsumiert, eine Psychose entwickelt?

Bönsch: Es ist nicht so, dass man automatisch eine Psychose bekommt, wenn man Cannabis konsumiert. Aber bei Menschen, die eine genetische Voraussetzung dafür haben, kann Cannabis eine Psychose auslösen. Und wenn einmal eine Psychose aufgetreten ist, ist das Risiko sehr hoch, dass sie sich wiederholt. Dazu kommt, dass Psychosen bei Menschen, die Cannabis konsumieren, viel schlechter zu behandeln sind, schwerwiegender verlaufen und leicht chronisch werden können. Besonders hoch ist das Risiko bei Menschen unter 25 Jahren, die Cannabis konsumieren.

Warum ist Cannabis für junge Menschen so gefährlich?

Bönsch: Bis zu diesem Alter befindet sich das Gehirn in einer anhaltenden Entwicklungs- und Reifephase, in der sich Verknüpfungen verändern, abbauen und neu anlegen. Während dieser Zeit ist das Gehirn besonders empfindlich. Wenn da schädliche Substanzen wie Cannabis dazu kommen, dann gibt es dauerhaft Probleme, zum Beispiel in Form von Psychosen. Danach, wenn das Gehirn weitgehend ausgereift ist, ist es stabiler und der Cannabiskonsum weitaus ungefährlicher.

Kann man von Cannabis süchtig werden?

Bönsch: Wenn man Cannabis ausreichend lange und ausreichend hoch dosiert konsumiert, entwickelt sich fast immer eine Abhängigkeit, vor allem auf psychischer Ebene.

Cannabis wird immer wieder als Einstiegsdroge zu stärkeren Drogen bezeichnet. Zurecht?

Bönsch: Es gibt nicht die eine Einstiegsdroge, wie man es sich früher vorgestellt hat - dass man zum Beispiel durch Cannabiskonsum automatisch irgendwann auf der Straße landet und Heroin nimmt. Die Patientinnen und Patienten mit Drogenproblemen, die wir bei uns aufnehmen, konsumieren eine bunte Mischung aus den unterschiedlichsten Drogen. Da gibt es ganz verschiedene Zugangswege. Bei vielen war Cannabis die erste Substanz. Wesentlich häufiger ist es jedoch Alkohol. Daher würde ich sagen, Cannabis ist nur ein möglicher Zugang neben vielen anderen zu härteren Drogen.

Rechnen Sie damit, dass zukünftig mehr Menschen wegen Cannabiskonsum in die Bezirksklinik kommen werden?

Bönsch: Absolut. Alle Studien zeigen, dass in den Ländern, in denen Cannabis freigegeben wurde, die Häufigkeit der Aufnahmen in der Psychiatrie wegen cannabisbezogenen Störungen deutlich zugenommen hat. Deshalb erwarte ich, dass wir in Deutschland langfristig noch viel mehr psychiatrische Probleme erleben werden, als wir es jetzt schon tun. Und wir im Bezirkskrankenhaus Lohr platzen jetzt schon aus allen Nähten.

 
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Kommentare
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  • Hans-Martin Hoffmann
    Wieder mal

    wird trefflich über Symptome diskutiert, statt über Ursachen.

    Woran liegt es, dass die Menschen (gefühlt vermehrt) zu Drogen greifen? Und was wäre zu tun, um eben diese Ursachen zurückzudrängen? Oder ist Drogenkonsum vielleicht eine "Begleiterscheinung" menschlichen Lebens?

    Wenn wir nichts gegen die Ursachen unternehmen, werden die Menschen, die mit ihren Problemen nicht klarkommen, auch weiter Drogen finden, um den Problemen wenigstens zeitweise zu entfliehen. Egal ob die Drogen "legal" sind oder nicht. Sicher ist hingegen, dass es nichts nützt, den Konsum zu kriminalisieren. Die Betroffenen brauchen Hilfe und nicht noch mehr Probleme (mit der Justiz).

    Kann natürlich sein, dass es leichter ist "basta" zu sagen als tatsächlich etwas zu unternehmen. Da freuen sich aber dann insbesondere die Dealer...
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  • Dietmar Eberth
    Und täglich gib uns unseren Cannabis-Artikel.
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  • Christof Bretscher
    Gutes Interview mit den wichtigsten Fragen und verständlichen Antworten. Es gibt keine ausreichend sachliche Begründung, ein weiteres Suchtmittel zu platzieren. Alkoholische Getränke haben ohne Zweifel eine kulturelle gesellschaftliche Verankerung in der Gesamtbevölkerung. Wird deshalb nicht selten in „Bierlaune“ hochstilisiert. Wer mit den Süchtigen zu tun hat, weiß um die ausgedehnte Problematik und auch darum, dass die zahlreichen Hilfen oft erst zu spät oder gar nicht angenommen werden. Präventionsarbeit ist nicht eine isolierte staatliche Aufgabe, sondern betrifft uns alle. Oft schwierig. Aber ohne Not noch ein weiteres potentielles Gefährdungs - und Suchtmittel mit neuen problematischen Folgen zu legalisieren, ist ignorant. Zwar demokratisch zustande gekommen, was den Inhalt aber nicht besser macht.
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  • Manfred Englert
    Sie haben vollkommen recht, Herr Bretscher, ich sehe das auch so.
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  • Stefan Wolz
    Stimme ich auch zu. Aber Prof. B{nsch sagt aber auch:"Konsumentinnen und Konsumenten beabsichtigen vor allem die rauschartige Wirkung wie Euphorie oder Beruhigung". Der Meinung bin ich auch und die Mehrheit der Menschen kann Alkohol aus Genuss und nicht aus Sucht konsumieren. Das ist einfach so, auch wenn der Alkohol gerne verteufelt. Sicher Alkohol ist auch gefährlich. Ob die Mehrheit Cannabis vernunftig konsumieren kann, wird man erst noch sehen.
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  • Fabian König
    Doch, die gibt es. Und dabei geht es gerade darum, den Konsum von Cannabis zu verhindern. Das klingt erstmal widersprüchlich („Cannabis freigeben, um den Konsum von Cannabis zu verringern?“) - ist es aber nicht, wenn es richtig gemacht wird. Die Erklärung dafür finden Sie in diesem sehr gut gemachten Beitrag von Frau Dr. Nguyen-Kim in der ZDF-Mediathek: https://www.zdf.de/show/mai-think-x-die-show/maithink-x-folge-19-100.html
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  • Martin Deeg
    Und was wird unternommen gegen die Droge Alkohol, die massive Folgekosten verursacht - und dennoch besonders und speziell in Bayern als „Lebensgefühl“ romantisiert und politisch beworben wird?
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  • Stefan Wolz
    Dann sollte man jetzt mal damit beginnen, das Bezirkskrankenhaus in Lohr zu erweitern, damit der Neubau rechtzeitig fertig wird. Geld spielt in Deutschland doch keine Rolle, wir sind ein reiches Land.
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  • Hartmut Haas-Hyronimus
    Bei einem Besuch im Bezirkskrankenhaus wurde mir seinerzeit gesagt, dass über 50% der Patienten alkoholkrank sind bzw. waren.
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  • Stefan Wolz
    Und die anderen 50 % haben eine Psychose.... Ist ja eigentlich egal, Pro Bönsch erwähnte halt, dass die Klinik voll ist. Aber irgendwo wetden sicherlich KH frei nach der Krankenhaus Reform... Vielleicht sogar in Ochsenfurt... wurde ja gerade erst sehr kostspielig saniert vom KU.
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  • Hartmut Haas-Hyronimus
    die restlichen Patienten litten im Wesentlichen an Demenz, Persönlichkeitsstörungen oder Depressionen. Über diese Patienten würde ich ich nicht lustig machen.
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