Die Teil-Legalisierung von Cannabis ist seit 1. April in Kraft, doch noch immer entzünden sich darüber hitzige Debatten. Neben dem personellen und finanziellen Aufwand für Polizei und Justiz werden vor allem gesundheitliche Risiken als Gegenargument genannt. Cannabis sei die gefährliche Einstiegsdroge zu stärkeren Drogen, heißt es in der Debatte.
Eine veraltete Annahme, meint Prof. Dominikus Bönsch, Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie. Im Interview erklärt der Ärztliche Direktor und Leiter des Bezirkskrankenhauses Lohr am Main (Lkr. Main-Spessart), wie sich Cannabis auf den menschlichen Körper auswirkt, ob man es eine Einstiegsdroge nennen kann - und warum das Rauschmittel besonders für Menschen unter 25 Jahren gefährlich ist.
Prof. Dominikus Bönsch: Cannabis wirkt sich nicht nur auf das Gehirn, sondern auf den ganzen Körper aus. Konsumentinnen und Konsumenten beabsichtigen vor allem die rauschartige Wirkung wie Euphorie oder Beruhigung. Unter medizinischen Aspekten gibt es aber noch weitere Auswirkungen wie Müdigkeit, verwaschene Sprache, Mundtrockenheit, Entspannung der Muskeln und Appetitsteigerung. Auch Denk-, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen können während des Cannabiskonsums auftreten. Und langfristig kann es zu Angst, Unruhe, einer Abhängigkeit und Psychose kommen.
Bönsch: Unter einer Psychose versteht man ein akut auftretendes Krankheitsbild mit Halluzinationen, Wahnvorstellungen und Denkstörungen. Eine durch Cannabis ausgelöste Psychose zeigt oft neben den Halluzinationen und Wahngedanken, insbesondere starke Stimmungsveränderungen, sowie typischerweise Verfolgungs- und Beobachtungsängste. Solch eine Psychose kann unterschiedlich lang anhalten. Wenn es ganz schlecht läuft, sogar mehrere Monate lang.
Bönsch: Es ist nicht so, dass man automatisch eine Psychose bekommt, wenn man Cannabis konsumiert. Aber bei Menschen, die eine genetische Voraussetzung dafür haben, kann Cannabis eine Psychose auslösen. Und wenn einmal eine Psychose aufgetreten ist, ist das Risiko sehr hoch, dass sie sich wiederholt. Dazu kommt, dass Psychosen bei Menschen, die Cannabis konsumieren, viel schlechter zu behandeln sind, schwerwiegender verlaufen und leicht chronisch werden können. Besonders hoch ist das Risiko bei Menschen unter 25 Jahren, die Cannabis konsumieren.
Bönsch: Bis zu diesem Alter befindet sich das Gehirn in einer anhaltenden Entwicklungs- und Reifephase, in der sich Verknüpfungen verändern, abbauen und neu anlegen. Während dieser Zeit ist das Gehirn besonders empfindlich. Wenn da schädliche Substanzen wie Cannabis dazu kommen, dann gibt es dauerhaft Probleme, zum Beispiel in Form von Psychosen. Danach, wenn das Gehirn weitgehend ausgereift ist, ist es stabiler und der Cannabiskonsum weitaus ungefährlicher.
Bönsch: Wenn man Cannabis ausreichend lange und ausreichend hoch dosiert konsumiert, entwickelt sich fast immer eine Abhängigkeit, vor allem auf psychischer Ebene.
Bönsch: Es gibt nicht die eine Einstiegsdroge, wie man es sich früher vorgestellt hat - dass man zum Beispiel durch Cannabiskonsum automatisch irgendwann auf der Straße landet und Heroin nimmt. Die Patientinnen und Patienten mit Drogenproblemen, die wir bei uns aufnehmen, konsumieren eine bunte Mischung aus den unterschiedlichsten Drogen. Da gibt es ganz verschiedene Zugangswege. Bei vielen war Cannabis die erste Substanz. Wesentlich häufiger ist es jedoch Alkohol. Daher würde ich sagen, Cannabis ist nur ein möglicher Zugang neben vielen anderen zu härteren Drogen.
Bönsch: Absolut. Alle Studien zeigen, dass in den Ländern, in denen Cannabis freigegeben wurde, die Häufigkeit der Aufnahmen in der Psychiatrie wegen cannabisbezogenen Störungen deutlich zugenommen hat. Deshalb erwarte ich, dass wir in Deutschland langfristig noch viel mehr psychiatrische Probleme erleben werden, als wir es jetzt schon tun. Und wir im Bezirkskrankenhaus Lohr platzen jetzt schon aus allen Nähten.
wird trefflich über Symptome diskutiert, statt über Ursachen.
Woran liegt es, dass die Menschen (gefühlt vermehrt) zu Drogen greifen? Und was wäre zu tun, um eben diese Ursachen zurückzudrängen? Oder ist Drogenkonsum vielleicht eine "Begleiterscheinung" menschlichen Lebens?
Wenn wir nichts gegen die Ursachen unternehmen, werden die Menschen, die mit ihren Problemen nicht klarkommen, auch weiter Drogen finden, um den Problemen wenigstens zeitweise zu entfliehen. Egal ob die Drogen "legal" sind oder nicht. Sicher ist hingegen, dass es nichts nützt, den Konsum zu kriminalisieren. Die Betroffenen brauchen Hilfe und nicht noch mehr Probleme (mit der Justiz).
Kann natürlich sein, dass es leichter ist "basta" zu sagen als tatsächlich etwas zu unternehmen. Da freuen sich aber dann insbesondere die Dealer...