Generationenwechsel. Das sagt sich so einfach. Denn schließlich umfasst der Wechsel nicht nur Leute, die aufhören. Sondern auch Leute, die einsteigen wollen. Und das ist nicht immer so einfach. Unter anderem, weil die Bedingungen, unter denen Pioniere mit Herzblut gearbeitet haben, für die nächste Generation nicht mehr passen. Vereine spüren das, aber auch Einrichtungen, die einfach dazugehören im Leben der Stadt, wie die Kulturwerkstatt Disharmonie.
Ein eingespieltes Team geht
Geschäftsführer Jürgen Dahlke geht in Ruhestand, Birgit Väth, seit gut 20 Jahren für die administrativen Tätigkeiten zuständig, auch. Ein eingespieltes Team geht. Beide Stellen sind ausgeschrieben auf der homepage der Disharmonie, erzählen Jürgen Dahlke und Gerhard Feigl, Vorstand des Kulturvereins. Auch er denkt ans Aufhören. Das Thema will er bei der nächsten Mitgliederversammlung, wahrscheinlich im nächsten März, ansprechen. "Der Generationswechsel ist die größte Herausforderung, die die Disharmonie je hatte", ist er sich sicher.
Jürgen Dahlke hat 35 Jahre in der Disharmonie gearbeitet. Ab nächsten Juli ist er Rentner. "Ein Lebenswerk", sagt Gerhard Feigl mit Respekt. Was braucht man als Geschäftsführer einer Bühne, auf der 230 Veranstaltungen im Jahr stattfinden? Was ist das Besondere an dieser Aufgabe? Dahlke muss nicht lange überlegen. "Man muss Spaß haben an der Kultur", das ist schon mal eine Voraussetzung. Da fällt auch der Begriff Herzblut.
Das Schöne an seinem Job? "Man kann jeden Abend Bühnenluft schnuppern", sagt Jürgen Dahlke. Und man kann an fünf Abenden in der Woche die unterschiedlichsten Angebote auf der Bühne sehen. "Ein wunderbares Erlebnis." Dazu kommt, dass der Geschäftsführer das Programm gestaltet. Ziel: "Eine gute Mischung finden."
Disharmonie Schweinfurt bundesweit bekannt
"Man kann gestalten, hat viel freie Hand", das würde Feigl einem Bewerber oder einer Bewerberin für Dahlkes Nachfolge als Plus nennen. Die Disharmonie sei bundesweit bekannt, hat einen Namen in der Kulturwelt. Darauf könne man aufbauen. Und auch Neues ausprobieren. Dafür sei das Schweinfurter Publikum durchaus empfänglich.
Was beiden an kleinen Bühnen wie der Disharmonie so gut gefällt: "Hier entstehen die Programme für die großen Bühnen der nächsten zehn Jahre." Dahlke spricht von einem Laboratorium. "Die Basis entsteht hier." Viele Kabarettisten treten in der Disharmonie auf und probieren aus, wie etwas ankommt. Und die Stars der Szene waren so gut wie alle da: Mathias Egersdörfer, Rick Kavanian, Urban Priol, Arnulf Rating, regionale Größen wie Bernd Regenauer, TBC, Michl Müller. Dafür ist das Disharmonie-Team auch sehr dankbar. Denn die ausverkauften Veranstaltungen, stellenweise auch in größeren Hallen, wie der Grafenrheinfelder Kulturhalle, legen den Grundstock dafür, dass auch mal etwas gezeigt wird, das eher experimentell als kommerziell ist.
50.000 Euro Zuschuss gibt die Stadt im Jahr
50.000 Euro Zuschuss gibt die Stadt im Jahr, der Rest muss erwirtschaftet werden. Der Umsatz liegt bei 500.000 Euro im Jahr, so Feigl. "90 Prozent der Mittel, die wir brauchen, erwirtschaften wir selbst." Dahlke fügt hinzu: "Kunst und Kultur kosten Geld, man kann nicht alles einspielen." Mehr Unterstützung durch die Stadt würde sich die Disharmonie sehr wünschen, auch um den Generationenwechsel gut über die Bühne zu bringen. Ein neues Team ins kalte Wasser zu schmeißen, wäre keine so gute Idee. Jürgen Dahlke und Birgit Väth würden die Neuen auch gerne ein paar Monate einarbeiten, nicht einfach nur den Schlüssel übergeben.
Bei den bisherigen Interessenten habe sich gezeigt, dass es von Vorteil wäre, wenn nicht nur einer oder eine die ganze Verantwortung tragen müsste. Also eine zweite Vollzeit-Stelle für den Geschäftsführer-Posten. Der Wunsch werde seit Jahren an die Stadt herangetragen. Jetzt versucht die Disharmonie noch einmal, mehr Zuschuss von der Stadt zu bekommen. Für das Geld, das die Gründer bekommen haben, arbeite jetzt kaum mehr jemand.
An die 50.000 Euro zusätzlich bräuchte man. Das soll demnächst im Stadtrat behandelt werden. Es sei an der Zeit, den Zuschuss zu erhöhen, wenn man eine freie Szene, die Disharmonie in der Stadt haben wolle. Ohne Hauptamtliche im Team wird es das nicht mehr geben", sind sich Dahlke und Feigl sicher. "Das wäre für Schweinfurt ein herber Verlust."
Auch dank Spenden und Sponsoren durch die Pandemie gekommen
Durch Spenden, durch Sponsoren, durch die Unterstützung von Mitgliedern, durch Preisgelder, durch Mittel aus der Kulturstiftung, durch November-und Dezemberhilfen, mit Kurzarbeit habe man sich bis jetzt über Wasser gehalten, sei auch relativ gut durch die Pandemie gekommen. Die während der Pandemie gestundete Miete müsste jetzt aber an die Stadt beziehungsweise die Hospitalstiftung zurückgezahlt werden. Fast die Summe, um die die Disharmonie den Zuschuss der Stadt erhöhen möchte.
34.000 Euro kamen in der Corona-Zeit an Spenden zusammen. Ohne, dass Spendenaufrufe gestartet wurden, ohne Jammerbriefe, wie Flegl sagt und sich über die Wertschätzung freut. Das ist bestimmt auch etwas, was einen Bewerber oder eine Bewerberin für die beiden Stellen überzeugen könnte: Die Disharmonie scheint vielen Menschen wichtig zu sein.
Es soll sich etwas verändern, das wünschen sich Dahlke und Feigl. Jüngeres Publikum vielleicht, andere Schwerpunkte, mehr Einsatz von social media, um auf die Angebote aufmerksam zu machen. Sie würden sich gerne überraschen lassen. Und den Prozess mit Herzblut verfolgen. Deswegen ist es ihnen so wichtig, der nächsten Generation eine tragfähige Basis zu hinterlassen. Sie hoffen, dass das klappt.