Um es vorweg zu nehmen: das Gerücht, das durch Schweinfurt geistert, stimmt nicht: Die Geburtsabteilung im Krankenhaus St. Josef wird nicht geschlossen, betonen Verantwortliche auf Nachfrage der Redaktion. "Da ist definitiv nichts dran", stellt Krankenhausdirektor Norbert Jäger. Im Gegenteil: "Die Erlöserschwestern stehen voll hinter der Geburtshilfe."
Um das zu untermauern, hat der Krankenhauschef zum Pressegespräch ein großes Aufgebot mitgebracht – neben Personalchefin Yvonne Riegel-Then und Pressereferentin Kathrin Kupka-Hahn auch die stellvertretende Stationsleiterin der Geburtshilfe, Melanie Pfister, und Annemarie Lorz als Vertreterin der Hebammen. Und beide betonen: "Wir sind weiter für die Schwangeren da, rund um die Uhr."
Doch wie kommt es zu solchen Gerüchten? Genährt wurden sie laut Jäger durch eine Mitarbeiter-Information der Klinikleitung Anfang Juni. Darin sei auf die aktuelle Situation in der Geburtshilfe am Josef-Krankenhaus aufmerksam gemacht worden. Und diese sieht nicht rosig aus. Es fehlen Ärzte. Von den ehemals fünf Belegarztpraxen sind inzwischen drei weggebrochen. Und mit nur noch zwei verbliebenen Belegarztpraxen "wird es eng", räumt Jäger ein.
Das habe man den Mitarbeitern in einem Infoschreiben am 11. Juni offen kommuniziert. Mit der Folge, dass im Haus gleich das Gerücht umging, die Geburtshilfeabteilung würde wackeln. "Ich persönlich hatte keine Sorge", sagt die stellvertretende Stationsleiterin Melanie Pfister. Doch bei manchen Kolleginnen hätte die Mitarbeiterinformation Ängste ausgelöst. Als dann aufgrund der Corona-Pandemie auch noch die öffentlichen Kreißsaal-Führungen eingestellt wurden, verbreitete sich das Gerücht von der Schließung der Geburtshilfe schnell auch in der Öffentlichkeit.
2019 war der Kreißsaal über die Weihnachtsfeiertag geschlossen
Schon einmal war im Josefs die Notbremse gezogen worden. An Weihnachten 2019 war der Kreißsaal über die Feiertage bis Neujahr geschlossen worden. Damals herrschte ein Engpass bei den Hebammen. Sie waren unterbesetzt und hatten zu viele Überstunden aufgebaut, weshalb die Krankenhausleitung die Geburtshelferinnen in eine Auszeit geschickt hatte.
Jetzt sind die Hebammen ganz gut aufgestellt, nun mangelt es an Ärzten. Und das hängt mit dem Belegarztsystem zusammen. In Deutschland gibt es zwei verschiedene Arten von stationärer Versorgung: die Hauptabteilungen und die Belegabteilungen. Bis in die 1950er-Jahre hinein überwogen die Belegabteilungen, bei denen niedergelassene Ärzte die Patienten im Krankenhaus nebenher zu ihrer Praxis betreuen. Vor allem für kleinere Krankenhäuser, die sich nicht in allen Fachbereichen eine Hauptabteilung leisten können, ist das wirtschaftlich eine Alternative.
Belegärzte müssen Rund-um-die-Uhr-Dienst sicherstellen
Im Josef-Krankenhaus wird die Geburtshilfe ausschließlich im Belegarztsystem geführt. Das heißt: Alle hier tätigen Fachärzte für Gynäkologie und Geburtshilfe führen noch eine eigene Praxis oder arbeiten in einer niedergelassenen Praxis mit. Für Schwangere aus den Belegarztpraxen ist das von Vorteil: Sie werden vom ersten Tag der Schwangerschaft an bis zur Geburt von ihrem eigenen Arzt betreut. Für den Arzt selbst sieht die Situation etwas anders aus: Er muss in der Klinik auch Patientinnen betreuen, die nicht aus seiner Praxis kommen. Denn täglich ist einer der Belegärzte als diensthabender Arzt beziehungsweise Ärztin im Krankenhaus eingeteilt, damit für alle Schwangeren und Gebärenden stets ein Facharzt vor Ort ist. Die Belegärzte müssen dabei einen Rund-um-die-Uhr-Dienst sicherstellen und gleichzeitig in ihren Praxen die Vertretung regeln.
Je weniger Praxen sich am Belegsystem beteiligen, desto kleiner wird das Ärzteteam und desto größer das Aufgabengebiet. Aktuell herrscht im Josef-Krankenhaus ein solches Ungleichgewicht. Zwei Praxen decken im Moment den kompletten Dienst ab. "Auf Dauer wird das schwierig", so Jäger. Denn die Arbeit laste auf zu wenigen Schultern. Das Krankenhaus habe daher intensiv nach weiteren Belegärzten gesucht. Personachefin Yvonne Riegel-Then verweist auf Stellenanzeigen im Deutschen Ärzteblatt und allen einschlägigen Medien. Man habe sogar einen gynäkologischen Sitz ausgeschrieben. Das heißt, es hätte sich ein neuer Frauenarzt in Schweinfurt niederlassen können. Auch mit den Nachbarkliniken habe man Kontakt aufgenommen. "Wir haben überall unsere Finger ausgestreckt", so Riegel-Then.
Dass die Belegarztlösung bei Fachärzten so wenig Interesse findet, führt die Personalchefin auf die hohe Verantwortung und die "enormen" Versicherungssummen zurück. Vor allem junge Fachärzte schrecke das ab. Ähnlich ist die Situation vielerorts ja auch für die Hebammen. Die Geburtshelferinnen sind meist nicht mehr fest angestellt, sondern arbeiten als sogenannte Dienstbeleghebammen auf selbstständiger Basis. Im Josef-Krankenhaus ist das nicht so. Hier sind alle Hebammen in einer festen Anstellung. "Das ist gut", sagt Annemarie Lorz, "dass wir diese Sicherheit haben."
In Bad Kissingen wurde die Geburtshilfe bereits geschlossen
Wie geht es weiter mit der Geburtshilfe am Josefs? "Wir müssen schauen, dass wir Verstärkung finden", sagt Krankenhausdirektor Jäger. Auch weil der Träger, die Kongregation der Erlöserschwestern, "voll hinter der Geburtshilfe steht". "Und da Schweinfurt uns braucht", ergänzt Personalchefin Riegel-Then.
Zwischen 600 und 700 Geburten gibt es im Jahr im Josef-Krankenhaus. Diese müssten bei einer Schließung der Station vom Leopoldina-Krankenhaus übernommen werden, das mit rund 1600 Geburten im Jahr ziemlich am Anschlag ist. In der gesamten Region seien die Ressourcen knapp, so Jäger. In Bad Kissingen wurde die Geburtshilfe bereits geschlossen.
Die Krankenhausleitung will nun weiterhin kräftig die "Werbetrommel" rühren. Die personelle Situation bei den Ärzten sei zwar eng, "aber wir haben eine realistische Chance, unsere Situation zu verbessern", ist Krankenhausdirektor Jäger optimistisch.