Es gibt Einrichtungen, die man braucht, mit denen man aber wenig zu tun haben möchte. Krankenhäuser zum Beispiel, weshalb kaum jemand ein "Lieblingskrankenhaus" haben dürfte. Rundum glücklich macht so ein Krankenhaus dann, wenn man es als geheilt entlassen darf oder der Nachwuchs dort gesund und munter das Licht der Welt erblickt.
Und genau mit diesem ersten Schrei beginnt meine persönliche Josefkrankenhaus-Geschichte. 90 Jahre alt wird das Krankenhaus heuer. Im November 1959, als ich dort zu Welt kam, war es noch keine 30. Bis zur Einrichtung einer eigenen Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe werden noch neun Jahre ins Land ziehen. "Die eigentliche Abtrennung von Gynäkologie und Geburtshilfe war 1968", so die Ordensbeauftragte und Kommunitätsleiterin der Erlöserschwestern, Lydia Wießler. Die geburtshilflich-gynäkologische Abteilung mit 62 Erwachsenenbetten und 35 für Neugeborene, die damals an den Start ging, wurde von Chefarzt Dr. Franz Götz geleitet.
Seit seiner Eröffnung 1931 wurden im St. Josef Kinder zur Welt gebracht. Dr. Andreas Brech war der erste Chefarzt von Chirurgie, Gynäkologie und Geburtshilfe. Wöchnerinnen-Zimmer waren bis 1968 Teil der chirurgischen Abteilung. Es muss also so ein Wöchnerinnen-Zimmer gewesen sein, in dem meine Josefs-Geschichte begann. Eine (Lebens-)Geschichte mit holprigem Start. Mit dem Blut habe was "nicht gestimmt", und einmal sei "der Bub ganz blau angelaufen", weil er schlecht oder keine Luft bekam. Ich erinnere mich an sorgenvolle Mienen, wenn Eltern und Großeltern in späteren Jahren von meinen ersten Lebensmonaten sprachen. Da passt ins Bild, dass ich, sicherheitshalber, zwei Tage nach der Geburt, in der Krankenhauskapelle von St. Josef getauft wurde.
Nun denn, das "kränkelnde Kind" war in seinem ersten Jahr erneut im Josefkrankenhaus. Wie rührend man sich dort um den kleinen Kerl gekümmert hat, sollte noch viele Jahre lang ein mir nicht gerade willkommenes, aber bei den Verwandten gerne aufgewärmtes Kaffeekränzchen-Thema sein. Später und "aus dem Dreck raus", wie man früher herzhaft sagte, war ich oft Gast im Josefkrankenhaus. Dann aber als Besucher. Wenn immer jemand aus Verwandtschaft, Freundeskreis oder Nachbarschaft einen Blinddarm oder Gallenstein zu viel hatte, lieferte er den natürlich im St. Josef ab. Ich habe als Kind ernsthaft geglaubt, Leute vom Dorf kommen ins Josef, die "Schweiferter ins Städtische".
Lange Krankenhausbesuche sind nichts für Kinder. Wenn es langweilig war, wurden wir zum Quartett-Spielen – "aber leise, sonst gibt's Ärger" – in das altehrwürdige Treppenhaus mit seinem italienischen Marmor geschickt. Auf den Brüstungsmauern standen Missionsspardosen. Für diese Spendenfiguren, dunkelhäutige Porzellan-Kinder, deren Köpfe dankbar nickten, wenn man einen Groschen im Schlitz ihres Spendenkörbchens versenkte, hatten wir in unserer kindlichen Unbekümmertheit einen Namen, der heute einen Aufschrei des Entsetzens provozieren würde.
Wie dem auch sei, wir fütterten die demütig knieenden Missions-Kindlein fleißig mit den Pfennigen, die in den Besuchszimmern aus den Geldbörsen gekramt wurden, um die Kinder für ein paar Minuten loszuwerden. Diejenigen, die die Figuren ausleerten, schüttelten wohl eher den Kopf angesichts der Kupfermünzen-Flut, anstatt dankend zu nicken.
Als Patient war ich zum letzten Mal mit zwölf zu Gast im Josefs – dann aber richtig. Schien- und Wadenbeinbruch, fast sieben Wochen im Bett mit Gips bis zum Oberschenkel. Der Gehgips war wahrscheinlich noch nicht erfunden. Dafür gab's "Schule fürs Leben" zusammen mit sieben pubertierenden Jungs im Acht-Bett-Zimmer. Eine Schwester kam jeden Abend, bevor das Licht ausgemacht wurde, und sang mit glockenheller Stimme "Guten Abend, gut' Nacht, mit Rosen bedacht, mit Näglein besteckt, schlupf unter die Deck". Letzteres nahmen wir wörtlich. Wenn der letzte Ton verklungen war, wurden unter der Bettdecke und im Schein der eingeschmuggelten Mini-Taschenlampe die von Schulkameraden mitgebrachten Comics gelesen.
Seither – toi, toi, toi – war ich nicht mehr "krankenhausreif", durfte aber als Besucher vielfach erfahren, wie der Anspruch "Begleitung von der Wiege bis zur Bahre" im Krankenhaus St. Josef und seiner Palliativstation liebevoll und mit Hingabe gelebt wird.
Doch zurück zum erfreulicheren Teil des Lebens – seinem Anfang. 1968, mit der Trennung von der Chirurgie, wurde ein Säuglingszimmer eingerichtet, Milchküche und Stillraum für die Wöchnerinnen kamen dazu. Auch die Entbindungsabteilung ist seither von der Chirurgie getrennt. Die steigende Zahl der Geburten Mitte der 1960er-Jahre, der "Baby Boom", waren mit Auslöser dafür, alles "rund ums Kinderkriegen" im Haus auf eigene Füße zu stellen. So wurden 1963 dort 942 Babys geboren.
Seit 1968 eigene Fachdisziplin im Haus
1968 wurden Gynäkologie und Geburtshilfe eine eigene Fachdisziplin im Haus. Jüngster Meilenstein der stetigen Weiterentwicklung war 2006 die Inbetriebnahme der neu strukturierten und zeitgemäß gestalteten Entbindungsräume. Dennoch gab es – Zeichen der Zeit – "geburtenschwache Jahrgänge". In den 197oer-Jahren ging es massiv runter bis auf 326 Geburten im Jahr 1980, berichtet Schwester Lydia Wießler nach einem Blick in die Statistik, die einen langjährigen Geburtendurchschnitt von um die 700 ausweist.
Was es nie gab, ist eine Kinderklinik. Das Josefskrankenhaus ist eher die Adresse für die "normale" Geburt, wobei normal eher nie passt, ist doch jede Geburt einmalig. Bei sich abzeichnenden Risikogeburten oder eher ängstlichen werdenden Müttern wird bevorzugt ins Leopoldina überwiesen. Aber auch im Josefskrankenhaus wird per Kaiserschnitt entbunden, und das Krankenhausumfeld gewährleistet die ständige Verfügbarkeit eines Narkosearztes und OP-Teams.
Die werden in den meisten Fällen aber nicht gebraucht. Frauen bereiten sich in der Entspannungswanne oder unter sanft schimmernden Sternenhimmel auf die Entbindung in einem der drei Räume vor. Ob auf dem Geburtshocker oder im Bett, für alle Formen der Geburt gilt: Weg von der sterilen Apparatemedizin, hin zu vertraulich/familiärer Atmosphäre. Die Kunst dabei sei, dass das sterile nicht leidet, aber weniger sichtbar ist, erklärt Lydia Wießler.
Bei jeder Geburt ist ein Belegarzt dabei. Die ersten Untersuchungen am Neugeborenen werden durch die Kinderarztpraxis im Haus vorgenommen. 830 Mädchen und Buben kamen 2020 im Josefs zur Welt, eine hohe Zahl, die auch mit werdenden Müttern aus den Reihen der Asylsuchenden im Ankerzentrum zu erklären sind. Deren Zahl ist mit sinkender Belegung des Ankerzentrum stark rückläufig. Als die Amerikaner noch in Schweinfurt waren, wählten viele werdende US-Mütter "erstaunlicherweise", wie Schwester Lydia betont, das Josefkrankenhaus für die Geburt. Hebamme Katharina Henkelmann war gut 35 Jahre im Dienst und hat alleine mehr als 6600 Geburten begleitet. Nun, frisch im Ruhestand, kann sie auf ein Arbeitsleben zurückblicken, in dem sie in etwa der Einwohnerzahl einer Kleinstadt auf die Welt geholfen hat.
Vom Heiligen Josef zum Sepperle
"Im Sepperle geboren", das können Tausende sagen, da kam über die Jahre was zusammen. "Sepperle" sei übrigens ein liebevoll gemeinter Kosename, der auf Mitarbeitende und Ärzte zurückzuführen sei, die aus dem Oberbayerischen stammten, so Lydia Wießler. Dort ist der Sepp als Spitzname für den Josef noch weiter verbreitet als hier. Dass das Haus dem Heiligen Josef geweiht ist, daran erinnern Josef-Figuren an der Fassade, auf den Fluren und Stationen. Figuren, die oft von älteren Menschen, die sich zeitlebens im Haus gut aufgehoben fühlten, bei Holzschnitzern gekauft und gespendet wurden.
"Ich bin schon hier zur Welt gekommen, meine Kinder und Enkel auch, und meiner 18-Jährigen Urenkelin habe ich geraten, auch ins Josefs zu gehen, wenn es so weit ist." Über diesen Satz, den sie von einer Seniorin gesagt bekam, freut sich Schwester Lydia, ist er doch symptomatisch für das, was viele Familien über die Generationen hinweg mit dem Haus verbindet. Über die Entbindung hinaus Kontakte pflegen und das Vertrauen zu langjährig tätigen Kinderkrankenschwestern aufrecht erhalten, nennt Schwester Lydia einige Gründe, warum es zwischen dem Josefkrankenhaus und vielen Familien eine gewachsene Verbindung gebe.
Ein Phänomen, das noch ausgeprägter war, als im Haus die legendäre Schwester Wilhelma Niklaus tätig war. "Schwester Wilhelma kennt alle Kinder in Schweinfurt und rundherum" – das sei damals ein geflügeltes Wort gewesen. Heute noch sei es diese Kontinuität, die Vertrauen schaffe. So ist die aktuelle Leiterin der Entbindungsabteilung, Schwester Ramona Riedl, seit 28 Jahren im Haus. Eine Frau, "die das emotionale Feeling von Schwester Wilhelma hat", bescheinigt ihr Kommunitätsleiterin Lydia Wießler. Frauen, die ihren Beruf leben, wie zum Beispiel auch Hebamme Eva Maria Gal, die eigentlich schon in Rente ist, aber zehn Prozent weiterarbeitet, weil die Geburtsbegleitung zu ihrem Leben gehört und "weil es mir gut tut", wie sie sagt.
Und wie hat sich "Geburt" im Laufe der Zeit verändert? Werdende Mütter seien vorsichtiger, manchmal übervorsichtig geworden. In dieser Einschätzung sind sich Kathrin Kupka-Hahn, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit, und Kommunitätsleiterin Lydia Wießler einig. Das Vertrauen in den natürlichen Lauf der Dinge sei etwas verloren gegangen. Segen und gleichzeitig Fluch könne hier auch die im Internet gesammelte Informationsflut sein, ergänzt Kupka-Hahn. Lydia Wießler erinnert sich an ihre Zeit in Tansania. "Da ist Entbindung etwas Natürliches, was einfach zum Leben dazugehört." Diese Leichtigkeit habe etwas gelitten, zu oft werde eine Geburt im Vorfeld als "etwas Dramatisches" eingestuft, dessen Risiko es nach alle Seiten hin abzusichern gelte.
Seinen Instinkten folgen und der Hebamme vertrauen
Richtig oder falsch gebe es dennoch nicht bei der Geburtsvorbereitung, so Kathrin Kupka-Hahn. "Auf sich selber hören, seinen Instinkten folgen und sich dabei von einer Hebamme des Vertrauens begleiten lassen." Immer noch ein zeitlos guter Rat für alle werdenden Mütter, nicht nur im Krankenhaus St. Josef.