Er ist zwar erst vier Tage alt, aber Lächeln kann er schon wie ein Großer. Finley Milo erblickte bei den „Leo-Störchen“ im Schweinfurter Leopoldina-Krankenhaus das Licht der Welt und beschert Mama, Papa und seinem Brüderchen Wyatt seitdem viele schöne Momente. Er ist eines von bis zu 1500 Babys, die jährlich im Leopoldina geboren werden.
„Die Geburtenzahlen sind in letzter Zeit stetig gestiegen“, erklärt Hebamme Astrid Wimmer-Reith. Zum einen gebe es tatsächlich wieder mehr Kinder, zum anderen merken die städtischen Krankenhäuser, dass viele kleinere Geburtenstationen im ländlichen Raum ihre Pforten schließen mussten. Wimmer-Reith spricht aus eigener Erfahrung, war sie doch viele Jahre Hebamme auf der Geburtenstation in Werneck, die im Jahr 2014 schloss. Zusammen mit einer Kollegin aus Werneck unterstützt sie seitdem das Team am Leopoldina.
Doch aller Anfang war schwer, denn die Bedingungen in der Festanstellung waren nicht optimal. Es habe Engpässe in der Personaleinteilung gegeben, Hierarchien hätten Arbeitsprozesse unnötig behindert, erklären die Hebammen. Da kam die Idee einen Selbstständigen-Pool einzurichten, so Wimmer-Reith. Dank der Zuschüsse, die Krankenkassen seit Anfang 2016 zu den horrend hohen Versicherungskosten der Hebammen zahlen, sei der Gedanke nicht abwegig gewesen. Gespräche mit dem Geschäftsführer des Leopoldina, Adrian Schmuker, stießen auf positive Resonanz.
Bilanz nach einem Jahr
Nach einem Jahr der Selbstständigkeit ist es nun Zeit Bilanz zu ziehen, finden die 22 Hebammen. „Durch die freiberufliche Struktur können wir dem höheren Arbeitspensum durch die steigenden Geburtenzahlen besser gerecht werden“, sagt die leitende Hebamme Ramona Kühlmann. Dienste können nach Bedarf besetzt und so eine kontinuierliche und optimale Betreuung der Frauen im Kreißsaal gewährleistet werden.
Gleichzeitig habe die Umstellung zu mehr Flexibilität und vielen neuen Angeboten rund um die Entbindung im Leopoldina geführt. So werden viele Frauen bereits in der Schwangerschaft oder im Geburtsvorbereitungskurs durch die Hebammen betreut. „Das Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und Hebamme wird durch die kontinuierliche Betreuung natürlich verbessert“, so Sandra Goth, die schon seit vielen Jahren im Leopoldina arbeitet. Teilweise übernehmen die Hebammen auch die Nachsorge im häuslichen Wochenbett.
Die Stimmung im Team hat sich seit der Selbstständigkeit verbessert. Das spürt auch Leopoldina-Geschäftsführer Schmuker. „Durch den Umstieg ist eine flexiblere Betreuung möglich. Das ist absolut positiv.“ Die Zusammenarbeit mit Ärzten und Krankenhauspersonal verlaufe optimal.
Ein schönes Geburtserlebnis bescheren
„Für mich geht es darum, den Gebärenden ein möglichst schönes Geburtserlebnis zu bescheren. Dazu brauchen die Frauen das Gefühl der Geborgenheit und eine entspannte Atmosphäre“, beschreibt Wimmer-Reith ihre Motivation. Das empfindet auch Silke Schiwon-Nickels so, die schon als kleines Mädchen den Wunsch hegte, Hebamme zu werden.
„Für mich gibt es einfach nichts Schöneres als zu helfen, ein neues Leben auf diese Welt zu bringen.“ Natürlich gebe es auch Schattenseiten, aber in den allermeisten Fällen bringe eine Geburt ein positives Endergebnis hervor.
Trend zur schmerzfreien Geburt
Dank der neu gewonnenen Flexibilität auf der Mutter-Kind-Station richteten die Hebammen auch eine stationäre Wochenbettbetreuung ein, die so genannte Hebammenvisite. „Eine Hebamme besucht dabei die Wöchnerinnen mindestens einmal am Tag, führt Laborkontrollen durch und steht für Fragen, die die Zeit nach der Geburt betreffen, zur Verfügung“, erklärt Wimmer-Reith. Zudem werden alternative Therapieformen wie Kinesio-Taping, Akupunktur und Homöopathie von den Hebammen angeboten. „Unsere Leistungen werden direkt mit den Krankenkassen abgerechnet, nicht wundern, wenn wir für alles eine Unterschrift benötigen.“
Aufgefallen ist den Geburtshelferinnen, dass der Trend von der sanften Wassergeburt zurück geht – hin zu einer möglichst schmerzfreien Geburt mit mehr und mehr Schmerzmitteln. „Die Periduralanästhesie, kurz PDA, ist weiter auf dem Vormarsch, auch geplante Kaiserschnittgeburten sind heutzutage Gang und Gäbe“, berichtet Sandra Goth. Das sehen die Hebammen mit gemischten Gefühlen.
„Eine Geburt ist eben schmerzhaft, aber machbar. Das haben schon Frauen vor Tausenden von Jahren geschafft“, so Goth. Wimmer-Reith wünscht den Schwangeren wieder mehr Vertrauen in den eigenen Körper zu haben und „und ein gutes Körpergefühl zu entwickeln“.
Kritisch sehen die Hebammen auch den „Trend“, dass immer mehr Frauen bereits vor dem Mutterschutz in ein Beschäftigungsverbot gehen. Für ein solches seien die Gründe gut abzuwägen, sagt Goth. „Es kann für die werdenden Mütter auch negativ sein, sich den ganzen Tag lang nur auf das Baby im Bauch und die Geburt zu fokussieren.“
Positive Resonanz
Für Frauen, die gesundheitlich beeinträchtigt sind und längere Zeit auf Station bleiben müssen, haben die Hebammen das Projekt „Gut betreut-rundum versorgt“ initiiert. Die Schwangeren können während ihres Aufenthaltes besondere Angebote wie zum Beispiel Einzelgeburtsvorbereitung, Bauchgipsen, Maniküre oder Akupunktur nutzen.
Bisher sind die Rückmeldungen zu den verschiedenen Projekten rundum positiv ausgefallen. „Die Angebote werden gut angenommen“, sagt die leitende Hebamme Kühlmann. So ist auch die frisch gebackene Mama des kleinen Finley rundum zufrieden: „Ich habe mich hier sehr gut betreut gefühlt. Gerade die Unterstützung kurz nach der Geburt war super“, so Jennifer Holloway.
Gut so, denn die Hebammen können sich ein Arbeiten nach altem Muster nicht mehr vorstellen. Getreu des Verses, der eine Wand auf der Geburtenstation ziert, wollen sie die bestmögliche Versorgung für Mutter und Kind: „Drei Dinge sind uns aus dem Paradies geblieben. Die Sterne der Nacht, die Blumen des Tages und die Augen der Kinder.“
Mehr Infos unter: www.hebammenteam-leo-stoerche.de Infoabende sind an jedem ersten Montag im Monat um 19.30 Uhr, 8. Obergeschoss, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.