Mit lautstarken Sprechchören protestierten am Mittwochvormittag gut 20 Beschäftigte von Galeria Kaufhof in Schweinfurt vor der vom Aus bedrohten Filiale. Der zweistündige Warnstreik richtete sich diesmal aber nicht gegen die Schließung des Schweinfurter Standortes, sondern gegen den harten Sanierungskurs beim Warenhaus-Konzern Galeria Karstadt Kaufhof. Mit Rufen wie "Faires Geld für faire Arbeit" und "Wir wollen leben, zahlt uns Tarif" forderten die Streikenden die Rückkehr zu den regionalen Flächentarifverträgen.
Bundesweit hatte die Gewerkschaft Verdi Kaufhaus-Beschäftigte zu einem ganztägigen Warnstreik aufgerufen. Am Standort Schweinfurt, der von der Schließung der Galeria-Kaufhof-Filiale überschattet ist, wurde die Arbeit nur vorübergehend niedergelegt. Das Kaufhaus war während der Kundgebung am Vormittag für zwei Stunden geschlossen.
"Die Beschäftigten verzichten seit drei Jahren auf bis zu 5500 Euro jedes Jahr und leisten damit einen großen finanziellen Beitrag für die Sanierung von Galeria. Dass die Konzernleitung nun auch in den nächsten Jahren Lohnverzicht fordert, das macht uns wütend", begründet Betriebsratsvorsitzender Wolfgang Rattmann den Protest. Denn auch wenn den Schweinfurterinnen und Schweinfurtern die Kündigung bevorstehe, sei für sie besonders jetzt jeder Cent zur Existenzsicherung wichtig.
Vor allem befürchtet man, dass der vom Galeria-Konzernmanagement geforderte dauerhafte Lohnverzicht ein "Freibrief" zur Tarifflucht für den gesamten Einzelhandel sein kann. "Die Einkommen der Beschäftigten sollen in Zukunft völlig unberechenbar werden", kritisiert Rattmann und sieht dadurch eine Existenzgefährdung nicht nur der bei Galeria beschäftigten Menschen.
Konzernchef kritisiert das Vorgehen der Gewerkschaft
Der Galeria-Vorstand hatte im Vorfeld die Pläne für die Warnstreiks kritisiert. "Die geplanten Streikmaßnahmen sind offensichtlich rechtswidrig und drohen ruinöse Schäden zu verursachen, für die Sie haftbar zu machen wären", schrieben Konzernchef Miguel Müllenbach und der Galeria-Generalbevollmächtigte Arndt Geiwitz an die Verdi-Spitze.
Nichtsdestotrotz gingen die Galeria-Beschäftigten auf die Straße. In Aschaffenburg hatte Verdi zu einem ganztägigen Streik aufgerufen, an dem sich laut Gewerkschaftssekretär Peter König rund 50 Beschäftigte beteiligten. Die Empörung sei bei allen groß. Denn das Management plane nun erneut Massenentlassungen, und zwar sowohl in den Filialen, die geschlossen werden sollen, als auch in denen, die erhalten werden sollen.
"Ein digital und stationäres Warenhaus braucht aber nicht weniger, sondern mehr Personal, Service und gute Beratung der Kundinnen und Kunden, um mehr Umsätze zu generieren", so König. Das alles gelinge nur mit den Beschäftigten, die gerade jetzt mit Blick auf die enorm gestiegenen Lebenshaltungskosten Löhne brauchen, mit denen sie ihr Auskommen bestreiten können. Die Pläne des Managements seien das Gegenteil davon, kritisiert er.
In Schweinfurt nutzten die Protestierenden die Kundgebung auch, um noch einmal auf die angekündigte Schließung des Warenhauses aufmerksam zu machen. Die Unternehmensleitung hatte am 13. März bekanntgegeben, von den insgesamt 129 Filialen der angeschlagenen Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof 52 Standorte zu schließen. In Schweinfurt sollen im Januar 2024 die Lichter ausgehen.
Wut, Trauer und Empörung
Die Belegschaft hatte ein überdimensionales Herz mit den Konterfeis der Beschäftigten gebastelt, auf dem stand: "Wir kämpfen für unsere Zukunft." Viele der Demonstrierenden hielten Herz-Schilder in der Hand mit Sprüchen wie "Hier bin ich groß geworden", "38 Jahre Familie" oder dem Wort "Wut" in großen roten Lettern darauf. Ein Großteil der Galeria-Leute hält dem Haus seit Jahrzehnten die Treue. Eine Mitarbeiterin hatte auf ihr Herz-Schild geschrieben: "Horten gute Zeiten, Kaufhof andere Zeiten, Galeria Karstadt das Ende."
Ganz habe man die Hoffnung auf einen Fortbestand der Filiale noch nicht aufgegeben, sagt Betriebsratsvorsitzender Wolfgang Rattmann, auch wenn Ende April die Kündigungsschreiben erwartet werden. Über die Möglichkeit eines Wechsels in die Transfergesellschaft sollen die von Arbeitslosigkeit bedrohten Mitarbeitenden in den nächsten Tagen informiert werden.
"Momentan hängen wir total in der Luft", sagt Rattmann. Dass die Beschäftigten in Schweinfurt trotzdem engagiert ihrer täglichen Arbeit weiter nachgehen, sei ihnen hoch anzurechnen.