Egal wie man es nennen will: senioren- oder altengerecht, barrierereduziert oder barrierearm, schwellenarm oder behindertengerecht. So wird heute in Schweinfurt allenthalben gebaut und saniert. Nach Aussage von Herbert Hennlich vom Beirat für Menschen mit Behinderung wird auch das benötigte barrierefreie und somit nach DIN 180 40 ausgestattete Heim gefunden. Selbst die "uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbare Wohnung" sei – spätestens in vorbildlicher Zusammenarbeit mit der Stadt- und Wohnbau GmbH (SWG) – im Falle eines Falles im Angebot. Alles gut? Nein, sagt Karlheinz Surauf. Das Vorstandsmitglied des Seniorenbeirats vermisst in Schweinfurt den Mut, neue Wohnideen für das Alter zu verwirklichen. "Im Rathaus tut sich da nix", sagt Surauf.
Zwar sei der Wohnungsmarkt in Schweinfurt für Geringverdiener und Studenten "etwas angespannt", doch von einer Wohnungsnot könne keine Rede sein, so Surauf. Was fehle, das sei die richtige Einstellung auf die Bedürfnisse der Rentner, die fitter als in früheren Jahrzehnten seien, die Ansprüche und Freizeitinteressen hätten, die in einer Gemeinschaft und doch unabhängig, die selbstständig und selbstbestimmt leben wollten. Diesen habe Schweinfurt außer der Seniorenwohngemeinschaft des Vereins Freier Altenring im Stadtteil Bergl (16 Wohnungen plus Gemeinschaftsräume in der Oskar-von-Miller-Straße 95 bis 99) nichts zu bieten.
Auf fünf bis acht Prozent aller Schweinfurter schätzt der Seniorenbeirat den Bevölkerungsanteil, der sich bei freier Auswahl für alternative Wohnformen entscheiden würde, wobei Surauf das Zusammenwohnen der Generationen einberechnet hat. Surauf: "Zu unseren Info-Veranstaltungen sind sehr viele junge Familien gekommen."
Seniorenbeirat sucht Investor
Das Geld für ein eigenes Projekt hat der Beirat nicht, weshalb Surauf an die Gründung eines Vereins denkt, der einen Investor für die Bellevue sucht, wo dem Beirat für seine Zwecke ein 6000 Quadratmeter großes Grundstück zugesagt ist. Surauf stellt sich ein Baukastenprojekt mit bis zu 80 Wohneinheiten vor, also mit Eigentum und Mietswohnungen, mit Einheiten für junge Familien und für Senioren, mit Seniorenwohngemeinschaften, Gemeinschaftseinrichtungen, Pflegeplätzen, Spielplätzen und mit Nachbarschaftshilfe.
Für die Realisierung neuer Wohnformen nicht nur für das Alter biete sich natürlich auch die Innenstadt mit der kompletten Infrastruktur vor der Haustür an, so Surauf. Solche Projekte würde der Seniorenbeirat auch gerne begleiten.
Barrieren werden entfernt
Über die aktuelle Situation sprach die Redaktion mit Michael Radler von der Stadt- und Wohnbau (5000 Wohnungen). Seit vier Jahrzehnten baue und saniere die SWG senioren- und behindertengerecht "soweit technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar", sagt der Prokurist. Seit der Umstellung im Jahr 2002 auf die komplette Entleerung eines Objekts vor der Sanierung sei dies nicht nur in den Wohnungen, sondern auch in Gängen, Treppenhäusern, bei den Aufzügen, den Garagenhöfen und den Außenanlagen selbstverständlich.
Von dem Entfernen der Türstöcke, leicht erreichbaren Fenstergriffen und ebensolchen Lichtschaltern und Steckdosen, von Haltegriffen an Badewannen, bodengleichen Duschen und elektrischen (Haus-)Türöffnern profitiere letztendlich ein jeder, nicht nur der Senior und der Behinderte, sondern auch die Mutter mit Kinderwagen und der Vater mit den Einkaufstüten.
Für neue Wohnformen im Alter hat die SWG, die auch Eigentümer in der Oskar-von-Miller-Straße 95 mit 99 ist, ein Haus im Gründerzeitviertel vorgesehen. Dort ist die Theresienstraße 19 (bislang 19 Wohnungen auf 1145 Quadratmetern) ein Sanierungsfall. Allerdings will die Wohnungsgesellschaft auch hier einen Ansprechpartner wie bei der Wohngemeinschaft am Bergl. Finde man einen solchen nicht, werde wie üblich saniert und wieder vermietet, so Radler.
Hilfe im Einzelfall
Die Zusammenarbeit mit dem Behindertenbeirat stuft der Prokurist als sehr wertvoll ein. Dies gelte sowohl für die Planung neuer Projekte, als auch in jährlich 30 bis 40 Einzelfällen, in denen man mit dem Einbau neuer Duschen, dem Einbau von Haltegriffen, mit Stufenlift oder einem elektrisch zu steuernden Rolladen den Mietern das Leben erleichtere oder gar das Bleiben in vertrauter Umgebung ermögliche.