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Schweinfurt
Schwammspinner: Einsatz vom Mimic nur für die Spitzen der Massenvermehrung
Die Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft verspricht ein genaues Abwägen und will im Zweifelsfall gegen das Spritzen und für den Schwammspinner entscheiden.
Im Haardtwald, einem der beliebtesten Wandergebiete der Schweinfurter, droht eine Schwammspinnerplage. Den Einsatz von Mimic hat die Stadt beantragt. Eine Entscheidung steht aus.  
Foto: Gerd Landgraf | Im Haardtwald, einem der beliebtesten Wandergebiete der Schweinfurter, droht eine Schwammspinnerplage. Den Einsatz von Mimic hat die Stadt beantragt. Eine Entscheidung steht aus.  
Gerd Landgraf
Gerd Landgraf
 |  aktualisiert: 11.04.2020 02:10 Uhr

"Das oberste Ziel ist das Erhalten der multifunktionellen Eichenwälder", sagten Dr. Hannes Lemme, Dr. Stefan Müller-Kroehling (beide Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, Freising) sowie Stephan Thierfelder, Bereichsleiter Forst am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Schweinfurt. Gut eine Stunde dauerte die Telefonkonferenz der Redaktion mit den drei Experten. In Position gebracht wurden die Argumente für den Einsatz des Häutungsbeschleunigers Mimic auf den Spitzenbelastungsflächen bei der für heuer angesagten Massenvermehrung des Schwammspinners. Enttäuscht ist man von einigen Gegnern der Bekämpfung, die mit "unwahren" Behauptungen und dem  "unverantwortlichen" Auslassen von Tatsachen zumindest "fahrlässig" handeln würden.

Natur- und Gewässerschutz

Hannes Lemme aus der Abteilung Waldschutz ist zuständig für Überwachung, Monitoring, Bekämpfung und Prognosen von Forstschädlingen; Stefan Müller-Kroehling Mitarbeiter in der Abteilung Biodiversität, Naturschutz und Jagd der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft. Zur Lage in Stadt und Landkreis Schweinfurt teilte Stephan Thierfelder mit, dass untersucht sei, wo eine Massenvermehrung drohe, man die Waldbesitzer informiert und wegen einer Bekämpfung angefragt habe, jedoch die Belange des Natur- und Gewässerschutzes noch nicht eingearbeitet seien, weshalb es noch keine Einsatzpläne geben würde. Je nach Witterung (Wärme, Regen, Wind) wird das Befliegen mit dem Hubschrauber voraussichtlich wieder Ende April/Anfang Mai stattfinden.

Schwammspinnerbefall in einem Waldstück bei Hettstadt im Landkreis Würzburg im vergangenen Jahr.
Foto: Berthold Diem | Schwammspinnerbefall in einem Waldstück bei Hettstadt im Landkreis Würzburg im vergangenen Jahr.

Eine Bekämpfung vom Boden aus mit Chemie oder mit dem mechanischen Abkratzen ist für Hannes Lemme nicht erfolgversprechend, da die Gelege auch in den so nicht zu erreichenden Baumkronen seien. Müller-Kroehling verwies auf gescheiterte Versuche in den USA, wo man damit schon zu Zeiten vieler und kostengünstiger Arbeitskräfte vor Jahrzehnten gescheitert sei. Ein nur beim Schwammspinner wirkendes Gift gibt es nicht. Das Vorgehen mit Fallen ist nach Meinung der drei Fachleute nicht zielführend, da der künstlich hergestellte Sexuallockstoff in den Belastungsgebieten von dem Original übertrumpft werde.

Ein Meisenpaar verzehrt im Jahr 150 Kilogramm Insekten.
Foto: Gerd Landgraf | Ein Meisenpaar verzehrt im Jahr 150 Kilogramm Insekten.

Das Aufhängen von Nistkästen für Vögel wird als "gute Sache", aber nicht als Maßnahme zur Bekämpfung einer massenhaften Population gewertet. Der Scheitelpunkt einer solchen sei auch nicht mit Ameisen oder den Raupenräubern unter den Käfern zu kappen. Die Raupenräuber werden höchstens für Gebiete, in denen sich der Einsatz von Chemie verbiete, als aufwändige Alternative gesehen, weil diese Kannibalen in Einzelzellen heranzuziehen sind. Auch der verstärkte Einsatz anderer Feinde der Schwammspinnerraupe, darunter der Baculovirus, wird als nicht ausreichend zur Bekämpfung der Massenvermehrung eingestuft.

Mit Blick auf den Aufwand wird das derzeit diskutierte Anbringen von Kartoffelsäcken an den Baumstämmen als nicht angemessen eingestuft, denn dies mache nur vor der Eiablage Sinn (das Weibchen sucht dafür dunkle und geschützte Stellen), was bedeute, dass die Säcke allüberall zu verteilen wären, obwohl die Erfahrung zeige, dass auch bei einer Massenvermehrung in ganz Bayern nur Wohngebiete von drei oder vier Ortschaften betroffenen seien.   

Unwahr und unverantwortlich

Seit einem Jahr läuft ein gemeinsames Projekt der TU München, der Uni Würzburg und der Landesanstalt mit behandelten und unbehandelten Waldflächen. Erste Ergebnisse gibt es, doch sind diese vor einer Überprüfung auf "Herz und Nieren" nicht öffentlich gemacht, was insbesondere Stefan Müller-Kroehling bedauert, da die Berichte die Einschätzung der Landesanstalt, die auf einem intensiven Literaturstudium beruhe, bestätigten, wonach der Wald keinesfalls  tot gespritzt werde. Mimic wirke danach vergleichsweise moderat und nicht verheerend und habe "weniger Auswirkungen als selbst von uns befürchtet". Wer trotz dieser Kenntnisse davon spreche, dass alles getötet werde, was sich häute, der argumentiere "unwahr, unverantwortlich und fahrlässig", so Müller-Kroehling. Eine Vielzahl weiteren Untersuchungen bestätige (so Hannes Lemme), dass beispielsweise Käfer und Hautflügler nicht oder nur schwach betroffen seien.

Versichert haben Thierfelder, Müller-Kroehling und Lemme eine "genaueste Prüfung" aller Spitzenbelastungsgebiete. Im Zweifelsfall werde man sich gegen die Spritzung entscheiden. Auch seien keine großflächigen Maßnahmen angesagt. Von den etwa 150 Bekämpfungsflächen in ganz Franken (1800 Hektar) seien 75 Prozent kleiner als 15 Hektar.       

Sie haben es auf die jungen Blätter in den Baumkronen der Eichen abgesehen. Eine Raupe frisst bis zu ihrer Verpuppung bis zu einen Quadratmeter Blattwerk.
Foto: Landesanstalt für wald und Forstwirtschaft | Sie haben es auf die jungen Blätter in den Baumkronen der Eichen abgesehen. Eine Raupe frisst bis zu ihrer Verpuppung bis zu einen Quadratmeter Blattwerk.

Die Telefonkonferenz endete mit der Feststellung, dass alle Vor- und Nachteile abzuwägen seien. Als gering ist die Gesundheitsgefährdung für den Menschen eingestuft, der den Wald nach dem Abtrocknen der Sprühsubstanz auf den Blättern, also nach weniger als einem Tag, eigentlich wieder betreten könne, jedoch warten müsse, bis die über diesen Zeitraum hinaus angebrachten Sperrbänder wieder entfernt sind.

Bei der Gefahr für die Vögel sei nicht zu unterschätzen, dass der Schwammspinner auch deren Nester und Höhlen besetze und Jungtiere so elend verenden würden, und dass die Vogelbrut nach Kahlfraß  den Rabenvögeln auf den Präsentierteller gelegt sei. Die Landesanstalt werde die Vor- und Nachteile jedenfalls abwägen und sieht sich in ihren Entscheidungen von den deutschen wie auch den europäischen Naturschutzbehörden bislang bestätigt.

 
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