Wochenlang drangen massenhaft die Raupen des Schwammspinners in die Grundstücke am Schraudenbacher Glockenberg ein. Die Bewohner versuchten die Tierchen abzukehren, abzusaugen oder abzukärchern. Die Raupen aus dem nahen Staatsforst fraßen die Obstbäume kahl, krochen die Hauswände hoch, krabbelten in die Ritzen der Dächer und rekelten sich auf Garagen, Terrassen, Haustüren und Fenstern. – So beschrieb das Schweinfurter Tagblatt am 28. Juni 2019 die Invasion der Schwammspinner in der Landkreisgemeinde.
Jetzt droht den Bewohnern des Schweinfurter Stadtteils Haardt und von Dittelbrunn ein ähnlicher Ansturm. Im südwestlichen Haardtwald hat die Schwammspinnersondierung eine Massenvermehrung ergeben. Doch die Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft in Freising hat eine Bekämpfung aus der Luft abgelehnt, weil dort im Stadtwald dem Naturschutz (vor allem wegen der Fledermaus) Vorrang eingeräumt wird. Das städtische Forstamt hat den ablehnenden Bescheid mittlerweile in die Stadt an der Isar zurückgeschickt und um Überprüfung mit besonderem Augenmerk auf die Folgen für die Wohnbebauung in unmittelbarer Nähe des Haardtwaldes gebeten.
Stadtrat wird entscheiden
Falls die Landesanstalt doch noch zustimmt, wird Florian Haensel, Leiter des städtischen Forstamts, die Entscheidung dem Stadtrat überlassen. Empfehlen wird er dann allerdings den Einsatz des Häutungsbeschleunigers Mimik, also eines Stoffs, der alles was sich häutet tötet und so nicht nur das Nahrungsangebot für Fledermäuse auf Null drückt.
Förster Haensel fürchtet gravierende Schäden im Haardtwald, dessen Bäume durch Trockenheit und Hitze, durch Eichenwickler und Frostspanner seit Jahren gestresst und wenig widerstandsfähig seien. Einen Kahlfraß würden viele Eichen, Buchen, Hainbuchen und Edellaubbäume nicht überleben, sagte er der Redaktion. Alternativen zur chemischen Keule sieht er "leider" nicht. Dem Zerstören von Schwammspinnernestern durch Drahtbürsten seien klare Grenzen gesetzt, denn die Nester seien nicht nur an den Baumstämmen, sondern auch hoch oben in den Baumkronen, weshalb nur die Bekämpfung mit dem Hubschrauber und auch keine gezielte Spritzung vom Boden aus effektiv sei.
Mimik für ein Prozent des Stadtwalds
Die Stadt Schweinfurt besitzt 1200 Hektar Wald (vor allem im Norden der Stadt, im Bereich Brönnhof und bei Madenhausen). Deren Forstamt bewirtschaftet zudem die Waldungen der städtischen Hospitalstiftung mit 500 Hektar (bei Aura an der Fränkischen Saale und im Schwebheimer Wald). Eine Bekämpfung aus der Luft sei heuer für etwa ein Prozent dieser Flächen angesagt, so Haensel.
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Auf keinen Fall gespritzt werden darf entlang eines 50 Meter tiefen Streifens zur Bebauung, weshalb Haensel insbesondere Menschen mit Allergien auffordert, sich vor den Härchen des Nachfalters aus der Unterfamilie der Trägspinner in Acht zu nehmen, auch wenn diese weit weniger aggressiv als die des Eichenprozessionsspinners sind. Dies gelte natürlich auch für die gesamte Fläche des Haardtwaldes, also eines der beliebtesten stadtnahen Wandergebiete.
Schon 2019 überdurchschnittlich belastet
2019 hatte es auf der Haardt bereits Klagen über das verstärkte Auftreten der bis zu sieben Zentimeter großen grauen, aschgrauen oder graugelben sowie fein gepunkteten und mit blauen und roten Warzen versehenen gefräßigen Raupen gegeben, von denen jede einzelne bis zur Verpuppung etwa einen Quadratmeter Blattwerk vertilgt, wobei Eichen- und Hainbuchenblätter bevorzugt werden, aber auch fast alles andere frische (Garten-)Grün zwischen Anfang Mai und Ende Juni verspeist wird.
Von den Gelegen, in denen die Eier (blassrot, später dunkelgrau) überwintern, ziehen die Raupen einige Tagen nach dem Schlüpfen in die Kronen der Laubbäume und fressen zuerst die jungen, dann alle Blätter. "Auf der Haardt droht Kahlfraß an Bäumen", so Florian Haensel. Den Namen hat der Schwammspinner übrigens von dem schwammartigen Aussehen der Gelege (bis zu 1000 Eier), die bei der Anlage im Hochsommer mit gelbbrauner Afterwolle überzogen werden.
"Ohne Bäume kein Wald"
2019 hatte der Stadtforst eine Fläche gleich in der Nachbarschaft zur Bühne für die Passionsspiele bei Sömmersdorf bekämpfen lassen. Dort war nach den Beobachtungen von Naturfreunden danach kein Insekt mehr unterwegs und auch kaum noch ein Vogel zu sehen. Doch für den Förster, der den "Wald nicht nur wegen der Bäume liebt", ist die flächendeckende Bekämpfung aus der Luft mit einem Rückgang der Pupulation über viele Jahre hinweg die einzige Chance, den Bäumen das Überleben zu sichern, "denn ohne Bäume kein Wald".