Vor knapp einem Monat hat der Gerolzhöfer Stadtrat angesichts ausufernder Kosten beim Neubau von Grund- und Mittelschule die Reißleine gezogen. Das Gremium stellte das bereits beschlossene, seit sechs Jahren diskutierte Vorhaben zurück. Zudem einigten sich die Stadtratsmitglieder notgedrungen darauf, sich die Zeit zu nehmen, nochmals Kosten und Umsetzungsmöglichkeiten für insgesamt zehn mögliche Varianten auszuarbeiten. Diese reichen von einer Minimalsanierung bis zum Neubau auf der grünen Wiese. Erst, wenn die Ergebnisse vorliegen, soll entschieden werden, wie's weitergeht.
In der seit Monaten geführten Debatte sind zwei Stimmen kaum zu hören gewesen: die von Grundschulrektorin Barbara Heining und die ihres Amtskollegen an der Spitze der Mittelschule, Rektor André Krauß. Diese Redaktion hat die beiden gebeten, sich dazu zu äußern, was sie von der jüngsten Wende in der Schulhaus-Frage halten. Schließlich vertreten sie auch die jeweils gut 300 Schülerinnen und Schüler der beiden Gerolzhöfer Schulen.
Rektorin Heining zeigt Verständnis für den durch den Stadtrat verhängten Planungsstopp, den tags darauf die beteiligten Schulverbände der Grund- und Mittelschule mehrheitlich bestätigt haben. "Wir verstehen das", stellt sie mit Blick auf die auf rund 60 Millionen Euro gestiegene Kostenprognose fest. Die Zahlen hätten sich leider "ganz anders entwickelt", als es die Beteiligten erwartet hätten.
Großer Aufwand für pädagogisches Konzept
Zugleich wünscht sie sich im Sinne der Schulfamilie eine baldige Lösung. Wenn es nach ihr ginge, würde es bei dem ursprünglich geplanten Neubau bleiben. Sie verweist auf das mit großem Aufwand erarbeiteten pädagogischen Konzept. Damit habe auch sie sich seit ihrem Start als Rektorin in Gerolzhofen im August 2022 intensiv beschäftigt. Eine mögliche Minimalsanierung des Gebäudebestands wäre mit dem gewünschten Konzept unvereinbar. "Wir müssten hier komplett neu planen", sagt Heining.
Als Beispiel nennt sie die Möglichkeit, mehrere Klassenzimmer räumlich so anzuordnen, dass diese für Formen gemeinsamen Unterrichtens offen stehen. Solche Chancen böten sich nur in einem Neubau. Schulen würden heutzutage deshalb ganz anders geplant als früher. "Gangschulen, bei denen die Klassenräume aufgereiht nebeneinander liegen, baut man nicht mehr", sagt die Rektorin. Dies hätten sie eindrucksvoll bei einem Besuch in einer vor acht Jahren fertiggestellten Grundschule in Nürnberg gesehen. Dies habe vor allem viele Jüngere im Lehrerkollegium beeindruckt, so Heining.
Bestandsbau unvereinbar mit modernem Unterricht
Auch Mittelschulrektor André Krauß sieht das so: "Der bauliche Stil der Mittelschule, die fast 60 Jahre alt ist, ist mit modernen Unterrichtsmethoden unvereinbar." Daran ließe sich auch mit einer Sanierung, inklusive möglicher Anbauten, nichts ändern.
Deshalb plädiert er ganz klar für einen Neubau, und zwar nicht, wie vom Stadtrat einst beschlossen, am Standort Lülsfelder Weg, sondern am Stadtrand. Als mehrfach diskutierter Standort nennt Krauß den Acker neben dem FC-Gelände in Richtung Schallfeld. Dort könnten aus Sicht des Rektors auch Außensportanlagen großzügig und angemessen verwirklicht werden. Dort lägen, was die Nutzung der Sportanlagen angeht, Kooperationsmöglichkeiten mit dem Fußballverein auf der Hand, zum beiderseitigen Nutzen.
Sollte am bisherigen Schulstandort am Rande der Altstadt neu gebaut werden, könnte Krauß sich nicht vorstellen, dort ein Außensportgelände in zufriedenstellender Größe unterzubringen. Dafür fehle es einfach am notwendigen Platz.
Fußweg zum Sportplatz frisst viel Zeit
Dass die aktuell fehlenden Sportmöglichkeiten an der Schule ein Problem darstellen, bestätigt auch Heining. Derzeit müssten die Grundschülerinnen und -schüler für ihren Sportunterricht im Freien eine halbe Stunde zum Sportgelände an der Realschule laufen, und wieder zurück. Damit gehe dem Sportunterricht viel Zeit verloren.
Anders als Krauß sieht Heining einen Neubau am Stadtrand nicht so positiv. Die Schule läge dort "ab vom Schuss", sagt sie. Dies sei vor allem für Kinder aus dem Norden Gerolzhofens, etwa aus dem Baugebiet "Weiße Marter", ungünstig.
Krauß rechnet damit, dass ein weiteres Jahr verstreichen dürfte, bis die vom Stadtrat eingeforderten neuen Zahlen zu den Alternativen vorliegen. Wenn es nach ihm ginge, würden keine zehn Varianten geprüft, sondern nur drei: die Sanierung des Bestands sowie ein Neubau am bisherigen Standort und einer neben dem FC-Gelände. "Das hätte genügt", meint Krauß. Dies sei auch die überwiegende Meinung im Schulverband gewesen.
Krauß: Günstiger wird's nicht mehr werden
Letzten Endes, meint Krauß, werde sich wohl zeigen, dass die Kosten nicht mehr sinken werden, egal zu welcher Lösung man gelangt. Auch glaubt er nicht daran, dass eine grundlegende Sanierung, inklusive der Kosten für eine Interimslösung zur Unterbringung der Schülerinnen und Schüler während der Bauzeit, entscheidend günstiger käme als ein Neubau. "Aber ich bin ja kein Architekt", sagt der Rektor.
Seine Amtskollegin im Schulhaus gegenüber glaubt daran, dass Schulverband und Stadtrat die bestmögliche Lösung suchen. Zugleich weiß sie: Bis zum Abschluss einer baulichen Lösung – ganz gleich welcher Art – werden noch etliche Jahre verstreichen. Bis dahin möchte sie das Beste aus der unbefriedigenden Lage machen. Deshalb hat sie das alte Lehrerzimmer im Keller der Grundschule als zusätzlichen Gruppenraum herrichten lassen. Dort stehen jetzt neue Möbel und es gibt einen modernen interaktiven Bildschirm anstelle einer Tafel.
Auch Sekretariat und Rektorat wurden gestrichen und erhielt neues Mobiliar, "das wir in eine neue Schule umziehen können", sagt Heining. Das Schulhaus ist zwar alt, soll aber trotz aller Mängel weiterhin freundlich und auf keinen Fall heruntergekommen wirken.