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OBERLAURINGEN
Rückert und Oberlauringen: Erinnerungen als Schätze
Das Engel-Fresko in der Oberlauringer Kirche ist wieder freigelegt.
Foto: Martina Müller | Das Engel-Fresko in der Oberlauringer Kirche ist wieder freigelegt.
Susanne Wiedemann
 |  aktualisiert: 07.04.2020 10:57 Uhr

Genie, Gelehrter, Sprachtalent, Dichter, Denkmal, Vielschreiber. Alles Rückert, klar. Aber was macht den Menschen Friedrich Rückert aus? Eine Antwort darauf gibt es in Oberlauringen. Dort hat Friedrich Rückert (1788 bis 1866) neun Jahre seiner Kindheit verbracht. Mit Wehmut, einer Prise Frechheit und Liebe erinnert er sich später mit 41 Jahren an diese Zeit in seinem Gedichtzyklus „Erinnerungen aus den Kinderjahren eines Dorfamtmannssohnes.“

Spaziergang auf Rückerts Pfaden

Um Rückert dreht sich auch die Kulturveranstaltung des Landkreises am Vortag des Tags des offenen Denkmals. Bei einem Spaziergang durch Oberlauringen entlang des Rückertwegs, gekennzeichnet von der Silhouette Rückerts mit einer Schwalbe im Hintergrund (Hans Mager vom Rückert-Arbeitskreis: Wenn Sie einen Indianer mit Feder sehen, machen Sie was falsch“.) bekommt man ein Gefühl, wie das war, als Stadtkind hierherzukommen. Wie es war, die Natur zu erleben, die sozialen Unterschiede zu spüren, die Menschen zu beobachten, die so ganz anders waren.

Keine Schuhe hatten die Leute , heißt es in einem Gedicht. Und es ist wohl mehr als symbolisch, wenn in einem Gedicht der junge Friedrich Rückert den Tanten, den Muhmen, die aus der Stadt zu Besuch kommen, die toten Strohblumen auf den Hüten durch frische ersetzt.

Poetisches Plätschern

Richtig poetisch ist es am Zusammenfluss von Lauer und Leinach, unterm dunklen Erlenschauer, wie's im Gedicht „An Blandusias Quelle“ heißt. Dem Menschen Rückert kommt man hier schön nahe. Zur Ode an die Flüsschen seiner Heimat hat ihn eine schon von Horaz besungene Quelle in den Albaner Bergen bei Rom inspiriert. Sein Oberlauringen hatte er wohl immer im Herzen.

Beim Rundgang, vorbei an Schloss, Rückert-Pforte, Krautschneider-Haus und Kirche, gibt es aber noch etwas zu entdecken: die Begeisterung und Leidenschaft, mit der sich der Ort und der Rückerts-Arbeitskreis darum kümmern, Rückerts Andenken mit Leben zu erfüllen. „Wir wollen nicht nur erhalten, sondern auch bewegen“, sagt Stadtlauringens Bürgermeister Friedel Heckenlauer mit ziemlich viel Stolz auf die Oberlauringer.

Die Idee, Oberlauringen zum Themendorf mit Schwerpunkt Rückert zu machen, sei auf großen Zuspruch gestoßen. „Ich habe die Menschen in Oberlauringen schneller erreicht, als sich es angenommen habe.“

Freund, kein Experte

Kreuz und quer durch Rückerts Werke führt dann Hans Driesel in der Kirche. Das ist auch eine Gelegenheit, das freigelegte Engel-Fresko über dem Altarbogen zu bewundern, auf das Pfarrer Martin Hild die Besucher aufmerksam macht.

„Ich bin kein Rückert-Experte, sondern ein Rückert-Freund“, sagt Driesel. Und wie das so ist, wenn man mit jemandem befreundet ist: man kennt auch die Schwächen. Wenn der Dichter aus heutiger Sicht eteas zu euphorisch über das bei der Völkerschlacht in Leipzig vergossene Franzosenblut ist, zum Beispiel. Das tut Driesels Bewunderung für Rückerts Genie aber keinen Abbruch.

Rückert als Mahner

Driesel stellt Rückert als Mahner vor, beim Weltverbessern doch erst mal bei sich selbst anzufangen. Frieden mit sich selbst schließen und nach außen tragen, ist eine von Rückerts Botschaften. Um die Umwelt hat er sich Gedanken gemacht, als das wohl sonst noch keinem wichtig war. Er stand nie still, lernte, wollte immer noch mehr wissen. Mit jeder gelernten Sprache befreit man einen in sich gebundenen Geist, eine unbekannt gewesene Weltempfindung, war sein Credo. „Er war ein ganz, ganz großer Mann“, sagt Driesel.

Liebensdichtung beflügelt

Nachdenklich, satirisch, humorvoll präsentiert er Friedrich Rückert. Zum Schluss gibt's noch eine Aufgabe für das Publikum: „Machen Sie sich mal selbst über die Liebesdichtung, das beflügelt.“ Driesel gibt aber auch noch was zum Nachdenken mit, wenn er die „Erinnerungen eines Dorfamtmannssohnes“ erwähnt. „Erinnerungen sind die wahren Schätze unseres Lebens.“

Diese Erinnerungen des Dorfamtmannssohnes sind die Quelle für das Rückert-Poetikum, das im Alten Rathaus entsteht. Dagmar Stonus und Nora Zügel haben das Werk neu herausgegeben. In dem Haus, das aus dem 17. Jahrhundert stammt, soll der Besucher auf eine poetische Reise gehen können. „Die Ausstellung soll ein Schlüssel sein zur Beschäftigung mit Rückert“, sagt Ausstellungsmacherin Dagmar Stonus. Sie wünscht sich einen aktiven, intensiven und lebendigen Austausch. Auch das Leben in der damaligen Zeit soll beleuchtet werden. Amt, Adel, Religion, Familie, Freunde, Lehrer, Natur: Der Rückert-Kosmos ist groß.

Viel Kultur und Tradition im Kreis

Groß ist aber auch die Bandbreite an Kultur und Tradition im Landkreis, macht Landrat Florian Töpper deutlich. Fränkische Tradition ist lebendig, es gibt eine Vielfalt relogiöser Bräuche, überlieferter Traditionen und lebendiger Feste. Von Sömersdorf als Ort der Passion und der Besinnung zu den Kirchenburgen in Euerbach, Donnersdorf bis hin zu den Zeugnissen der Gotik in Gerolzhofen reicht die Bandbreite.

Töpper spricht als Pluspunkte des Landkreises auch die vielen Schlösser im Landkreis an, die mittelalterliche Baustruktur und den historischen Wengert in Wipfeld.

Seit vergangenem Jahr fördere der Landkreis mit der Kulturförderrichtlinie auch unmittelbar Kulturprojekte im Landkreis. Dazu gehörte auch das Theaterprojekt „Fräulein Schmitt und der Aufstand der Frauen“ des Kleinen Stadttheaters in Gerolzhofen.

Veritabler Standortvorteil

Das Projekt steht für Töpper beispielhaft für das Engagement der Kulturschaffenden im ländlichen Raum. „Kultur ist ein veritabler und meßbarer Standortvorteil“, dankt Töpper vor allem den vielen Ehrenamtlichen, die sich in diesem Bereich im Kreis engagieren.

Um Tradition lebendig zu erhalten, sei die Akzeptanz vor Ort wichtig. Das Motto des Denkmaltages „Gemeinsam Denkmale erhalten“ passt laut Töpper perfekt auf Oberlauringen und die Begeisterung, mit der die Erinnerung an Friedrich Rückert lebendig gehalten wird.

Hans Driesel rückt Rückert in ein neues Licht.
Foto: Martina Müller | Hans Driesel rückt Rückert in ein neues Licht.
Vom Schloss ist nur noch wenig übrig geblieben. Hier residierte der Grundherr Carl August Truchseß von Wetzhausen zu Oberlauringen, in dessen Diensten Rückerts Vater stand.
Foto: Martina Müller | Vom Schloss ist nur noch wenig übrig geblieben. Hier residierte der Grundherr Carl August Truchseß von Wetzhausen zu Oberlauringen, in dessen Diensten Rückerts Vater stand.
Im Zeichen der Schwalbe auf Rückerts Spuren durch Oberlauringen.
Foto: Martina Müller | Im Zeichen der Schwalbe auf Rückerts Spuren durch Oberlauringen.
 
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