Im Hintergrund lächelt Friedrich Rückert (1788-1866) milde unter seiner Markenzeichen-Haarpracht. Hier in Oberlauringen, gleich ums Eck der ehemaligen Kirchenburg, hat er prägende und offenbar auch glückliche Jahre seines Lebens verbracht: Als er vier war, ging die Familie von Schweinfurt nach Oberlauringen, mit 14 verließ das Sprachgenie das Dorf, um in Schweinfurt aufs Gymnasium zu gehen.
1829 war Friedrich Rückert nicht so glücklich. In Erlangen lebte er mit seiner Familie, hatte eine Professorenstelle, wenig Geld und wohl auch mehr Lust zu lernen, statt zu lehren. Mit viel Wehmut, Humor und auch einer Portion Frechheit schrieb er die „Erinnerungen aus den Kinderjahren eines Dorfamtmannssohnes. 1829.“ 1837 ist die Gedichte-Sammlung erschienen.
150. Todestag am 31. Januar
9Nora Zügel und Dagmar Stonus haben das Werk jetzt in einer historisch-kritischen Ausgabe neu herausgegeben. Am 31. Januar 2016 jährt sich der Todestag Rückerts zum 150. Mal.
Das Buch ist ein besonderer Teil des Rückert-Jahres, ein Schlüssel für das Projekt Rückert-Poetikum in Oberlauringen: „Die Neuedition überrascht und bereichert“, sagt Dagmar Stonus bei der Vorstellung des Buches, das sie mit Nora Zügel herausgegeben hat.
Wer es liest, dem öffnet sich ein autobiografisch getöntes Zeitfenster, meint Dagmar Stonus. „Rückert beamt sich damit gerade durch Zeit und Raum aus einer für ihn nur schwer erträglichen Lebenswirklichkeit, in dem er sich dichterisch einen Sehnsuchtsort schafft, der sicherlich so niemals existiert hat, denn zufällig herrschte damals auch Krieg, von dem selbst das abgelegene Oberlauringen nicht verschont geblieben war“, schreibt Rudolf Kreutner, Vorsitzender der Rückert-Gesellschaft in seinem Vorwort. „Doch bei Sehnsuchtsorten geht es ja gerade nicht um die wahrheitsgetreue Abbildung von Wirklichkeit, sondern um emotional aufgeladene Wunschwelten.“
Rückerts Handschrift war eine Herausforderung
Die Nora Zügel ist für das Buch tief in Rückerts Welt eingetaucht. Sie hat mit viel Mühe durchgestrichene, überarbeitete Passagen in den Manuskripten wieder lesbar gemacht. Das muss eine Heidenarbeit gewesen sein. Rückert schrieb in Deutscher Kurrent-Schrift – wer den Umschlag des Buches mit einer Schriftprobe sieht, weiß, was Nora Zügel geleistet hat. „Ich habe mich beim Lesen gefühlt wie ein früher Entdecker der Hieroglyphen.“
Das Buch hilft mit auch, die Welt Rückerts zu verstehen. Wer der gnädige Herr ist, der in den Gedichten vorkommt, was ein Künkelchen ist, was es mit dem Lauerbrünnlein auf sich hat: Alles wird erklärt und eingeordnet. Das Lauerbrünnlein und die Winterschule sind zwei Gedichte, die die Beziehung von Rückert und Oberlauringen ganz gut verdeutlichen. Bei der Buchvorstellung rezitieren Maren Dittmann und Amelie Derleder die beiden Gedichte, die auch den Humor des Dichters zeigen.
Im Herbst gibt es was Neues im Rückert-Dorf
Die Erinnerung an Friedrich Rückert am Leben zu erhalten, ist das Ziel des 20-köpfigen Rückert-Arbeitskreises. „Seit 2010 ist die Gruppe aktiv“, erzählt Klaus Derleder. Es gibt einen Rückertweg, einen historischen Ortsspaziergang – und heuer im Herbst im Alten Rathaus eine Kombination aus Museum, Treffpunkt und Veranstaltungsort.
Auch hier wird der Arbeitskreis aktiv sein, das ganze managen. „Oberlauringen hat Rückert geprägt, er hat aber keine sichtbaren Spuren hinterlassen“, sagt Derleder. „Wir sind auf einem richtigen Weg“, lobt Bürgermeister Friedel Heckenlauer den Arbeitskreis und die Herausgeberinnen des Buches.
Der Arbeitskreis und die Gemeinde wollen mit dem Projekt Rückert Poetikum den Dorfamtsmannsohn, das Sprachengenie, den Wissensdurstigen, den Dichter wieder zurückholen. Schließlich sagt er selbst, wie viel ihm Oberlauringen bedeutet hat: „Nicht der Main war mein Vertrauter, der so breit dort fließt, du, o Leinach, du so lauter sich am Dorf ergießt.“
Friedrich Rückert: Erinnerungen aus den Kinderjahren eines Dorfamtmannssohn.1829. Herausgegeben von Nora Zügel und Dagmar Stonus, Wallstein-Verlag.
Sehr nett von Ihnen, mir geantwortet zu haben.
Schön ist, dass ja zumindest vor Jahren die Strasse Lauergrund wieder in untere Judengasse zurückbenannt wurde. Und aus der Oberen Judengasse wurde bekanntlich die Friedrich-Rückert-Strasse.