Bier in Bewegung – darunter verstehe ich Flasche auf, rein ins Glas und dann zügig hin zum Durst damit. Heute lerne ich die "Bewegungsabläufe des Bieres" kennen, die vorher nötig sind, um den finalen Genuss möglich zu machen. Als "Reporter in Betrieb" bin ich in der Privatbrauerei von Ulrich Martin im Schonunger Ortsteil Hausen Teil des Teams, bei dem Hopfen und Malz definitiv nicht verloren ist.
"Wir pumpen gerade das Jungbier in den Lagerkeller", empfängt mich Brauer Julian Dirnhofer im Sudhaus, das erfüllt ist vom getreidig-aromatischen Duft des Bieransatzes. Im Lagerkeller reift das Bier, aufgeteilt auf verschiedene Tanks, seiner Vollendung entgegen. Dass der 23-Jährige, der sich selbst als "Genussmensch" und leidenschaftlichen Bierbrauer bezeichnet, sein Handwerk versteht, sieht man an jedem Handgriff. Zwar hat er erst 2021 seine Lehre abgeschlossen, die aber gleich als Bundessieger und damit als Deutschlands bester Nachwuchsbrauer. Noch heuer will er durchstarten und seinen Meister machen.
"Heute steht Pils auf dem Programm", hat mir der Chef des Hauses, Ulrich Martin, eingangs erklärt. Knapp 4000 Hektoliter Bier, aufgeteilt in die Sorten Umtrunk, Weizen, Spezial, Pils und Festbock, verlassen jährlich die Brauerei, die Ulrich Martin 2008 sozusagen aus dem Dornröschenschlaf geweckt hat. "Ich habe mir damals den Traum von der eigenen Brauerei erfüllt", so der 52-jährige Braumeister. 1850 wurden Brauerei und Mälzerei von Lorenz Fratz gegründet, 1902 baute Georg Weinig, der in die Familie eingeheiratet hatte, das Wirtshaus, wie es heute in der Ortsmitte von Hausen steht. Unter seiner Ägide erlebten Brauerei, Mälzerei, Brennerei, Landwirtschaft und Gasthaus eine Blütezeit.
Die war Mitte des vergangenen Jahrhunderts vorbei. Erst wurde die Brauerei stillgelegt, dann die Mälzerei. Nach einigen Pächterwechseln wurde auch die Wirtschaft geschlossen, stand jahrelang leer. Dann kam Ulrich Martin, der in kurzer Zeit Wirtschaft und Brauerei wieder flott machte und 2011 den Biergarten auf den alten Brauereikellern direkt hinterm Haus eröffnete. Dieser hat seit dem 11. Mai wieder geöffnet, weswegen dort alle Hände gebraucht werden. Der Chef, sonst eher in der Brauerei zu finden, steht dort höchstselbst am Zapfhahn.
Und das mit Leidenschaft. Nach zwei Jahren Corona wieder normaler Biergartenbetrieb, das freut einen Wirt. "Corona war schon eine schwere Zeit, gerade wenn man wie wir viel Umsatz in Gaststätte und im Biergarten macht." Auch mit Festen war ja nicht viel los, weshalb der Fassbier-Absatz deutlich zurückging. "Manche Brauerei hat dies nicht überstanden", so Ulrich Martin, der gerade einem Gast ein frisches "Spezial" zapft.
Damit aus dem Zapfhahn auch künftig was kommt, wird derweil in der Brauerei für Nachschub gesorgt. Bevor die Brauerei richtig losgehen kann, müssen die Tanks gereinigt und desinfiziert werden. Bier brauen ist eine saubere Sache, und alle Arbeitsschritte der Hygiene-Kette müssen dokumentiert werden. Bevor die 30 Hektoliter Pils auf den Weg gebracht werden, muss ein Brauer Putzmann-Qualitäten unter Beweis stellen. Alle Behälter und Bottiche werden sorgfältig gereinigt und desinfiziert. Keime wären das Ende des jungen Bieres, deshalb ist "Sauberkeit ist das A und O", bekräftigt Julian Dirnhofer.
Für mich als "Brauerei-Gehilfe" ist denn auch der Wasserschlauch zunächst wichtiges Arbeitsgerät. Dann geht es gemeinsam mit Julian Dirnhofer in die "Zutaten-Küche", wo mein nächster Job darin besteht, 240 Kilo Pilsner Malz abzuwiegen. Dazu muss man heutzutage nur einen Hebel umlegen und warten, bis die Waage das gewünschte Maß zeigt.
Das Bierbrauen im Sudhaus läuft automatisiert und vom Brauer überwacht ab. Die Maische, früh um 4 Uhr angesetzt, wird auf Knopfdruck nach zweieinhalb Stunden in den "Läuterbottich" gepumpt, wo der frische Ansatz bei verschiedenen Temperaturen diverse Ruhezeiten einhalten muss und dabei feste von flüssigen Bestandteilen getrennt werden. Auch wenn die Anlage modern ist, machen Hefe und Enzyme in den Edelstahlbehältern ihren seit Jahrhunderten bewährten Job – aus Hopfen, Malz, Hefe und viel Wasser ein Bier, in diesem Fall ein Pils, zu formen.
"Malz ist Getreide, das in der Mälzerei gezielt zum Keimen gebracht wurde. Dabei werden Enzyme gebildet, die nötig sind, um den Zucker zu bilden, der mit der Hefe die alkoholische Gärung einleitet", erklärt mir der junge Brauer. So einfach ist eigentlich die Formel, gemäß der aus Getreide Bier gemacht wird. Was einfach klingt, ist aber eine Wissenschaft für sich. Enzyme reagieren bei unterschiedlichen Getreidesorten und Temperaturen immer etwas anders. Gut so, denn auf diese Weise entsteht die Biervielfalt – etwa 6000 verschiedene Biersorten werden in Deutschland gebraut. Besonders in Bayern ist die Auswahl groß.
"Es ist viel Biologie und Chemie dabei", so Julian Dirnhofer über sein Handwerk und natürlich müsse der Brauer wissen, wo er geschmacklich hin will. Da ist die Rede von "Sudfolgen", "Bitterstoffen, die in die Würze übergehen" und Filtrations-Feinheiten, die am Ende des Tages den Unterschied ausmachen und den Geschmack prägen. Die "letzte Gabe" zum heute zu brauenden Pils ist der Hopfen. "Aroma-Hopfen aus dem Hopfenanbaugebiet Spalt", erklärt der junge Brauer und hält mir intensiv duftende Hopfen-Pellets unter die Nase.
Bier zu brauen, so wird vermutet, wurde wahrscheinlich in grauer Vorzeit zufällig entdeckt. Möglicherweise hat jemand feuchtes Brot oder Getreide in einem Gefäß vergessen, später davon genascht und entdeckt, dass der Brei berauschend wirkt. In den Klöstern wurde dieser Vorgang weiterentwickelt. Dabei war man nicht wählerisch mit den Zutaten. Auch deshalb erließ 1516 Herzog Wilhelm IV. von Bayern das Deutsche Reinheitsgebot. Diese weltweit älteste Lebensmittelverordnung, nach der in Deutschland in der Regel gebraut werden, ist zum Wohl der Biertrinker bis heute in Kraft.
"Nach sieben Tagen Hauptgärung und vier bis sechs Wochen Lagerung wird das Bier, das heute gebraut wird, fertig sein", erklärt Julian Dirnhofer. Die Zeit, die man einem Bier lässt, und die Qualität der Zutaten, macht den Unterschied im Hinblick auf den Geschmack und im Preisvergleich mit Industriebieren.
Damit das Bier zu den Kunden kommt, muss es abgefüllt werden. "Etwa die Hälfte in Flaschen, die andere in Fässer", so Ulrich Martin. Mein Arbeitsnachmittag beginnt an der Faß-Waschanlage und in der Abfüllung. Auch hier ist Hygiene oberstes Gebot, denn die Fässer müssen einwandfrei sauber sein, bevor sie befüllt werden können.
Bei den für den nächsten Einsatz vorzubereitenden Pfandflaschen wäre es schön, wenn die Kunden selber mehr mitdenken würden. "Oft werden Flaschen zurückgegeben, in die Zigarettenkippen oder zusammengedrückte Kronenkorken entsorgt wurden", klagt Ulrich Martin. Das bedeutet einen hohen Reinigungsaufwand, manchmal auch müssen solche Flaschen entsorgt werden. Ach ja, Kronenkorken werden auch noch gebraucht. Ein Paket mit 10.000 Stück darf ich als "Stift" vom Dachboden holen. Auch das ist Handarbeit, die die Vorfreude auf ein fein gebrautes Feierabendbier mit regionalen Zutaten noch einmal so richtig in Schwung bringt.
Naturhopfen (Hopfendolden), Brauvorgang 3 Monate, Brauhaus SW 300 Mitarbeiter bei ca. 3 Biersorten
Bierbrauen in Deutschland nach der industriellen Umstellung um 1990:
Hopfenpellets, Brauvorgang 6 Wochen, Brauhaus SW 30 Mitarbeiter bei viel mehr Biersorten
Warum verwenden deutsche Brauer keinen Naturhopfen mehr? Weil nur mit Pellets industriell gebraut werden kann.
Entsprechen eigentlich Hopfenpellets dem Deutschen Reinheitsgebot?
Vielen Dank!!