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Hausen
Reporter in Betrieb: Ein Tag als Brauereigehilfe bei der Brauerei Ulrich Martin in Hausen
Auf der Spur des Bieres: Es gibt reichlich Arbeit rund um Hefe, Hopfen, Malz und Gärung. Warum das Reinheitsgebot auch außerhalb von Fass und Flasche gilt.
Gleich geht es los mit dem Fässer-Stapeln. Von Jungbrauer Julian Dirnhofer bekomme ich letzte Anweisungen, wie die Fässer auf den Paletten zu stehen haben und die Schutzkappen auf den Einfüllstutzen anzubringen sind.
Foto: Anand Anders | Gleich geht es los mit dem Fässer-Stapeln. Von Jungbrauer Julian Dirnhofer bekomme ich letzte Anweisungen, wie die Fässer auf den Paletten zu stehen haben und die Schutzkappen auf den Einfüllstutzen anzubringen sind.
Helmut Glauch
Helmut Glauch
 |  aktualisiert: 10.02.2024 09:46 Uhr

Bier in Bewegung – darunter verstehe ich Flasche auf, rein ins Glas und dann zügig hin zum Durst damit. Heute lerne ich die "Bewegungsabläufe des Bieres" kennen, die vorher nötig sind, um den finalen Genuss möglich zu machen. Als "Reporter in Betrieb" bin ich in der Privatbrauerei von Ulrich Martin im Schonunger Ortsteil Hausen Teil des Teams, bei dem Hopfen und Malz definitiv nicht verloren ist.

"Wir pumpen gerade das Jungbier in den Lagerkeller", empfängt mich Brauer Julian Dirnhofer im Sudhaus, das erfüllt ist vom getreidig-aromatischen Duft des Bieransatzes. Im Lagerkeller reift das Bier, aufgeteilt auf verschiedene Tanks, seiner Vollendung entgegen. Dass der 23-Jährige, der sich selbst als "Genussmensch" und leidenschaftlichen Bierbrauer bezeichnet, sein Handwerk versteht, sieht man an jedem Handgriff. Zwar hat er erst 2021 seine Lehre abgeschlossen, die aber gleich als Bundessieger und damit als Deutschlands bester Nachwuchsbrauer. Noch heuer will er durchstarten und seinen Meister machen.

Bevor die Flaschen neu befüllt werden können, werden sie nach dem Reinigen, hier von Brauereibesitzer Ulrich Martin, noch einmal nach Rückständen durchleuchtet. Das erfordert viel Konzentration, weshalb sich das Team alle 20 Minuten in dieser Aufgabe abwechselt.
Foto: Anand Anders | Bevor die Flaschen neu befüllt werden können, werden sie nach dem Reinigen, hier von Brauereibesitzer Ulrich Martin, noch einmal nach Rückständen durchleuchtet.

"Heute steht Pils auf dem Programm", hat mir der Chef des Hauses, Ulrich Martin, eingangs erklärt. Knapp 4000 Hektoliter Bier, aufgeteilt in die Sorten Umtrunk, Weizen, Spezial, Pils und Festbock, verlassen jährlich die Brauerei, die Ulrich Martin 2008 sozusagen aus dem Dornröschenschlaf geweckt hat. "Ich habe mir damals den Traum von der eigenen Brauerei erfüllt", so der 52-jährige Braumeister. 1850 wurden Brauerei und Mälzerei von Lorenz Fratz gegründet, 1902 baute Georg Weinig, der in die Familie eingeheiratet hatte, das Wirtshaus, wie es heute in der Ortsmitte von Hausen steht. Unter seiner Ägide erlebten Brauerei, Mälzerei, Brennerei, Landwirtschaft und Gasthaus eine Blütezeit.

Die war Mitte des vergangenen Jahrhunderts vorbei. Erst wurde die Brauerei stillgelegt, dann die Mälzerei. Nach einigen Pächterwechseln wurde auch die Wirtschaft geschlossen, stand jahrelang leer. Dann kam Ulrich Martin, der in kurzer Zeit Wirtschaft und Brauerei wieder flott machte und 2011 den Biergarten auf den alten Brauereikellern direkt hinterm Haus eröffnete. Dieser hat seit dem 11. Mai wieder geöffnet, weswegen dort alle Hände gebraucht werden. Der Chef, sonst eher in der Brauerei zu finden, steht dort höchstselbst am Zapfhahn.

Biertrinken ist definitiv einfacher als Bierfässer auf Paletten stapeln. Aber wie heißt es so schön: 'Bier gibt Kraft'. Die kann ein Reporter in Betrieb in einer Brauerei ganz gut gebrauchen.
Foto: Anand Anders | Biertrinken ist definitiv einfacher als Bierfässer auf Paletten stapeln. Aber wie heißt es so schön: "Bier gibt Kraft". Die kann ein Reporter in Betrieb in einer Brauerei ganz gut gebrauchen.

Und das mit Leidenschaft. Nach zwei Jahren Corona wieder normaler Biergartenbetrieb, das freut einen Wirt. "Corona war schon eine schwere Zeit, gerade wenn man wie wir viel Umsatz in Gaststätte und im Biergarten macht." Auch mit Festen war ja nicht viel los, weshalb der Fassbier-Absatz deutlich zurückging. "Manche Brauerei hat dies nicht überstanden", so Ulrich Martin, der gerade einem Gast ein frisches "Spezial" zapft.

Aus den Anbaugebieten rund um Spalt, unweit des Brombachsees, stammt der Aroma-Hopfen, der auch in Hausen das Bier verfeinert.
Foto: Helmut Glauch | Aus den Anbaugebieten rund um Spalt, unweit des Brombachsees, stammt der Aroma-Hopfen, der auch in Hausen das Bier verfeinert.

Damit aus dem Zapfhahn auch künftig was kommt, wird derweil in der Brauerei für Nachschub gesorgt. Bevor die Brauerei richtig losgehen kann, müssen die Tanks gereinigt und desinfiziert werden. Bier brauen ist eine saubere Sache, und alle Arbeitsschritte der Hygiene-Kette müssen dokumentiert werden. Bevor die 30 Hektoliter Pils auf den Weg gebracht werden, muss ein Brauer Putzmann-Qualitäten unter Beweis stellen. Alle Behälter und Bottiche werden sorgfältig gereinigt und desinfiziert. Keime wären das Ende des jungen Bieres, deshalb ist "Sauberkeit ist das A und O", bekräftigt Julian Dirnhofer.

Brauerei-Mitarbeiter Armin Klüpfel sorgt hier für saubere Fässer und dafür, dass die gereinigten Behälter nicht lange Leergut bleiben und wieder gefüllt werden.
Foto: Helmut Glauch | Brauerei-Mitarbeiter Armin Klüpfel sorgt hier für saubere Fässer und dafür, dass die gereinigten Behälter nicht lange Leergut bleiben und wieder gefüllt werden.

Für mich als "Brauerei-Gehilfe" ist denn auch der Wasserschlauch zunächst wichtiges Arbeitsgerät. Dann geht es gemeinsam mit Julian Dirnhofer in die "Zutaten-Küche", wo mein nächster Job darin besteht, 240 Kilo Pilsner Malz abzuwiegen. Dazu muss man heutzutage nur einen Hebel umlegen und warten, bis die Waage das gewünschte Maß zeigt.

"Corona war schon eine schwere Zeit, gerade wenn man wie wir viel Umsatz in Gaststätte und im Biergarten macht."
Ulrich Martin, Brauereibesitzer

Das Bierbrauen im Sudhaus läuft automatisiert und vom Brauer überwacht ab. Die Maische, früh um 4 Uhr angesetzt, wird auf Knopfdruck nach zweieinhalb Stunden in den "Läuterbottich" gepumpt, wo der frische Ansatz bei verschiedenen Temperaturen diverse Ruhezeiten einhalten muss und dabei feste von flüssigen Bestandteilen getrennt werden. Auch wenn die Anlage modern ist, machen Hefe und Enzyme in den Edelstahlbehältern ihren seit Jahrhunderten bewährten Job – aus Hopfen, Malz, Hefe und viel Wasser ein Bier, in diesem Fall ein Pils, zu formen.

Nach dem 'Hefe-Abschießen' aus den Tanks, muss auch der Brauerei-Gehilfe seine Vielseitigkeit unter Beweis stellen. Gleich kommt der Wasserschlauch zum Einsatz, um den schönen Schaum – eigentlich schade drum– in den Abfluss zu spülen.
Foto: Julian Dirnhofer | Nach dem "Hefe-Abschießen" aus den Tanks, muss auch der Brauerei-Gehilfe seine Vielseitigkeit unter Beweis stellen.

"Malz ist Getreide, das in der Mälzerei gezielt zum Keimen gebracht wurde. Dabei werden Enzyme gebildet, die nötig sind, um den Zucker zu bilden, der mit der Hefe die alkoholische Gärung einleitet", erklärt mir der junge Brauer. So einfach ist eigentlich die Formel, gemäß der aus Getreide Bier gemacht wird. Was einfach klingt, ist aber eine Wissenschaft für sich. Enzyme reagieren bei unterschiedlichen Getreidesorten und Temperaturen immer etwas anders. Gut so, denn auf diese Weise entsteht die Biervielfalt – etwa 6000 verschiedene Biersorten werden in Deutschland gebraut. Besonders in Bayern ist die Auswahl groß.

"Oft werden Flaschen zurückgegeben, in die Zigarettenkippen oder zusammengedrückte Kronenkorken entsorgt wurden."
Bierbrauer Ulrich Martin

"Es ist viel Biologie und Chemie dabei", so Julian Dirnhofer über sein Handwerk und natürlich müsse der Brauer wissen, wo er geschmacklich hin will. Da ist die Rede von "Sudfolgen", "Bitterstoffen, die in die Würze übergehen" und Filtrations-Feinheiten, die am Ende des Tages den Unterschied ausmachen und den Geschmack prägen. Die "letzte Gabe" zum heute zu brauenden Pils ist der Hopfen. "Aroma-Hopfen aus dem Hopfenanbaugebiet Spalt", erklärt der junge Brauer und hält mir intensiv duftende Hopfen-Pellets unter die Nase.

Tobias Bayer, Brauer-Azubi im zweiten Lehrjahr, überwacht im Sudhaus der Privatbrauerei Ulrich Martin den Brauvorgang.
Foto: Anand Anders | Tobias Bayer, Brauer-Azubi im zweiten Lehrjahr, überwacht im Sudhaus der Privatbrauerei Ulrich Martin den Brauvorgang.

Bier zu brauen, so wird vermutet, wurde wahrscheinlich in grauer Vorzeit zufällig entdeckt. Möglicherweise hat jemand feuchtes Brot oder Getreide in einem Gefäß vergessen, später davon genascht und entdeckt, dass der Brei berauschend wirkt. In den Klöstern wurde dieser Vorgang weiterentwickelt. Dabei war man nicht wählerisch mit den Zutaten. Auch deshalb erließ 1516 Herzog Wilhelm IV. von Bayern das Deutsche Reinheitsgebot. Diese weltweit älteste Lebensmittelverordnung, nach der in Deutschland in der Regel gebraut werden, ist zum Wohl der Biertrinker bis heute in Kraft.

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"Nach sieben Tagen Hauptgärung und vier bis sechs Wochen Lagerung wird das Bier, das heute gebraut wird, fertig sein", erklärt Julian Dirnhofer. Die Zeit, die man einem Bier lässt, und die Qualität der Zutaten, macht den Unterschied im Hinblick auf den Geschmack und im Preisvergleich mit Industriebieren.

Damit das Bier zu den Kunden kommt, muss es abgefüllt werden. "Etwa die Hälfte in Flaschen, die andere in Fässer", so Ulrich Martin. Mein Arbeitsnachmittag beginnt an der Faß-Waschanlage und in der Abfüllung. Auch hier ist Hygiene oberstes Gebot, denn die Fässer müssen einwandfrei sauber sein, bevor sie befüllt werden können.

Nach einer Woche war das am 11. Mai gebraute Pils reif für die Flasche und konnte abgefüllt werden.
Foto: Anand Anders | Nach einer Woche war das am 11. Mai gebraute Pils reif für die Flasche und konnte abgefüllt werden.

Bei den für den nächsten Einsatz vorzubereitenden Pfandflaschen wäre es schön, wenn die Kunden selber mehr mitdenken würden. "Oft werden Flaschen zurückgegeben, in die Zigarettenkippen oder zusammengedrückte Kronenkorken entsorgt wurden", klagt Ulrich Martin. Das bedeutet einen hohen Reinigungsaufwand, manchmal auch müssen solche Flaschen entsorgt werden. Ach ja, Kronenkorken werden auch noch gebraucht. Ein Paket mit 10.000 Stück darf ich als "Stift" vom Dachboden holen. Auch das ist Handarbeit, die die Vorfreude auf ein fein gebrautes Feierabendbier mit regionalen Zutaten noch einmal so richtig in Schwung bringt.

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Kommentare
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  • kretzers
    Lecker Bier aus einer kleinen regionale Brauerei. Danke für die Infos.
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  • Baetz_Johannes@t-online.de
    Großes Lob an die Brauerrei Martin, dass diese alles, die Tradition und das Regionale wieder belebt haben, ich wünsche der Brauerei weitehin alles Gute und viel Erfolg. Eine echte Bereicherung für unsere Region/Heimat.
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  • Reinshagen153@t-online.de
    Bierbrauen in Deutschland früher:
    Naturhopfen (Hopfendolden), Brauvorgang 3 Monate, Brauhaus SW 300 Mitarbeiter bei ca. 3 Biersorten

    Bierbrauen in Deutschland nach der industriellen Umstellung um 1990:
    Hopfenpellets, Brauvorgang 6 Wochen, Brauhaus SW 30 Mitarbeiter bei viel mehr Biersorten

    Warum verwenden deutsche Brauer keinen Naturhopfen mehr? Weil nur mit Pellets industriell gebraut werden kann.

    Entsprechen eigentlich Hopfenpellets dem Deutschen Reinheitsgebot?
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  • attheendoftheday
    Schöner Bericht über ein tolles Unternehmen.
    Vielen Dank!!
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