
Als kleiner Bub hat er Maßkrüge gesammelt. Als Jugendlicher schwindelte er bei seinem Alter, um einen Ferienjob in der Brauerei zu bekommen. Und als die Kumpels nach der Schulzeit mit dem VW-Bus durch Griechenland tourten, malochte er in einer Nürnberger Brauerei. Für Ulrich Martin war schon immer klar: „Ich will Brauer werden.“
Der Mainberger ist es geworden und noch viel mehr: Er ist stolzer Brauereibesitzer und hat sich seinen Traum vom eigenen Bier erfüllt. An diesem Wochenende feiert Ulrich Martin das zehnjährige Bestehen seiner kleinen, feinen Brauerei in Hausen. Dazu hat er eigens ein Jubiläumsbier gebraut, ein klassisch helles Festbier mit 13,5 Prozent Stammwürze – den UMtrunk. Die ersten beiden Großbuchstaben sind die Initialen des Brauers.
Nach sieben Monaten Bauzeit Brauerei eröffnet
Ja, so sieht ein Brauer aus: groß, kräftig, ein richtiges Mannsbild halt. Als Ulrich Martin 2007 nach dem Kauf der alten Hausener Brauerei mit Gaststätte in nur sieben Monaten aus der abrisswürdigen Ruine das gemacht hatte, was es heute ist, hätte man ihn nicht so beschreiben können. Etliche Kilo hat der damals 38-Jährige während der Sanierung des aus dem Jahr 1850 stammenden Gebäudes verloren. Und viel Schweiß ist dabei geflossen. Heute steht er wieder groß und kräftig da, auch wenn die Arbeit nicht weniger geworden ist. 70-Stunden-Woche ist der Alltag.
Ehefrau Anja kommt gerade vom Gemüsefeld. Die gebürtige Sennfelderin ist Kräuterbäuerin und pflanzt fast alles selbst an, was in ihrem Wirtshaus auf den Tisch kommt. Dabei wollte sie nie Gastwirtin werden, „weil man da arbeiten muss, wo andere feiern“. Aber heute macht ihr genau das Spaß, und das sieht man der freundlichen Wirtin an. Sie hat Küche, Service und Biergarten unter ihrer Regie, und springt ein, wo Not an „Frau“ ist.
Der letzte Pächter ging 2002
Ein Blick weit zurück, ins 19. Jahrhundert: Als vor rund 180 Jahren das Brauereirecht freigegeben wurde und jeder gelernte Brauer oder Mälzer gewerblich brauen durfte, entstanden viele Brauereien. So auch die in Hausen. Lorenz Fratz war der Begründer. 100 Jahre war die Brauerei im Familienbesitz. Lediglich der Name änderte sich immer wieder durch die Heirat der meist weiblichen Nachkommen. So wurde aus der Brauerei Fratz die Brauerei Weinig und danach die Brauerei Gehling. Mitte des 20. Jahrhunderts begann dann das Brauereisterben.
Auch die Hausener Brauerei wurde geschlossen und nur noch die Mälzerei weiter betrieben. Bis 1982. Dann machte auch sie dicht, weil man sich gegen die Großen nicht mehr behaupten und technisch nicht mithalten konnte. Als der letzte Brauer und Wirt Georg Gehling starb, verkaufte seine Witwe das Anwesen an die Brauerei Hiernickel in Haßfurt. Die hat dann nur noch einen Pächter auf die Gastwirtschaft gesetzt, die Brauerei verfiel. Als der letzter Pächter 2002 ging, verfiel auch die Gastwirtschaft.
Ulrich Martin hatte längst seine Lehre als Brauer und Mälzer gemacht und auch seinen Meister in der Tasche. Zwei Jahre arbeitete er danach in Bangkok, baute für eine Münchener Brauerei dort einen Betrieb auf. Danach wechselte er zu einem mittelständischen Unternehmen nach Baden Württemberg, bevor er Projektleiter einer Münchener Brauerei- und Maschinenfirma wurde. Weltweit war er unterwegs. „Ich habe die höchstgelegene Brauerei Europas in Davos in Betrieb genommen und die südlichste von Afrika an der Waterfront in Kapstadt“, sagt Martin stolz. Er arbeitete in England, Frankreich, Belgien, Dänemark und Südkorea – viereinhalb Jahre lang.
Aber seine fränkischen Wurzeln waren stärker als der Drang in die Ferne, und so wechselte er als Braumeister ins Allgäu. Mit dem Ziel, sich noch vor seinem 40. Lebensjahr selbstständig zu machen. Und da fiel sein Blick auf die alte Hausener Brauerei. „Die hat mir schon immer gefallen.“ An Weihnachten 2007 war sie in seinem Besitz.
Der Bagger stand in der Gaststube
Jetzt ging die Arbeit erst richtig los. Das aus Sandstein gebaute Gasthaus musste trockengelegt und wärmegedämmt werden. Der Bagger stand mitten in der Gaststube, um die Bodenplatte herauszureißen. Mit Schubkarren wurde das Material abgefahren. Familie, Freunde, Bekannte, viele halfen mit. Von der Brauerei selbst war nichts mehr übrig. Martin hat die gesamte Technik in der zum Brauhaus umfunktionierten Scheune neu installiert. Im Gasthaus blieb einrichtungsmäßig alles beim Alten. Hier herrscht noch richtige Wirtshausatmosphäre. Grün ist die dominierende Farbe. Grün ist die Farbe der Brauerei Martin: grüne Wandverkleidung, grüne Fensterumrahmungen, grüne Hoftore, grüne Bierkästen.
Apropos Bierkasten: Fast hätte das Jubiläumsbier nicht abgefüllt werden können, weil die moosgrünen Bierkästen nicht geliefert werden konnten. Bei der Herstellerfirma war eine Maschine defekt und andere Bierkästenproduzenten hatten Form und Farbe nicht im Programm. Zum Glück fand Martin im Allgäu ein Unternehmen, das just seinen Kasten und die grüne Farbe produzieren konnte. Drei Tage vor dem Fest wurden sie geliefert.
Künftig vier Sorten Bier
Brauerei und Gaststätte schlugen von Anfang an voll ein. Seit der Eröffnung im Juli 2008 „läuft es“. Drei Sorten Bier braut Martin, ein Pils, ein Weizenbier und das beliebte Spezial, das etwa zwei Drittel der jährlich knapp 4000 Hektoliter ausmacht. Als vierte Sorte wird künftig auch das Jubiläumsbier in der 0,33-Liter-Flasche im Angebot sein. Verkauft wird der Gerstensaft aus Hausen ausschließlich in privaten Getränkemärkten und ab Brauereihof. Anfragen von Discountern hat Martin bislang negativ beschieden. Er setzt auf Regionalität und Nachhaltigkeit. So bezieht Martin sein Malz von der alteingesessenen Traditionsmälzerei Schubert in Schweinfurt, und die Gerste dafür liefert ihm ein Bauer aus Waldsachsen.
Die Kundschaft allerdings kommt nicht nur aus der Region. Denn seit das Martin-Bier beim fränkischen Bierfest in Rom ausgeschenkt wurde, hat es auch italienische Freunde gefunden.
2011 eröffnete Martin den idyllischen Biergarten hinter dem Haus, der größtenteils auf dem Fundament der alten Brauerei gebaut wurde. Das Schmuckstück mit seinen 150 Plätzen und eigener Essens- und Getränkeausgabe ist das i-Tüpfelchen der Brauerei. Geöffnet ist er immer, wenn es die Witterung erlaubt. Die Gaststätte bleibt dann geschlossen. Nachdem fürs Wochenende bestes Sommerwetter gemeldet ist, wird das Jubiläumsfest natürlich im Biergarten gefeiert. Am Samstag ist er ab 12 Uhr geöffnet, ab 14 Uhr ist Festbetrieb. Am Nachmittag spielt die Schonunger Blasmusik. Zum Frühschoppen am Sonntag sorgt die Sennfelder Combo für Unterhaltung, am Nachmittag die Mainberger Blaskapelle. Festreden wird es keine geben, versichert Martin. Die Gäste sollen mit ihm feiern, Bier trinken und essen. Vier Zentner Bratwürste hat er vorbereitet. Auch das Backhäuserl wird angeschürt für den Flammkuchen und Kassler im Brotteig. Na dann: „Prost!“




